Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


Hommage an David Lynch

David Lynch hat mit "Wild at Heart" Filmgeschichte geschrieben. Der deutsche Filmregisseur Oskar Roehler hat sich nun mit "Lulu und Jimmi" an ein Remake gewagt. Doch unter Roehler ist aus Lynchs grotesker Liebesgeschichte mit überzeichneten Bildern eine harmlose Satire mit Klamauk statt Tragik geworden.

Von Josef Schnelle | 22.01.2009
    Kann man einen berühmten Film einfach so in wesentlichen Teilen nachbuchstabieren, dadurch dem verehrten Schöpfer seine Referenz erweisen und trotzdem etwas Eigenes zu Stande bringen? Diese allgemeine Frage wird wohl offen bleiben. Der deutsche Regisseur Oskar Roehler hat es versucht und ist gescheitert – immerhin an David Lynch, der mit seinem Film "Wild at Heart" 1990 die Filmgeschichte revolutioniert hatte und dafür mit der Goldenen Palme von Cannes ausgezeichnet wurde. Die groteske Liebesgeschichte mit überzeichneten Bildern, Gewaltorgien und Kitschattacken hieß eigentlich ursprünglich "Sailor and Lula" und gehört zu den zugänglichsten Werken des filmischen Rätselkönigs David Lynch, der als seine stilistischen Vorbilder in der Malerei den Leidensmann Francis Bacon und den Melancholiker Edward Hopper angibt.

    Der deutsche Filmregisseur Oskar Roehler bewundert die eisige Konsequenz des Regiestars aus Pennsylvania, der seine Filme wie "Inland Empire" zuletzt nur noch in Frankreich finanzieren und realisieren konnte. Roehler ist selbst mit konsequenten filmischen Provokationen bekannt geworden. Er drehte 2000 "Die Unberührbare" ein hochemotionales und schonungsloses Filmporträt seiner Mutter Gisela Elsner mit der namensgleichen aber nicht verwandten Schauspielerin Hannelore Elsner umjubelt in der Titelrolle und traute sich an Michel Houellebecqs Erfolgsroman "Elementarteilchen" heran. Eine lange Vorrede. Aber sie ist notwenig, um zu verstehen, was Roehler eigentlich vorhatte als er seinen Film "Lulu und Jimmi" in Angriff nahm.

    Lulu: "Hast Du gehofft, dass ich komme?"
    Jimmi: "Na und wie!"
    Lulu: "Und wenn ich nicht gekommen wäre?"
    Jimmi: "Dann hätt ich nach Dir gesucht."
    Lulu: "Das sagst Du bestimmt zu jeder?"
    Jimmi: "Aber nein, kannst alle fragen."

    Bis in Details der Handlung ist "Lulu und Jimmi" ein Remake von "Wild at Heart" nur eben mit den Mitteln der deutschen Filmförderung, weswegen das Schrille nicht ganz so schrill und das Provokative nicht ganz so provokativ geworden ist. Weder vermögen die Hauptdarsteller Jennifer Decker und Ray Ferron diese mit großem Stilwillen aufgemotzte schrille Satire aufs ganz große Liebesmelodram einzulösen, noch die wichtigen Bösewichte, die in der deutschen Variante des Klassikers von Katrin Sass mit angemaltem Pudel und Udo Kier mit bösem Blick verkörpert werden.

    Kier: "Gib mir ein paar Tage. Dann servier ich dir den Neger auf einem Silbertablett aber ohne seine verdammten Eier."

    Die besten Chargendarsteller des deutschen Kinos geben sich zwar redlich Mühe, können aber Willem Defoe und überhaupt dem bitterbösen Geist der Provokation in Lynchs Film aber kaum Paroli bieten. Die Scherze sind uralt und unterm Petticoat wird harmlos gejodelt, während es bei Lynch noch um alles ging – um die ganz große Entzauberung des Mythos von der romantischen Liebe zum Beispiel und um die tödliche Konsequenz aller Leidenschaft.

    "Irgendwann wird Deine Trotzphase schon vorbei sein und dann wirst du die wunderbarste Frau in ganz Schweinfurt sein."
    Roehler scheint Lynch nur zu verehren, statt ihn wirklich begriffen zu haben, diesen kuriosen Arno Schmidt der Filmkunst, der mit seinen neusten Filmen ganze Dechiffriersyndikate beschäftigt. Mehr Klamauk als wahre Tragik beherrscht hingegen Roehlers Film, der mit Bonbonfarben und romantischen Songs eher den Niederungen der Bewunderung für die konsequente Kitsch- und Märchenfilm Ästhetik der 50er-Jahre erliegt, als dem deutschen Filmschaffen etwas Profundes hinzuzufügen. Oscar Roehler mag im fernen amerikanischen Sundance, wo sein Film Premiere hat, heute Abend bejubelt werden. Für sein Kino der Provokation ist dieser Film ein großer rosafarbener Rückschritt.

    Jimi: "Ich würd nicht fragen, wenn’s nicht so wichtig für mich wäre. Aber heute Abend sind wir den ersten Abend in Freiheit zusammen und würd gern was für mein Mädchen singen. Spielen Sie 'Stand By Me' für mich."