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Hohe Wahlbeteiligung in Mali ist "deutliches Signal"

Der frühere Regierungschef Ibrahim Boubacar Keita hat Prognosen zufolge bereits im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erreicht. Annette Lohmann, Leiterin des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bamako, sieht in dem deutlichen Ergebnis eine Voraussetzung für einen politischen Neuanfang.

Annette Lohmann im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 29.07.2013
    Dirk-Oliver Heckmann: Erst ein gutes Jahr ist er her, der Putsch, mit dem der damalige Präsident vom Militär entmachtet wurde in Mali. Den Coup nutzten radikale Islamisten, um den Norden des Landes unter ihre Kontrolle zu bringen. Französische und afrikanische Truppen sorgten mit einer Militäroperation dafür, dass sie wieder vertrieben wurden. Für gestern dann wurden Präsidentschaftswahlen angesetzt, und das Interesse der fast sieben Millionen Wahlberechtigten war riesig. Mali hat gewählt (MP3-Audio) Alexander Göbel hat den Urnengang begleitet.

    Heckmann: Alexander Göbel war das über die Präsidentschaftswahlen in Mali. Am Telefon ist jetzt Annette Lohmann, sie ist Leiterin des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in der malischen Hauptstadt Bamako. Frau Lohmann, ist Mali, jetzt wieder auf dem Weg zur Demokratie?

    Annette Lohmann: Es gibt auf jeden Fall sehr, sehr positive Hinweise. Die Wahl ist sehr friedlich verlaufen, die Menschen sind enthusiastisch. Die Wahlbeteiligung ist so hoch wie wahrscheinlich noch nie zuvor. In Bamako insbesondere, wo normalerweise nicht viele Menschen wählen gehen, wird von einer Wahlbeteiligung von teilweise bis zu 80 Prozent gesprochen, das ist einfach phänomenal.

    Heckmann: Die Wahlen sind friedlich verlaufen, die Wahlbeteiligung ist hoch. Würden Sie denn auch sagen, dass diese Wahlen demokratischen Standards genügt haben?

    Lohmann: Die Berichte, die bisher vorliegen von nationalen wie internationalen Wahlbeobachtern, sind sehr positiv. Natürlich gibt es Hinweise darauf, dass es zu einigen technischen Verzögerungen gekommen ist. Es gibt auch Hinweise, dass es hier und da zu Wahlbetrug gekommen ist. Das Ausmaß scheint aber relativ gering zu sein, und die ersten Berichte sind sehr positiv.

    Heckmann: Beobachter und Kritiker haben ja immer wieder gesagt, dass die Wahlen viel zu früh kämen, nur sechs Monate nach der Militäroperation durch Frankreich und die afrikanischen Truppen. Würden Sie da also sagen, dass diese Kritik überzogen gewesen ist?

    Lohmann: Ich würde sagen, dass die riskante politische Strategie Frankreichs, auf einer frühen Wahl zu bestehen, im Moment, scheint aufzugehen. Also die Kritik im Vorfeld war durchaus begründet, aber es scheint doch zu funktionieren.

    Heckmann: 27 Kandidaten waren im Feld, das haben wir gerade im Bericht noch mal gehört. Jetzt im August soll das Ergebnis dann irgendwann auch einlaufen. Womit rechnen Sie?

    Lohmann: Die ersten vorläufigen Ergebnisse werden für morgen erwartet. Am Freitag soll dann das endgültige Ergebnis verkündet werden. Im Moment deutet alles auf einen Sieg von Ibrahim Boubacar Keïta hin, der vor allem im Süden und in den Städten im Süden haushoch zu gewinnen scheint. Da gibt es erste Anzeichen für. Im Moment ist die Frage, ob überhaupt noch ein zweiter Wahlgang erforderlich sein wird, denn der Gewinner muss ja im ersten Wahlgang über 50 Prozent der Stimmen erhalten.

    Heckmann: Was würde ein solches Ergebnis für das Land Mali bedeuten?

    Lohmann: Das wäre ein deutliches Signal, die Menschen sind wählen gegangen, sie sind massiv wählen gegangen. Und sie haben sich dann, hätten sich dann deutlich für einen Kandidaten entschieden. Es ist aber, wie gesagt, noch zu früh, jetzt von einem vorläufigen Ergebnis oder Ähnlichem zu sprechen.

    Heckmann: In welche Richtung würde sich das Land denn dann entwickeln?

    Lohmann: Es wäre auf jeden Fall die Voraussetzung, dass die politische Stabilisierung oder gar der politische Neuanfang beginnen kann. Man muss natürlich hinzufügen, dass alle Kandidaten, die als Favoriten gelten, auch Ibrahim Boubacar Keïta, Teil des politischen Establishments sind, sie stehen also nicht für einen wirklichen personellen Neuanfang. Aber für eine Stabilisierung scheint damit die Voraussetzung gegeben zu sein.

    Heckmann: Und damit muss man sich erst einmal zufriedengeben, mit einem solchen Stand. Annette Lohmann, Frankreichs Präsident Hollande, der hatte ja das Militär in Gang gesetzt, um die Islamisten zu vertreiben. Muss man jetzt unterm Strich und rückblickend sagen, dass diese Entscheidung eine gute gewesen ist?

    Lohmann: Die Entscheidung im Januar, militärisch zu intervenieren, war auch damals schon zu Recht positiv bewertet worden, weil es einfach erforderlich war, dass man entschlossen eingegriffen hat. Die internationale Gemeinschaft, aber auch Mali, hatten viel zu lange gewartet, um das Problem im Norden anzugehen. Natürlich ist eine militärische Lösung nicht die alleinige Antwort, aber zu diesem Zeitpunkt war sie eine erforderliche Antwort.

    Heckmann: Glauben Sie denn, dass die Erfolge, die erzielt worden sind, wirklich auch nachhaltig sind?

    Lohmann: Das wird man sehen müssen. Es wird sich jetzt ein politischer Prozess anschließen, gerade auch zur Frage, wie es mit dem Norden weitergehen soll. Und da liegen auf jeden Fall noch sehr große Herausforderungen.

    Heckmann: Wie ist denn der Einfluss der Islamisten einzuschätzen? Wie verhalten die sich derzeit?

    Lohmann: Die Islamisten sind eigentlich im Moment nicht das überwiegende Problem. Sie hatten zum Beispiel für den Wahltag gestern Anschläge angekündigt. Das ist nicht passiert. Jetzt geht es vielmehr um die politische Bearbeitung der Frage des Umgangs der Region Kidal, der Hochburg der Tuareg im äußersten Nordosten Malis.

    Heckmann: Der eine oder andere sieht schon die Gefahr, dass Mali jetzt verstärkt wieder in die Abhängigkeit der Europäer, vor allem eben Frankreichs jetzt gerät. Sehen Sie diese Gefahr auch?

    Lohmann: Mali braucht jetzt auf jeden Fall internationale Unterstützung, diese internationale Unterstützung wurde auch bereits zugesagt, die wurde auch an die Wahlen, mit den Wahlen verbunden, das ist erforderlich, und es wird gar nicht anders gehen, als dass Mali jetzt diese große internationale Unterstützung erhält, um wieder politisch sich zu stabilisieren.

    Heckmann: Annette Lohmann war das, Leiterin des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Mali, zu den Präsidentschaftswahlen, die gestern dort abgehalten wurden. Frau Lohmann, danke Ihnen für dieses Interview!

    Lohmann: Bitte schön!


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