George Martin

Die unbekannte Seite des Beatles-Produzenten

George Martin (2.v.r.) zusammen mit den Beatles bei der Übergabe einer Silbernen Schallplatte (für eine viertel Million verkaufte Alben) in London im Jahre 1963.
George Martin (2.v.r.) zusammen mit den Beatles bei der Übergabe einer Silbernen Schallplatte (für eine viertel Million verkaufte Alben) in London im Jahre 1963. © imago / ZUMA / Keystone
Von Marcel Anders · 01.12.2017
Sir George Martin galt als der fünfte Beatle. Das Produzenten-Genie verhalf den Fab Four zu ihrem Sound. Zwei Jahre nach seinem Tod lernen wir den Engländer als Komponist kennen, dessen Musik jetzt auf dem Album "The Film Scores And Original Orchestral Music Of George Martin" erscheint.
"In der Kiste, die mir sein Sohn übergab, fanden sich Arrangements für eine Live-Aufführung von 'Accross The Universe'. Nicht verwendete Songs für den 'Live And Let Die'-Film und weitere Kompositionen, die nie umgesetzt wurden. Meine erster Gedanke war: Das gehört auf ein Album, das den Leuten zeigt, was für ein Musiker George Martin war – und welches Wissen und welche Fähigkeiten er in seine Aufnahmen hat einfließen lassen."
Craig Leon macht kein Geheimnis aus seiner Bewunderung. Für den gebürtigen Amerikaner, der selbst Alben mit Blondie und den Ramones aufgenommen hat, ist George Martin die Produzenten-Ikone schlechthin. Ein musikalischer Katalysator, der seine Klienten mit allem versorgt hat, was sie selbst nicht hinbekamen. So hat Craig Leon seinen berühmten Kollegen Anfang der 80er in den Londoner Air Studios kennengelernt und ein freundschaftliches Verhältnis aufgebaut.
"Ich würde seinen Stil als Genre übergreifend bezeichnen. Er hat mit musique concrete gearbeitet, mit englischem Folk, aber auch Jazz und Filmmusiken. Er hat Versatzstücke genommen und in sein eigenes Werk eingebaut. Für 'Baron Samedi' hat er sogar richtige Voodoo-Trommeln verwendet. Das bedeutet: Er hat ein akkurates Klangbild gemalt, denn der Film, für den das bestimmt war – für 'Live And Let Die' – spielt in der Karibik. Insofern hat er gemacht, was der Job von ihm verlangte. Das zeichnet einen professionellen Musiker aus."
George Martin (m) zusammen mit den Beatles im Studio in Hollywood, Californien, für Aufnahmen am Album "Sgt Pepper s Lonely Hearts Club Band" im Jahr 1967.
George Martin (m) zusammen mit den Beatles im Studio für Aufnahmen am Album "Sgt Pepper s Lonely Hearts Club Band" im Jahr 1967.© imago / ZUMA Press

Geist der 60er-Jahre

Jetzt erweckt Craig Leon die unbekannte Musik von George Martin zum Leben. Er hat Hunderte von Manuskripten gesichtet, die besten ausgewählt und eine Balance zwischen Klassik und Pop geschaffen. Das Ergebnis sind 29 Stücke, die so verspielt, so lebendig und vielseitig anmuten, dass sie den Geist der 1960er-Jahre einfangen. Aber auch die Frage aufwerfen, warum Martin sie nicht zu Lebzeiten eingespielt hat. Darüber kann Leon nur spekulieren:
"Er war ein bescheidener Mann. Gerade was seine Arbeit betrifft. Ich glaube nicht, dass er je ein Album machen wollte. Es sei denn, ein Label hätte danach gefragt. Und ich maße mir kein Urteil über die Qualität seiner Musik an. Nur: Wenn er sich mit einem Komponisten vergleichen ließe, dann mit Bach, der ebenfalls alles getan hat, wofür man ihn bezahlt hat."

Album wurde in Berlin produziert

Die Tradition des Bescheidenen setzt Craig Leon fort. "The Film Scores And Original Orchestral Music Of George Martin" erscheint auf seinem eigenen, kleinen Label, ohne Marketing und ohne Beatles-Brimborium. Auch auf die Dienste der Abbey Road Studios, mit denen Martin eng verbunden war, verzichtet er bewusst und hat stattdessen in den Emil Berlin Studios an der Spree aufgenommen.
"Wir wollten einen anderen Blickwinkel, um Georges Musik aus dem Beatles-Kontext zu lösen. Und das Berlin Music Ensemble umfasst sehr gute Musiker. Nämlich eine Kombination aus den Philharmonikern, der Staatskapelle und dem Opern-Orchester. Sie nehmen viele Film-Sachen auf, statt immer nur Brahms und Mahler. Sprich: Sie kennen sich mit dieser Art von Musik aus - und verbinden Technik und Energie."
Ganze drei Tage hat Craig Leon für die Aufnahmen benötigt. Und ist mit dem Ergebnis so zufrieden, dass weitere Einspielungen folgen könnten. Schließlich ist die Kiste mit Martins Manuskripten längst nicht erschlossen und birgt auch noch avantgardistische und experimentelle Kompositionen. Momentan bemüht sich Leon aber erst einmal um eine Live-Präsentation der aktuellen Aufnahmen.
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