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Hofreiter: Energiepläne von Schwarz-Rot sind absurd

Trotz der Energiewende steigt der CO2-Ausstoß der deutschen Stromproduktion, sagt Anton Hofreiter, Chef der Grünen-Bundestagsfraktion. Um diesen zu senken, fordert er unter anderem einen CO2-Mindestpreis und Mindest-Effizienzkriterien für Kraftwerke. Er kritisiert auch, dass der Ausbau von Windenergie ausgebremst werde.

Anton Hofreiter im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 12.11.2013
    Dirk-Oliver Heckmann: Thema für Thema gehen Union und SPD derzeit durch bei den Verhandlungen zur Bildung einer Großen Koalition. Interessant zu beobachten, wie die Spitzenvertreter beider Seiten nebeneinanderstehen und auf Eintracht umgeschaltet haben – so halb zumindest, denn es stehen ja noch einige Hindernisse im Weg, bevor Bundeskanzlerin Angela Merkel sich wiederwählen lassen kann.
    Telefonisch zugeschaltet ist uns Anton Hofreiter, der Vorsitzende der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Schönen guten Morgen, Herr Hofreiter.

    Anton Hofreiter: Guten Morgen!

    Heckmann: Kommen wir zunächst mal zum Thema Energie. In Südostasien, da kämpfen die Menschen ums Überleben. In Berlin treten Union und SPD bei der Energiewende erst mal so ein wenig auf die Bremse. Was löst das bei Ihnen aus?

    Hofreiter: Man hat den Eindruck, dass SPD und Union überhaupt nicht begriffen haben, worum es bei der Energiewende geht. Bei der Energiewende geht es ja nicht darum, dass einem Windkraftanlagen besonders schön vorkommen, oder dass man möglichst viele Stromleitungen haben muss, sondern es geht darum, dass wir weniger CO2 produzieren, und da ist einfach die Frage, was wird die auslaufenden Atomkraftwerke ersetzen. Werden das große Kohlekraftwerke werden, oder wird Wind und Sonne Grundlast? Und da ist besonders unverantwortlich, dass ausgerechnet die kostengünstigste Art, erneuerbare Energien herzustellen, Windkraft, ausgebremst werden soll. Sie müssen sich eins klar machen: Trotz Energiewende steigt der CO2-Ausstoß vor allem der deutschen Stromproduktion. Das ist absolut absurd!

    Heckmann: Das mag ja kostengünstig sein, die Produktion dieser Energie. Aber beim Verbraucher kommt das nicht an. Im Gegenteil: Da explodieren die Stromkosten. Und diese Kostenexplosion, die können Sie ja nicht abstreiten?

    Hofreiter: Ja. Die Kostenexplosion wird allerdings nicht verursacht durch die erneuerbaren Energien als solche, sondern die Kostenexplosion wird verursacht durch fehlerhafte Regelungen, durch überbordende Ausnahmen für die Industrie. Sie müssen sich vorstellen: Die letzte Steigerung der EEG-Umlage ist nur zu 13 Prozent eine Folge des Zubaus erneuerbarer Energien. 13 Prozent der Steigerung der EEG-Umlage, die ja angeblich zu 100 Prozent für die erneuerbaren Energien da ist, nur 13 Prozent laufen in Wind- und Sonnenkraft und die übrigen 87 Prozent werden verwendet für irgendeinen anderen Quatsch.

    Heckmann: Energie muss sauber, planbar und bezahlbar sein. Das sagen sowohl Union und SPD. Was daran ist falsch?

    Hofreiter: Daran ist überhaupt nichts falsch. Das Problem ist nur, dass sie in ihren Maßnahmen das Gegenteil machen.

    Heckmann: Und zwar?

    Hofreiter: Sie sorgen dafür, dass Energie für den Normalverbraucher weiter teuer bleibt, weil bei den entsprechenden vernünftigen Regelungen fürs EEG nichts passiert. Sie sorgen dafür, dass nichts sauber wird, weil sie eine Bestandsgarantie für Kohle abgeben. Und sie sorgen dafür, dass nichts planbar wird, weil nämlich bei den erneuerbaren Energien es auf und ab geht.

    Heckmann: Zunächst soll es ja vor allem darum gehen, die EEG-Umlage zu reformieren, denn das ist ja schon ein gewaltiger Kostenblock, der da auf die Verbraucher immer wieder zurollt. Die Union beispielsweise, auch die SPD, die argumentieren jetzt, die Subventionen waren dazu gedacht, diese Technik, zum Beispiel die Windkraft, einzuführen. Aber es kann nicht angehen, dauerhaft zu subventionieren?

    Hofreiter: Das ist richtig. Das soll nach und nach degressiv auslaufen. Aber dazu muss man eine Reihe von klugen Maßnahmen entsprechend ergreifen. Man muss eine Reihe von Maßnahmen ergreifen in Bezug auf einen CO2-Handel, also auf einen Emissionshandel. Wir bräuchten zum Beispiel einen CO2-Mindestpreis, wir bräuchten zum Beispiel ein Mindest-Effizienzkriterium für Kraftwerke, was zur Folge hätte, dass bestimmte Kraftwerke entsprechend gar nicht mehr gebaut werden könnten. Im Moment betreiben wir zwei Systeme parallel. Wir haben eine Grundlast, die Atom ist und Braunkohle und Steinkohle, und diese Grundlast Atom wird nach und nach ersetzt durch weitere Braunkohle- und Steinkohle-Kraftwerke. Und obendrauf haben wir noch ein erneuerbares Energiensystem mit schwankender Energiebereitstellung aus Gas, also aus Sonne und Wind, das man im Idealfall ausgleichen kann durch Gaskraftwerke und weitere Speicher.

    Und die kluge Methode wäre, wir machen Sonne und Wind zur Grundlast, und wo Sonne und Wind, weil es, was weiß ich, gerade windstill ist oder zu wenig Sonne scheint, nicht ausreicht, das gleichen wir aus auf der anderen Seite durch Speicher, zweitens durch Netze und drittens durch hoch flexible Gaskraftwerke. Aber so fahren wir zwei Systeme parallel, nämlich fossile Großkraftwerke mit den dazu notwendigen Netzen und flexible CO2-arme erneuerbare Energien mit den dafür notwendigen Netzen. Das kann nur teuer sein.

    Heckmann: Wenn das alles so furchtbar ist, die ganze Entwicklung, die Sie jetzt beschreiben, in die die Politik jetzt geht, das alles hätten Sie ja ändern können, wenn Sie in Koalitionsverhandlungen mit der Union eingetreten wären?

    Hofreiter: Das war ja genau der zentrale Punkt. Das war einer der zentralen Punkte bei den Sondierungen, ob die CDU bereit ist, bei der Energiewende die erneuerbaren Energien zur Grundlast zu machen, was einfach heißt, dass der CO2-Ausstoß sinken würde. Das war unsere ganz entscheidende Frage, sind sie da für konkrete Maßnahmen bereit ja oder nein. Und da waren sie de facto zu nichts bereit, außer ein paar Sahnehäubchen. Genau deshalb unter anderem haben wir gesagt, da machen Koalitionsverhandlungen keinen Sinn.

    Heckmann: Was sagen Sie denn zu der Aussage von Union und SPD, dass die Energiewende selbst nicht infrage steht?

    Hofreiter: Na ja, das ist ja eine schöne Aussage, wenn dann de facto die Handlungen anders sind. Das ist ja immer so. Sie werden keinen in der Politik finden, der sagt ja, Klimawandel, die Zerstörung unserer zukünftigen Lebensgrundlagen wollen wir haben. Das ist de facto, wenn man dann anders handelt, ja Wählertäuschung.

    Heckmann: Dann kommen wir noch zum zweiten Thema, über das heute berichtet wird, nämlich vonseiten der "Süddeutschen Zeitung". Demnach hätten sich Union und SPD darauf geeinigt, Volksabstimmungen auf Bundesebene möglich zu machen. Das dürfte ja aus Ihrer Sicht, aus Sicht eines Bündnis-Grünen, nur zu begrüßen sein, oder?

    Hofreiter: Wir begrüßen, wenn das wirklich so wäre, die Ermöglichung von Volksentscheiden auch auf Bundesebene. Das ist eine uralte Forderung von uns. Das fordern wir, ich glaube, fast seit es uns gibt oder seit es uns gibt sogar, von Anfang an. Denn wir waren immer der Meinung und sind der Meinung, dass die repräsentative Demokratie durch direktdemokratische Elemente ergänzt wird, und in Bayern, mein Bundesland, aus dem ich komme, haben wir bis jetzt sehr, sehr gute Erfahrungen damit gemacht.

    Heckmann: In dem Punkt brauchte man die Bündnis-Grünen dann nicht in der kommenden Bundesregierung, um das durchzusetzen.

    Es geht ja um im Bundestag beschlossene Gesetze, die einem Plebiszit unterliegen sollen können. Diese Forderung hat offenbar die SPD eingebracht. Von der CSU-Seite kam eher die Forderung, dass über europapolitische Fragen abgestimmt werden soll, nämlich über die Aufnahme neuer Mitglieder in die Europäische Union, über finanztechnische Leistungen und die Abgabe von Kompetenzen nach Brüssel. Das hört sich so ein bisschen nach einem Programm an, das den EU-Kritikern Zucker geben soll. Kann das sein?

    Hofreiter: Dass die CSU nicht wirklich der deutschen Bevölkerung bei der nationalen Gesetzgebung mehr Möglichkeiten geben will, sondern eher ihre nationalistisch-populistischen Ideen ausleben will, das ist ja immer bekannt. Aber deswegen kann man trotzdem nationale Volksentscheide sinnvoll ausgestalten.

    Heckmann: Der Chef der Bündnis-Grünen im Deutschen Bundestag, Anton Hofreiter, war das hier im Deutschlandfunk. Danke Ihnen, Herr Hofreiter, für das Gespräch.

    Hofreiter: Ich sage danke.


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