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Hollywood und der Fall Weinstein
Der Widerstand wächst

Sexismus und Missbrauch galt in Hollywood lange als "Teil des Geschäfts". Noch immer werden regelmäßig neue Vorwürfe gegen Männer aus der Unterhaltungs-Branche bekannt. Doch die Frauen in Hollywood wollen dem Macho-Gehabe der Studiobosse Paroli bieten - mit mehr Geschlechtergerechtigkeit.

Von Nicole Markwald | 10.12.2017
    Der britische Schauspieler David Oyelowo, die US-Regisseurin Ava DuVernay und der US Schauspiler Colman Domingo auf der Berlinale bei der Aufführung von "Selma"; Foto vom 10. Februar 2015
    Als Regisseurin Ava DuVernay (Mitte, auf der Berlinale) mit der Serie Queen Sugar anfing, entschied sie von vornherein, nur mit Regisseurinnen zu arbeiten (AFP / Tobias Schwarz)
    Mittwochmorgen vergangener Woche in Los Angeles: schon morgens um neun ist der rote Teppich ausgerollt: das jährliche "Women in Entertainment"-Frühstück steht an. Ausgerichtet wird das Ereignis vom Branchenblatt "The Hollywood Reporter". Das dominierende Thema an diesem Morgen: die Enthüllungen über Harvey Weinstein und die Folgen. Die Schauspielerin Kate Walsh, bekannt aus den Serien "Greys Anatomy" und "Private Practise", glaubt:
    "Jedes Gespräch darüber ist ein gutes Gespräch. Es ist wie eine Art Bürgerrechtsbewegung. Ich freue mich, dass Betroffene endlich angehört werden, es ist ein sich ständig weiter entwickelnder Prozess."
    Die Statistiken für Frauen in Hollywood sind verheerend
    Kirsten Schaffer ist Geschäftsführerin bei "Women in Film". Seit dem 1. Dezember bietet der Verband eine Hotline an. Mutmaßliche Opfer sexueller Belästigung in der Entertainment-Branche können sich hier beraten lassen und erhalten kostenlosen Rechtsbeistand. Um langfristige Veränderungen herbeizuführen, reicht natürlich eine Hotline in Hollywood nicht, gibt Schaffer zu.
    "Wir glauben, wirkliche Veränderungen wird es erst geben, wenn mehr Frauen wichtige Posten besetzen. Wenn mehr Frauen leitende Funktionen und Entscheiderposten innehaben, wird es weniger sexuelle Belästigung geben."
    Die Statistiken für Frauen in Hollywood, sagt auch Journalistin Kim Masters, sind verheerend: vor der Kamera, hinter der Kamera oder in den Büros der Studios.
    Der Verband "Women in Film" hat entmutigende Zahlen auf seiner Homepage parat: bei den Filmen, die 2015 das meiste Geld verdient haben, saß bei gerade mal 7,5 Prozent eine Frau im Regiestuhl, 22 Prozent der Filme wurden von Frauen produziert und nicht mal 12 Prozent der Autoren waren weiblich. Es müsse nun aber nicht Jahre dauern, diese Zahlen zu verbessern, sagt Kirsten Schaffer. Ihr Beispiel: die Fernsehserie "Queen Sugar" der Oscar-nominierten Regisseurin Ava DuVernay:
    "Als Ava DuVernay mit 'Queen Sugar' angefangen hat, entschied sie von vornherein, nur mit Regisseurinnen zu arbeiten. Die zu finden, hat vielleicht etwas mehr Arbeit gemacht, aber sie hat fantastische Frauen gefunden, die Serie ist exzellent - es ist nicht so schwer."
    Bis 2020 soll bei ICM jeder zweite Chef eine Frau sein
    Bereits Anfang des Jahres stellte der Verband "Women in Film" eine gemeinsame Initiative mit dem Sundance Institute vor, genannt ReFrame. Darin verpflichteten sich 50 Vertreter aus dem Filmgeschäft, darunter Studiochefs, Mitarbeiter von Agenturen, Vertreter der Gewerkschaften, sich für größere Geschlechtergleichheit in der Industrie einzusetzen.
    Die Künstler-Agentur ICM steckt sich nun selbst ein Ziel: bis 2020 will ICM seine leitenden Funktionen zur Hälfte mit Frauen besetzen. Der Anstoß zu dieser selbst gesetzten Deadline kam übrigens von Serien-Macherin Shonda Rhimes, selbst Klientin der Agentur. Als sie beim "Women in Entertainment"-Frühstück gefragt wurde, auf welche Geschichte sie im neuen Jahr hofft, antwortete Rhimes: die beste Geschichte wäre, wenn 2018 Frauen in aller Welt mehr Macht bekommen würden.