Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Hommage an Jane Austen

P.D. James hat sich mit ihrem aktuellen Buch einen Traum erfüllt: Sie hat Jane Austens "Stolz und Vorurteil" weitergeschrieben. Dabei gelingt es der 92-jährigen Autorin, fließend an Austens Werk anzuschließen und eine Krimihandlung inklusive Liebesgeschichte klug zu inszenieren.

Von Melissa Beyel | 16.05.2013
    "Ich hatte es im Hinterkopf und ich war mir sicher, dass es interessant und auch lustig wäre, ein Buch zu schreiben, dass meine frühen literarischen Einflüsse und Begeisterungen, nämlich Kriminalgeschichten zu schreiben und Jane Austen zu lesen, miteinander verbindet."

    Wir schreiben das Jahr 1803. Sechs Jahre lässt P.D. James in ihrer Jane-Austen-Fortschreibung "Der Tod kommt nach Pemberley" vergehen, seit Elizabeth Bennet und Mr. Darcy sich nach einigen Schwierigkeiten endlich das Ja-Wort gegeben haben. Das Leben auf dem Herrensitz Pemberley nimmt seinen friedvollen Gang. Bis zu dem verhängnisvollen Abend vor dem Herbstball, an dem plötzlich völlig aufgelöst Lydia Wickham, die ungeliebte jüngste Schwester Elizabeths’ behauptet, ihr Mann sei auf dem Weg nach Pemberley ermordet worden. Darcy macht sich mit seinem Cousin sofort in den dunklen Wald auf, um der Wahrheit dieser schockierenden Nachricht auf den Grund zu gehen. Doch die beiden Herren finden nicht Wickham tot auf, im Gegenteil: Er kniet blutverschmiert, aber lebend neben einer Leiche, die eindeutig Opfer von Gewalteinwirkung wurde. Was dann beginnt, ist das Ende der harmonischen Idylle auf Pemberley: Fieberhaft suchen die Kommissare nach dem Mörder und rollen dabei die Vergangenheit der Familie wieder auf.

    P.D. James erfüllt sich mit ihrer Fortsetzung von "Stolz und Vorurteil" einen langgehegten Traum. Jane Austen ist für sie schon seit Kindertagen eine ständige Begleiterin, ihr großes Idol. Die Geschichte der Familie Darcy in der bürgerlichen Gesellschaft des englischen 19. Jahrhunderts fortzuschreiben, war für die Queen of Crime auch aus ganz persönlichen Gründen eine besondere Herausforderung:

    "Es gibt in 'Stolz und Vorurteil' einige Probleme in der Handlung, die ich in meinem Buch angehen wollte. Darüber hinaus gibt es etwas, dass jeder, der dieses Buch wirklich liebt, wissen möchte. Es ist einfach eine natürliche Neugierde: Wie kommen sie miteinander zurecht? Wie geht es Elizabeth auf Pemberley? Wird Darcy durch ihren Einfluss ein bisschen weniger ernst, ein bisschen weniger stolz?"

    Alle liebgewonnenen Figuren aus Austens Roman tauchen auch in "Der Tod kommt nach Pemberley" wieder auf. Liebevoll inszeniert P.D. James sie einige Jahre später und spinnt vorsichtig die Fäden ihrer Leben weiter. Dabei stehen Elizabeth und Darcy im Zentrum der Geschichte. Gesegnet mit zwei prächtigen Söhnen führen sie endlich das harmonische Leben, das man sich für sie nach den Wirren ihres Zusammenkommens gewünscht hat. Auf Pemberley ist die Welt in Ordnung, man lebt vollkommen im Einklang mit sich selbst und seiner Umwelt. Doch Elizabeth spürt, dass es noch eine Welt außerhalb der Mauern des Hauses gibt, die alles verändern kann:

    "Wir haben diesen Kontrast zwischen Pemberley und der wilden Welt draußen, die Jane Austen niemals mit in den Roman genommen hätte, sie hat einfach nicht so gedacht. Ich ließ Elizabeth eine Dinnerparty geben, mit viel Musik und Gästen, wie Jane und der junge Anwalt Alveston und dem Cornell. Selbstverständlich gibt es in Pemberley auch immer Musik nach dem Essen. Elizabeth hört dieser Musik zu und denkt: "Hier sitzen wir also. Im zivilisiertesten Land Europas, umgeben von seiner Kunst und seiner Literatur und den wundervollen Möbeln, und doch gibt es auch draußen eine Welt. Es ist eine brutale und animalische Welt. Wie lange werden wir in der Lage sein, sie von uns fernzuhalten? Jane Austen hätte niemals so gedacht. Sie akzeptierte die Welt, in der sie geboren war, aber Elizabeth weiß, dass es auch noch eine andere Welt jenseits von Pemberley gibt. Natürlich gibt es diesen Kontrast im Buch."

    Natürlich hätte Jane Austen die Liebesgeschichte der beiden vermutlich nicht mit einem Mord in Verbindung bringen wollen. Doch P.D. James verbindet das, was sie am besten kann, nämlich raffiniert ausgeklügelte und hochspannende Kriminalgeschichten, mit eben dieser Liebesgeschichte. Den mysteriösen Mordfall in den Wäldern Pemberleys inszenierte James, um dem Roman seinen eigentlichen Sinn zu geben: Durch die Verwicklung der Figur des Wickhams in den Mordfall, der Darcys Erzfeind und Elizabeths‘ ehemalige Schwärmerei war, setzen sich die Figuren noch einmal mit ihrer Vergangenheit auseinander. Der Leser findet in "Der Tod kommt nach Pemberley" alle Details und Fragen aufgedeckt, die "Stolz und Vorurteil" offen lässt und die während der Aufklärung des Mordes wieder wichtig werden:

    "Man wundert sich, warum Darcy seine 15-jährige Schwester aus der Schule genommen hat, sie war so traurig über den Tod ihrer Mutter, wir wissen, dass sie nervös war, da sie nicht wusste, wo sie hingehörte, beauftragte er Mrs. Young. Man fragt sich: Hat er sie nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen? War er nicht an ihren Referenzen interessiert? Und wir fragen uns, wie hat er sie denn überhaupt kennengelernt? Ein anderes Problem der Handlung ist, dass es sehr schwierig nachzuvollziehen ist, warum Darcy Elizabeth diesen eigenartigen Antrag machte."

    Meisterhaft gelingt es P.D. James, fließend an "Stolz und Vorurteil" anzuschließen. Durch die detailgetreue, historische Ausgestaltung ihrer Schauplätze und Figuren fühlt sich der Leser zurückversetzt in das bürgerliche 19. Jahrhundert der Jane Austen, in der Etikette und Geld nahezu die wichtigsten Dinge waren, die eine Frau auszeichneten. Fast nichts lässt den Leser vermuten, dass es sich bei beiden Büchern um verschiedene Autorinnen handelt:

    "Ich dachte, es ist besonders wichtig, mich in ihre Art zu schreiben hereinzuversetzen. Ich denke, es ist ein bisschen gemein zu sagen, ich hätte sie kopiert, das war es nicht. Ich versuchte, in ihrem Stil zu schreiben. Das war natürlich sehr einfach für mich, ich lese sie seit meiner Kindheit und lese jedes Jahr aufs Neue alle ihre Bücher. Sie sind wirklich fest in meinem Kopf."

    "Der Tod kommt nach Pemberley” beantwortet jedoch nicht nur offengeblieben Fragen. Vielmehr lässt der Mord die Figuren in einer neuen Ganzheit erscheinen. In Austens Roman angedeutete Charakterzüge führt P.D. James zu einem einheitlichen Figurenbild zusammen. Die Figur des Darcy lag P.D. James dabei besonders am Herzen:

    "Ich denke, das Interesse hat sich in meinem Buch ein wenig Richtung Darcy gewandt. Denn trotz allem spielt das Buch auf Pemberely, die beiden sind verheiratet und er ist der Gutsherr. Das Personal, all die Dörfer und Häuser, die auf seinen Besitztümern stehen, alle Menschen, die dort wohnen, sind von seiner Großzügigkeit abhängig. Man kann sehen, wie diese Darcy Gerechtigkeit, Schönheit und Sicherheit seines Landes und dessen Bewohner sorgt."

    Spannend und sogar ein wenig humorvoll erzählt die 92-jährige P.D. James die Geschichte dieser faszinierenden Welt, die uns heute so fremd ist. Obwohl sie ein wenig rohe Gewalt in die friedvolle Welt der englischen Grafschaft gebracht hat, ist sich P.D. James sicher, dass Jane Austen mit ihrer Fortsetzung zufrieden wäre. Schließlich findet auch das historische Bild der Frau in ihrer Fortsetzung des Klassikers eine angemessene Rolle:

    "Diese Welt unterscheidet sich so sehr von unserer. Besonders, was die Rolle der Frau betrifft. Man weiß es aus Jane Austens Leben, aber auch in 'Stolz und Vorurteil' ist es besonders offensichtlich: Wenn man in dieser Gesellschaft nicht verheiratet war, war man verdammt, arm zu sein. Man hatte keinen einzigen Penny, außer den, den der Vater der Tochter gab. Ich habe getan, was sie uns mitgeteilt hat. Nicht durch sie selbst, sondern durch die Worte Mrs. Gardiniers. Sie sagte, dass das die Partie erfolgreich war, weil Eilzabeths Lebendigkeit und Humor Darcy besänftigen würden. Und dass sie eine Menge von ihm lernen könnte. Ich denke, das ist, was Jane Austen uns sagen wollte: Jeder hat etwas, dass dem anderen fehlt und ihn ergänzt. Für sie machte das eine gute Ehe aus."

    So gelingt der Queen of Crime mit stolzen 92 Jahren noch einmal ein geistreicher, spannender Roman. "Der Tod kommt nach Pemberley" ist eine großartige Hommage an Jane Austen und entführt den Leser in die faszinierende Welt der Elizabeth Darcy. Eine klug inszenierte Krimihandlung trifft auf eine große Liebesgeschichte. Diese hochspannende Mischung ist Garant für 384 Seiten ausgezeichnete Unterhaltung und lässt nur hoffen, dass P.D. James den Stift noch lange nicht niederlegt.

    "Ich war gerade 90 geworden und dachte: Habe ich noch genügend Energie für ein neues Buch? Und werde ich lange genug hier sein, um es fertigzustellen? Vielleicht ist genau jetzt die Zeit, etwas ganz anderes zu machen, etwas Kürzeres, das Pemberely-Buch zu machen und einfach mal zu sehen, wie es so läuft. Und es hat solchen Spaß gemacht, es zu schreiben. Es hat unglaublich Spaß gemacht, es zu schreiben."