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"Hohe Damen" und "Alte Herren"

Fechten, Alkohol und Schärpe sind die typischen Assoziationen zu Studentenverbindungen. Frauen spielen hier eine Nebenrolle. Ganz anderes in den Damenverbindungen. Die Münsteraner Damenverbindung Helenia-Monasteria hat gegen so manches Vorurteil zu kämpfen.

Von Anna Wiggeringloh | 01.10.2010
    Abends im Kreuzviertel von Münster. In einer Kneipe sitzen ein paar junge Frauen an einem Tisch und reden über Mode, Männer und Uni. Dass es sich hierbei um eine Damenverbindung handelt, ist erst auf den zweiten Blick zu erkennen: Sie haben sich ein farbiges, schmales Band um den Oberkörper gehangen, als Zeichen "Wir sind die Helenia-Monasteria". Sie ist eine von 46 Verbindungen für Frauen in Deutschland. Die Geschichtsstudentin Sabrina Gerasch erinnert sich, wie sie eingetreten ist:

    "Für mich war es am Anfang, dass ich sehr kritisch war, aber über die Studienzeit doch gemerkt habe, wie schön das sein kann, Rückhalt zu haben. Mit Menschen über mein Studium zu sprechen, jeder hat die gleichen Sorgen über's Studium: Schaff ich jetzt die nächste Klausur, wie organisier ich mich selbst, wie ist es mit der Magisterarbeit? Und dann vielleicht finanzielle Sorgen und man eine Anlaufstelle hat, wo man gehört wird."

    Der Austausch über das Studium steht im Mittelpunkt der Damenverbindungen. Daneben sehen sich die Helenen als eine gesellige Frauenrunde:

    "Veranstaltungen, die Mädels gerne machen, sprich jetzt mal den klassischen Weihnachtsmarktbummel, das Plätzchenbacken zu Nikolaus, Pralinenmachen- eine Odyssee aber herrlich. Ja und ansonsten: Wir gehen gemeinsam reiten, wir haben gemeinsame Hobbys und ja das übliche Klönen und zusammen weggehen, was dann mal so anfällt, was Mädels halt so machen."

    Dabei sind Damenverbindungen selbst unter Studierenden noch relativ unbekannt:

    "Damenverbindungen? - Ich denke mal studentische Gruppen vielleicht, die Menschenrechte bezüglich Frauenrechte vertreten? - Das Pendant wahrscheinlich zu den Burschenschaften oder so. Ich denke, dass es auf ihre Art eine gesellige Runde sein wird, aber auf ihre Art irgendwie. - Irgendwie so Rituale, 'nen bisschen elitär? - Frauen, die sich treffen, um irgendwas zu besprechen? - Richtig? - Ich hab keine Ahnung was Damenverbindungen sind."

    Immer wieder haben sie mit Vorurteilen zu kämpfen. Tradition und Brauchtum sind zwar wichtig, ums Fechten und Trinken geht es bei ihnen aber nicht. Oft werden sie den männlichen Studentenverbindungen gleichgesetzt. Zu Unrecht, erzählt BWL-Studentin Lina Collet:

    "Also man hat natürlich schon Vorurteile, mit denen man zu kämpfen hat, aber wenn man uns einmal kennengelernt hat, ist es, sodass man uns immer schnell ins Herz geschlossen hat, aber natürlich gibt's da Unterschiede. Schon allein was schlagende Bünde betrifft, also wir sind natürlich nicht schlagend als Damenverbindung und in den Ablaufprozessen gibt's natürlich auch einige Unterschiede."

    Die Anfänge von Damenverbindungen gehen auf das Jahr 1900 zurück, seit Frauen an Hochschulen zugelassen sind. Über ihre Gründungsmotive ist allerdings wenig bekannt, sagt Harald Lönnecker. Der Historiker forscht im Bundesarchiv rund um das Thema Studentenverbindungen:

    "Es sind Bilder überliefert in diversen Universitätsarchiven, aber sie haben nie einen Verband gebildet. Es ist bekannt, dass sich zum Beispiel in Graz, Studentinnen zusammengeschlossen haben, da hat eine einfach die Idee gehabt, so etwas zu gründen, empfand das wahrscheinlich als notwendig, aber Einzelheiten sind in wenigsten Fällen bekannt geworden, zumal bei den ganz Alten."

    Im Zweiten Weltkrieg gingen alle Damenverbindungen unter. Erst in den 70er-Jahren wurden die Damen wieder aktiv und gründeten sich neu. In den letzten 20 Jahren wächst die Anzahl stetig an. Im Vergleich zu rund 1000 männlichen Verbindungen in Deutschland sind sie aber immer noch deutlich in der Minderheit. Politisch sind die Damenverbindungen neutral. Von rechtsradikalen Motiven, wie in einigen männlichen Verbindungen, haben zumindest die Helenen noch nie etwas gehört. Traditionen sind den Damen aber wichtig. Dazu gehört das Lebensbundprinzip, sprich die lebenslange Treue zur Verbindung, erzählt Sabrina:

    "Das Lebensbundprinzip ist wie eine Vereinsheirat, aber wie bei jeder Heirat gibt es bei uns auch die Scheidung, also keiner ist gezwungen, bei uns zu bleiben, wenn er aus irgendwelchen Gründen nicht mehr möchte."

    Häufig engagieren sich die Damenverbindungen, wie die Helenia-Monasteria, in der Unterstützung von sozialen Projekten:

    #"Das heißt Förderung des Studiums, Förderung von sozialen Einrichtungen, also wir sammeln jetzt zum Beispiel für eine Initiative für Bürgerkriegsflüchtlinge in Burundi, wir schicken da regelmäßig Klamotten hin. Natürlich kommt der Spaß nicht zu kurz, aber man hat auch ernste Momente."

    Trotzdem haben sie oft mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen. Zwar gibt es zu jedem Semester neue Interessierte, aber nicht jeder bleibt. Deswegen wünschen sich die Helenen zum Abschied untereinander gerne mal:

    "Vivat, crescat, floreat ad multos annos! Das bedeutet: Blühe wachse und gedeihe für viele Jahre lang."