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Hohe Mieten
Erasmusstudenten kritisieren Italien

Italien ist bei ausländischen Studenten sehr beliebt. Allerdings geht ein Semester ins Geld. Die italienische Erasmussektion bezeichnet die Mieten als "pure Ausbeutung". Das Bildungsministerium will etwas tun - muss aber erst mal sparen.

Von Thomas Migge | 28.07.2015
    Ein Blick auf Rom mit dem Kolosseum
    Ein Blick auf Rom mit dem Kolosseum (picture-alliance / dpa / Waltraud Grubitzsch)
    Eine Mama rollt einen Nudelteig aus und lacht dazu in die Kamera. Dann kommt ein dampfender Teller Nudeln auf den Tisch, mit knallroter Tomatensoße, dazu ein Glas Wein. Untermalt wird der Kurzfilm von süditalienischer Volksmusik.
    "Zehn Dinge, die wir an Italien lieben", so der Kurzfilmtitel. Darunter eben die Nudeln, der Wein, dann Pizza, Parmaschinken und so weiter. Ahleem Mardessi aus Kuwait, Kübra Tar aus der Türkei, Goncalo Costa aus Spanien und Meli Krüger aus Deutschland und viele andere haben "mi piace", "gefällt mir", angeklickt.
    Auf der Facebookseite "Erasmus Roma 2015-2016" wird viel über Bella Italia geschrieben, aber auch über Brutta Italia, über die schlechten Seiten des Landes. Vor allem, was das Wohnungsproblem betrifft:
    "Schlafe derzeit auf einer Luftmatraze bei einer Freundin, weil ich auch nach sechs Wochen noch keine Studentenbude gefunden habe", schreibt Ida Malevici aus Österreich auf Facebook. "Für 10 Quadratmeter wollen die hier in Rom 650 Euro!", klagt Frederic Collin aus Frankreich. Jo Blinden studiert Mathematik und ist Erasmusstudent an der Universität La Sapienza in Rom. Er kennt sich aus mit den schlechten Seiten und schreibt darüber immer wieder in Facebook:
    "Ich komme aus den Vereinigten Staaten und bin Austauschstudent und ich brauchte geschlagene drei Monate, um eine halbwegs akzeptable Unterkunft zu finden. Ich teile mir jetzt ein kleines Zimmer mit einem anderen Studenten und zahle dafür im Monat 400 Euro. In Mittelitalien, wo ich schon einmal in Macerata Austauschstudent war, hatte ich das gleiche Negativerlebnis"
    "Pure Ausbeutung"
    Die viel zu hohen Mieter werden nicht nur von Studenten kritisiert: Die italienische Erasmussektion bezeichnet sie als "pure Ausbeutung". Italiens Bildungsministerium versprach vor Kurzem, sich diese negative Kritik zu Herzen zu nehmen - bevor Italiens Image als Erasmusland leidet. Um eben jenes Image wieder aufzumöbeln, will man bald schon den Austauschstudenten behilflich sein: zum Beispiel bei der Suche nach einer preiswerten Unterkunft. Geplant ist, dass Erasmusstudenten weniger Miete zahlen müssen.
    Doch wann dieses und andere Versprechen des Bildungsministeriums in die Realität umgesetzt werden, ist unklar. Vorerst wurde eine neue Ausgabenkürzung vom Bildungsministerium verkündet. Trotzdem erscheint Italien vielen Erasmusstudenten immer noch als Traumziel. Zum Beispiel Brigitte Müller aus Wiesbaden, die Politikwissenschaften studiert und Austauschstudentin in Rom ist:
    "Dass ich nach Italien gegangen bin, war bei mir vorausbestimmt. Italien war immer mein Traumland."
    Auch politisch, denn Brigitte spezialistiert sich auf die Geschichte der Kommunistischen Partei Italiens. Schnell lernte aber auch Brigitte die schlechten Seiten Roms kennen. Neben den viel zu hohen Mieten ist immer wieder die Rede von der in Rom ständig überfüllten U-Bahn und den vielen Taschendieben. Problematisch, vor allem wenn man der Uni in Rom, ist es, freie Seminarplätze zu finden, ganz zu schweigen von den auch in akademischen Kreisen fast komplett fehlenden Englischsprachkenntnissen der Professoren und ihrer Assistenten.
    Vorwurf: Gefälschtes Speiseeis
    Und dann ist da die Geschichte mit dem "gefälschten" Speiseeis. Facebook-Schreiber beschweren sich immer wieder über Eisläden, die "gelato" verkaufen, das total künstlich schmeckt, weil es aus Fertigpackungen hergestellt und als "von Hand gemacht" verkauft wird. Ludi Macinek aus Polen, sie studiert Kunstgeschichte in Rom, fühlt sich einerseits wohl in Italien, doch andererseits:
    "Sicherlich ist das hier der beste Weg, um andere junge Leute kennenzulernen, aber hier in Italien ist man in vielen Dingen alles andere als gut organisiert."
    Ein tolle Zeit einerseits, gutes Essen und Trinken, nette Leute, aber erhebliche logistische Probleme im Alltag: das ist der Tenor der Urteile von Erasmusstudenten.