Freitag, 19. April 2024

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Holi in Indien
Das Fest der Farben

Die Holi-Festival-Saison hat begonnen. Überall in Deutschland versammeln sich junge Menschen, um zu feiern - inspiriert vom indischen Holi. Dieses Frühlings- und Farbenfest ist eines der ältesten Feste Indiens. An diesem Tag scheinen alle Schranken aufgehoben. Man besprengt und bestreut sich gegenseitig mit gefärbtem Wasser und Puder.

Von Jürgen Webermann | 04.04.2016
    Ein Teenager tanzt und lacht auf dem Holi Spring Festival of Colours in Uttar Pradesh, Mathura in Indien. Im Hintergrund sind viele andere Tänzer, die alle mit pinken Farbpulver bedeckt sind.
    Ausgelassenes Fest der Farben: Holi in Indien (imago/Westend61)
    Unser Streifzug beginnt an einem der vielen Tempel in der Altstadt von Delhi, an der Kreuzung Chandni Chowk und zu erreichen über enge Gassen, in denen sich Händler, Bettler, Kühe, Touristen, Rikschafahrer und einfache Passanten tummeln. Wenn uns einer erklären kann, was eigentlich hinter dem berühmten Farbenfest Holi steckt, dann Shiv Shankar, der Priester. Er trägt ein langes, orangenes Gewand, hat sich einen roten Punkt auf die Stirn gemalt und seine langen, dunkelgrauen Haare mit Kokosöl nach hinten gekämmt. Shiv Shankar fixiert uns mit einem strengen Blick.
    "Holi ist ein sehr, sehr altes Fest. In den alten Zeiten gab es einen Dämon, er hatte eine Schwester namens Holika und einen Sohn, ein Kind namens Prahlad. Prahlad glaubte, dass Gott in jedem von uns wohnt. Aber der Dämon bestand darauf, dass nur er der Gott sein könne. Also kämpften der Dämon und sein Sohn. Der Dämon warf das Kind von einem Berg herab. Es überlebte. Bei nächster Gelegenheit machte der Dämon ein Feuer und verfügte, dass Prahlad im Schoß von Holika sitzen solle. Das Kind überlebte das Feuer, aber Holika starb. Sie war auch eine Dämonin. Also feiern wir Holi als den Sieg der Wahrheit über die Lüge."
    Shiv Shankar
    Tempelpriester Shiv Shankar: "Streit und Hass beilegen" (Sandra Petersmann)
    Und das immer rund um den Vollmond im März. Shiv Shankar greift in einen kleinen Topf voller Farbe und bemalt seine Gäste, er schmiert die Farbe auf die Stirn, genau zwischen die Augen.
    "Wir haben zwei Augen, und mit der Farbe öffnen wir ein drittes Auge auf der Stirn. Die, die meditieren und dem Pfad der Wahrheit folgen, können dadurch die ganze Welt sehen."
    Draußen, auf den belebten Straßen, dreht sich dieser Tage alles um Holi. Der Süßigkeiten-Verkäufer hat so einen Zulauf und Stress, dass er nicht mal ein kurzes Interview geben kann. "Too busy", ruft er nur.
    Farbe findet sich überall.
    Farbe findet sich überall. (Sandra Petersmann)
    Nicht weit vom Süßwarenladen entfernt posieren Rohit und Golu, junge Kerle, fürs Foto. Sie sind von oben bis unten mit Farbe besudelt.
    "Wir haben uns auf der Straße mit Farben beworfen, mit etwas Gewalt, aber voller Liebe füreinander. Danach hatten wir ein paar Drinks."
    Alkohol gehört zu Holi wie der berühmte Bhang-Lassi, ein Hanfgetränk, das eine ähnliche Wirkung wie Marihuana entfalten soll. Rohit und Golu wollen zwei Tage durchfeiern. Nebenbei läuft auch noch die Cricket-WM, und Indien ist Favorit. Das passt. Andere Jugendliche feiern Holi auf hippen Musikfestivals rund um Neu-Delhi.
    Straßenszene in Delhi
    Straßenszene in Delhi (Sandra Petersmann)
    In einer der engen Seitengassen der Altstadt geht es etwas ruhiger zu. Sumran und Sumitra haben sich in rote, reich bestickte Gewänder gehüllt. Die beiden Frauen umrunden eine Art Scheiterhaufen aus heiligen Kuhfladen. Am Fuße des Scheiterhaufens brennen Teelichter.
    "Wir beten das Feuer an, indem wir es umrunden. Wir nennen das Parikrama. Wir beten für unsere Kinder, damit sie glücklich und in Frieden leben können."
    Eine solche Zeremonie heißt Puja. Dafür haben Sumran und Sumitra Gaben auf einem Silbertablett mitgebracht.
    "Es ist Weizen, brauner Zucker, eine Lampe und Bändchen, die wir um die Armgelenke binden werden."
    Das Feuer wird später am Abend angezündet. In der Enge Alt-Delhis kann es schnell passieren, dass eines der unzähligen, tief hängenden Stromkabel anschmort oder sogar einer der umliegenden Läden Feuer fängt. Weil aber auch Wasserpistolen und mit Wasser gefüllte Luftballons zum Holi-Spiel gehören, ist fürs schnelle Löschen gleich gesorgt.
    Geschäft mit der Farbe läuft blendend.
    Geschäft mit der Farbe läuft blendend. (Sandra Petersmann)
    Satinder Singh ist ein gefragter Mann. Am Gewürzmarkt hat er einen Farbenstand – Farbpulver, Wasserfarben in allen Variationen. Eine junge Frau kauft gerade bei ihm ein. Das Geschäft, sagt Singh, sei wie immer blendend.
    "Ich verkaufe hier drei, vier Tage lang. Dafür habe ich vom eigentlichen Job Urlaub genommen. Ich handle eigentlich mit Altmetall. Hier aber kann ich rund um Holi bis zu 2000 Rupien pro Tag verdienen."
    2000 Rupien sind etwas mehr als 25 Euro. Normalerweise verdient Satinder nur einen Bruchteil. Holi ist eben auch ein gutes Geschäft.
    Der Farbexperte Satinder meint, alles sei erlaubt – Hauptsache, man kann sich mit Farbe bewerfen. Aber Tempelpriester Shiv Shankar ist da ganz anderer Meinung. Er gibt sich Mühe, die Farbe so sanft wie möglich auf die Stirn seiner Gäste zu streichen. Denn an Holi, sagt er, gehe es darum, Streit und Hass beizulegen. Und deshalb müsse man sich eben mit größtmöglichem Respekt bemalen.