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Sexuelle Belästigung
Vorwürfe erreichen US-Politik

Unter dem Hashtag #MeToo ist ein Stein ins Rollen gekommen. Immer mehr Frauen klagen Kollegen, Arbeitgeber oder auch Prominente öffentlich wegen sexueller Belästigung an. Nun stehen auch US-Politiker am Pranger.

Von Thilo Kößler | 17.11.2017
    Der Demokratische Senator Al Franken spricht in Philadelphia am 25.07.2016
    Ist nun auch mit Vorwürfen konfrontiert - der prominente Senator der Demokraten Al Franken (picture alliance / dpa / Ron Sachs)
    Die Serie der öffentlichen Vorwürfe wegen sexueller Belästigungen reißt nicht ab - jetzt haben sie die Hauptstadt Washington DC erreicht und richten sich gegen einen prominenten demokratischen Senator. Al Franken, der als Radiomoderator und Comedy-Star bekannt wurde, ist jetzt von einer kalifornischen Radio-Kollegin beschuldigt worden, sie vor seiner Zeit als Senator auf einer Tournee 2006 gegen ihren Willen geküsst und bedrängt zu haben. Sie habe sich gegen seine massiven Annäherungsversuche gewehrt, doch er habe seine Lippen auf ihre gedrückt und ihr einen Zungenkuss gegeben.
    Ausschlussverfahren im Senat möglich
    Leeann Tweeden postete zudem ein Bild, auf dem Al Franken ihr an die Brüste fasst, während sie schläft. Franken räumte sein Fehlverhalten in einer Erklärung umgehend ein und entschuldigte sich bei Tweeden. Er schäme sich für sein Verhalten, ließ er wissen. Mit Blick auf das besagte Foto erklärte Franken, er wisse nicht, was ihm dabei durch den Kopf gegangen sei - es sei aber überhaupt nicht witzig gewesen und er könne verstehen, dass Leeann Tweeden sich verletzt gefühlt habe.
    Für Al Franken kann sein Fehlverhalten durchaus politische Konsequenzen haben - führende Demokraten räumten ein, dass es zu einem Ausschlussverfahren im Senat führen könne. Der Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell kündigte umgehend eine Untersuchung im Ethikausschuss des Senats an.
    Trump stellt sich hinter Moore
    Die Vorwürfe treffen den prominenten Senator der Demokraten zu einem Zeitpunkt, da sich das öffentliche Interesse auf den republikanischen Bewerber um einen Senatorenplatz in Alabama konzentriert. Roy Moore wird von etlichen - damals minderjährigen Frauen - beschuldigt, sie vor 40 Jahren bedrängt und gegen ihren Willen zum Sex gedrängt zu haben. Doch erneut schreckte Präsident Trump davor zurück, Moore fallenzulassen - er nehme die Vorwürfe der Frauen zwar ernst, teilte Regierungssprecherin Sarah Sanders mit, die Wähler sollten aber am Wahltag das letzte Wort über Moore haben.
    Zuletzt war die republikanische Partei zunehmend auf Distanz zu Roy Moore gegangen - die Parteiführung stellte ihre Wahlkampfzahlungen ein und Fraktionschef Mitch McConnell forderte Moore auf, seine Kandidatur zurückzuziehen. Doch Moore weigert sich beharrlich - bei einer Veranstaltung erklärte er sich in Birmingham, Alabama, zum Opfer einer Intrige von Mitch McConnell und seinen Komplizen, wie er sagte.
    Steven Bannon hinter den Kulissen
    Um die These eines parteiinternen Komplotts gegen ihn zu unterstreichen, forderte Moore seinerseits den Rücktritt Mitch McConnells. Hinter den Auseinandersetzungen um Moore steckt ein erbitterter Machtkampf, der innerhalb der republikanischen Partei ausgetragen wird. Moore, Vertreter der religiösen Rechten und Republikaner vom äußersten konservativen Rand, war in innerparteilichen Vorwahlen von Stephen Bannon gegen den Amtsinhaber in Stellung gebracht worden. Bannon leitet seit seinem Ausscheiden als Chefstratege Trumps im Weißen Haus wieder das rechtsextreme Internetportal Breitbart und kündigte an, die republikanische Partei mit entsprechenden Kandidaten auf einen scharf nationalistischen Kurs bringen zu wollen.
    Immer neue Anschuldigungen
    Seitdem mehrere Starmoderatoren wegen sexueller Verfehlungen gefeuert wurden und der Hollywood-Produzent Harvey Weinstein gewissermaßen als Seriengrapscher überführt wurde, wird das Land von immer neuen Anschuldigungen in Sachen sexueller Belästigung in Atem gehalten. Immer mehr Frauen, hin und wieder auch Männer, erheben öffentlich Anklage gegen Kollegen und Arbeitgeber, gegen Politiker, Fernsehstars oder prominente Schauspieler wie Kevin Spacey.
    Sie werden dabei von der Bewegung Hashtag #Metoo unterstützt - sie zielt auf eine breite gesellschaftliche Debatte über das Selbstverständnis von Männern und ihr sexuelles Dominanzgebaren ab.