Donnerstag, 18. April 2024

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Hohe Fluktuation bei Vorstandsposten
Von Chefsesseln und Schleudersitzen

Vorstandssessel wackeln schnell, die Fluktuation auf den Leitungsposten nimmt zu. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung der Beratungsfirma PWC, die sich die Chefsessel in Deutschland, Österreich und der Schweiz genauer angeschaut hat. Von dem Personalkarussell profitieren Frauen demnach immer noch verschwindend wenig.

Von Brigitte Scholtes | 19.04.2016
    Ein Sessel steht hinter einem Schreibtisch.
    Fast ein Drittel der Chefsessel, so die Studie, wird vor Vertragsende zum Schleudersitz. ( imago/Horst Rudel)
    "Dies ist ein sehr wichtiger Tag. Heute besprechen wir kritisch und konstruktiv, wo ihre Bank steht'."
    Hier trat Anshu Jain, damals noch Co-Chef der Deutschen Bank, zum letzten Mal öffentlich auf. Ende Juni nahm er seinen Hut. Er war nicht der einzige Vorstandschef, der im vergangenen Jahr vorzeitig seinen Posten räumen musste. Denn die waren in der Finanzbranche eher Schleudersitze: das ist ein Ergebnis einer Studie der Unternehmensberatung PWC Strategy. Danach lag die Fluktuation auf den Chefposten der 300 größten börsennotierten Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz im vergangenen Jahr bei knapp 17 Prozent statt bei gut einem Zehntel wie ein Jahr zuvor. Und fast ein Drittel von ihnen musste vor Ende ihrer Amtszeit gehen – häufig, weil der wirtschaftliche Erfolg ausblieb.
    Eine besonders hohe Wechselquote war in der Bank-, Finanz- und Versicherungswirtschaft zu beobachten, hat die Studie ergeben. Mehr als jeder Fünfte der untersuchten Vorstandsvorsitzenden aus diesem Sektor musste vorzeitig gehen. Ersetzt wurden sie zu einem Drittel mit externen Kandidaten. Häufig suchten die Aufsichtsräte auch zunächst intern, hat auch Joachim Kayser beobachtet. Er ist Partner der Unternehmensberatung hkp:
    "Wenn er klug ist, hat er intern schon mal bei der Besetzung des Vorstands darauf geachtet, dass er entsprechende Auswahl hat. Es kann aber Situationen geben, wo der Umbruch der Industrie so dramatisch ist, dass man jemanden von außen holen möchte oder die Unternehmenskultur deutlich verändert werden muss und man nicht glaubt, dass das mit den vorhandenen internen Kräften gemacht werden kann."
    So wie eben in der Deutschen Bank. Nachfolger Jains als Co-Chef wurde im Juli John Cryan. Und der ist mit dem Blick des Externen an die Arbeit gegangen, wie er kürzlich beschrieb:
    "Je genauer ich mir selbst die Bank anschaue, je intensiver ich mich mit dem operativen Geschäft und unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern befasse, desto mehr Potenzial, Einsatzbereitschaft und Willen zur Veränderung sehe ich."
    Immerhin: In die Aufsichtsräte werden häufiger Frauen berufen
    Weiter Mangelware sind weibliche Vorstandschefs. 2015 wurden nur 2,2 Prozent der neu vergebenen Posten an der Spitze mit Frauen besetzt – 2014 waren das immerhin noch gut zehn Prozent. Kein Wunder, meint Joachim Kayser von hkp:
    "Selbst in Vorständen ist die Quote viel zu gering. Und wenn schon bei den ordentlichen Vorstandsmitgliedern kaum welche vorhanden sind, wie soll dann sich ein CEO daraus rekrutieren?"
    In die Aufsichtsräte immerhin werden häufiger Frauen berufen. Das könnte ihnen Hoffnung machen. Einer der Gründe für die geringe Zahl an Frauen an der Spitze ist für Elke Holst Forschungsdirektorin für Gender Studies am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung:
    "Geld und Macht, kann man klar aufzeigen, dass die immer noch unverändert bei den Männern liegen und nicht bei den Frauen, und das bedeutet wiederum, dass auch die Männer die Regeln, die in der Branche herrschen, bestimmen."