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Homosexualität im Unterricht
"Ein Bildungsplan muss weltanschaulich neutral sein"

Baden-Württembergs Landesregierung will, dass Homosexualität offiziell im Unterricht thematisiert wird. Diesen Plan betrachtet Oppositionsführer Peter Hauk (CDU) jedoch kritisch. "Ich kann doch nicht ständig Minderheiten in den Fokus der Politik setzen", sagt er im DLF.

Peter Hauk im Gespräch mit Martin Zagatta | 11.01.2014
    Martin Zagatta: Dass die rot-grüne Landesregierung in Baden-Württemberg das Thema Homosexualität als Unterrichtsgegenstand vorschreiben will ab dem nächsten Jahr, damit sind offenbar viele Lehrer und Eltern in Baden-Württemberg gar nicht einverstanden. Jedenfalls haben schon rund 80.000 Menschen eine Petition unterschrieben, die dieses Vorhaben noch stoppen soll. Auch die Kirchen wehren sich gegen diese Pläne, die auch der Opposition zu weit gehen – jedenfalls der CDU. Ihr Fraktionsvorsitzender, Peter Hauk, der Oppositionsführer im Stuttgarter Landtag, ist jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr Hauk!
    Peter Hauk: Guten Morgen, Herr Zagatta!
    Zagatta: Herr Hauk, was spricht denn eigentlich dagegen, Homosexualität im Schulunterricht zum Thema zu machen und damit Vorurteile abzubauen?
    Hauk: Da spricht überhaupt gar nichts dagegen. Es ist auch heute schon Thema. Der heutige Bildungsplan sieht schon vor, dass die Kinder im Geiste auch tolerant erzogen werden sollen. Was uns daran stört, ist ja, dass allerdings jetzt die Landesregierung plant, ausschließlich die Themen der sexuellen Vielfalt in den Mittelpunkt zu rücken. Ich glaube, bevor über sexuelle Vielfalt gesprochen werden darf und gesprochen werden muss, muss man zunächst mal klarmachen: Was ist denn überhaupt, welche Werte stehen denn letztendlich dahinter? Und ein Bildungsplan muss weltanschaulich neutral sein. Die Landesverfassung gibt in Baden-Württemberg klar vor, dass Menschen, Kinder, nach einem christlich-abendländischen Menschenbild erzogen werden müssen, das ist auch für die Landesregierung nicht beliebig. Und deshalb ist klar, dass zunächst schon mal Beziehungen, Partnerschaften, Verantwortung im Mittelpunkt stehen müssen.
    Zagatta: Ja, Herr Hauk, wenn ich da mal kurz dazwischengehen darf, diese Erziehung, diese christlich-abendländische, die hat ja offenbar nicht verhindert, dass es große Vorurteile gegen Homosexuelle noch gibt, dass die ausgegrenzt werden, dass die unter ganz schwierigen Bedingungen aufwachsen, wie wir ja in dieser Diskussion jetzt erleben. Ist es da nicht ganz sinnvoll, dass sich die Regierung was überlegt, wie man dem entgegenwirken kann, auch schon im Jugendalter?
    Hauk: Ach, das ist doch kein Problem der schulischen Erziehung, sondern das ist doch wenn dann ein allgemeines gesellschaftliches Problem, und ich habe aber den Eindruck, es wird auch immer besser. Das Thema Toleranz ist doch heute von den Lehrern heute schon in großer Verantwortung wahrgenommen. Die, die im Augenblick nicht tolerant sind, ist doch die Landesregierung, die denjenigen, die diesen Leitlinien nicht folgen mögen, Intoleranz vorwerfen und Homophobie vorwerfen. Das ist doch kein Umgang miteinander.
    Zagatta: Aber das kommt ja auch durch diese Petition, die bei Ihnen da im Ländle im Moment so viele Schlagzeilen macht, die ein Realschullehrer da auf den Weg gebracht hat und die schon jetzt, ich glaube oder wenn ich es recht gelesen habe, von rund 80.000 Menschen unterschrieben worden ist. Wie stehen Sie zu dieser Petition?
    Hauk: Ich glaube, man darf Ursache und Wirkung nicht vernachlässigen. Die Ursache sind doch die Pläne der Landesregierung, den bestehenden Bildungsplan, der heute schon die Erziehung im Geiste der Toleranz vorsieht, abzuändern und relativ einseitig auf das Thema sexuelle Vielfalt abzuzielen. Ich glaube, der Staat muss neutral sein. Ein staatliches Angebot, das in Freiburg genauso wie in Wertheim angeboten werden muss, muss sich weltanschaulich neutral verhalten und darf sich nicht ideologisieren lassen. Und was hier passiert, ist schlichtweg rote und grüne Ideologie, und das tragen wir nicht mit.
    Zagatta: Aber ins Rollen gebracht oder an Fahrt aufgenommen hat ja diese Diskussion jetzt durch diese Petition, die offenbar in Ihrem Bundesland von so vielen Menschen geteilt wird. Da steht zum Beispiel auch drin als Argument gegen das Vorgehen der Landesregierung, homosexuelle Jugendliche hätten eine erhöhte Anfälligkeit für Alkohol und Drogen, Homosexuelle hätten ein ausgeprägtes Risiko psychischer Erkrankungen – teilen Sie solche Ansichten?
    Hauk: Natürlich nicht. Petitionen sind immer die Auffassung des Petenten. Man muss aber die Positionen teilen, um die Ziele unter Umständen nicht in Teilen teilen zu können.
    Zagatta: Aber warum teilen so viele Menschen in Baden-Württemberg offenbar diese Petition? Also sind da in Süddeutschland Vorbehalte gegen Homosexuelle noch stärker als anderswo?
    Hauk: Mit Sicherheit nicht. Ich glaube, Süddeutschland ist, Baden-Württemberg ist generell ein sehr liberales Land, und ich sehe auch nicht, dass durch eine solche Petition Homophobie gestärkt würde, ganz im Gegenteil. Ich glaube, die Gesellschaft wird durch diese Petition ein Stück weit auch sensibilisiert, übrigens auch die Politik wird dadurch sensibilisiert, dass es eben nicht egal ist, was in den Schulen vermittelt wird, und dass die Schule verantwortlich ist auch dafür, dass im Geist – so altmodisch es klingen mag – christlich-abendländischer Ideologie oder christlich-abendländischer Vorstellungen die Kinder erzogen werden sollen. Und da liegt die Deutungshoheit eben nicht alleine beim Staat, sondern eben auch bei den Kirchen. Das steht auch in unserer Landesverfassung so drin, und da muss man Grün und Rot auffordern, auch dem Geist der Landesverfassung nach zu urteilen.
    Zagatta: Ja, aber wenn Sie jetzt die Kirchen schon ansprechen, also die katholische Kirche: Für die katholische Kirche zum Beispiel, da verstoßen ja homosexuelle Beziehungen gegen das natürliche Sittengesetz, und homosexuelle Praktiken sind eine schwere Sünde gegen die Keuschheit. Also sonderlich tolerant klingt das ja auch nicht.
    Hauk: Das ist Auffassung der katholischen Kirche, auch da wird niemand verpflichtet, die entsprechend zu sehen, sondern ich glaube, es ist einfach notwendig, dass auch die Bildungspläne eine gesamtgesellschaftliche Akzeptanz finden. Wir haben doch in der Vergangenheit niemals weder von homosexueller Seite noch von heterosexueller Seite überhaupt Probleme bei den Bildungsplänen gehabt. Die tauchen jetzt auf, weil sie einseitig ausschlagen und extrem werden. Und das Einzige, was wir auffordern, ist doch, das Thema Toleranz wirklich zu üben – und dann haben wir überhaupt keine Probleme.
    Zagatta: Aber so argumentiert ja jetzt die Landesregierung, dass man das mit so einem Lehrplan, der da jetzt vielleicht auch erweitert wird, auf dieses Thema ausdehnt. Ist die Zeit eigentlich nicht überfällig, dass man vielleicht auch mit anderen Mitteln jetzt mal mittlerweile an das Thema Homosexualität herangeht?
    Hauk: Also diejenigen, die jetzt sagen, es muss Toleranz geübt werden seitens der Landesregierung, diejenigen müssen erst einmal selber tolerant sein, auch gegenüber Petenten tolerant sein. Eine Petition ist doch ein Bürgerrecht, ein Freiheitsrecht, das wir uns erkämpft haben. Und ich kann doch nicht die verurteilen, die eine Petition schreiben und verantwortlich für Zustände in der Gesellschaft machen.
    Zagatta: Also ich glaube, das wird auch gar nicht so kritisiert, nur wenn da eben Dinge drin stehen wie, dass homosexuelle Jugendliche eine erhöhte Anfälligkeit für Alkohol und Drogen haben, dass Homosexuelle ein ausgeprägtes Risiko psychischer Erkrankungen haben, dann kann man da natürlich schon kritisch hinschauen.
    Hauk: Natürlich, da schauen wir doch, also unsere CDU, auch kritisch hin und teilen nicht einfach eins zu eins die Positionen derer, die die Petition unterschreiben. Aber dass grundsätzlich über die Frage Ängste und Sorgen da sind, dass es einseitig wird in der Schule, dafür haben wir schon Verständnis.
    Zagatta: Herr Hauk, hinkt da Ihre Partei, hinkt da die CDU nicht doch auch noch der Lebenswirklichkeit hinterher, denn in der Vergangenheit war es doch immer so: Die CDU hat sich bei diesem Thema, also auch Gleichstellung von homosexuellen Lebenspartnerschaften, dann immer nur dem angeschlossen, was ja im Endeffekt auch vom Bundesverfassungsgericht vorgegeben worden ist?
    Hauk: Also, es ist doch eines klar, für uns gilt eines: Ehe und Familie stehen zunächst einmal im Mittelpunkt, das sagt auch unser Grundgesetz, und davon wollen wir auch nicht abrücken. Und ich sag jetzt mal, zahlenmäßig ist damit auch das Thema Heterosexualität, Ehe und Familie das Leitbild und auch die Norm zahlenmäßig. Und das ist, glaube ich, noch ein ganz entscheidender Punkt, dass wir Politik machen für die Menschen, die zu 80, 90, nicht 100 Prozent im Prinzip sich an die Menschen richtet ...
    Zagatta: Ja, ja, ganz klar, aber man kann ja auch Menschen, die in der Minderheit sind, nicht ausgrenzen.
    Hauk: Nein, ganz im Gegenteil, aber es heißt doch nicht, dass man ständig nur die Minderheiten in den Vordergrund rücken muss.
    Zagatta: Ist ganz klar, aber können nicht auch ...
    Hauk: Toleranz sieht doch so aus, dass ich zunächst mal Politik für die Gesamtheit der Menschen mache und damit auch viele Menschen erreiche, dass ich dabei Toleranz predige für die Minderheit und Toleranz auch umsetze für die Minderheit, aber ich kann doch nicht ständig Minderheiten in den Fokus der Politik setzen.
    Zagatta: Das ist klar, aber kann man nicht sagen, man ist so tolerant, dass man auch beispielsweise zwei Männern zugesteht, die in einer gut funktionierenden Lebenspartnerschaft zusammen sind, ein Kind großzuziehen, genauso liebevoll wie in einer Ehe vielleicht? Sie hat ja auch was mit Toleranz zu tun.
    Hauk: Das ist eine Frage der jeweiligen Ansicht oder jeweiligen Entscheidung, um die Frage geht's aber zunächst einmal gar nicht, sondern entscheidend ...
    Zagatta: Ja, aber es geht in der politischen Diskussion ja beispielsweise um ein Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Partner.
    Hauk: Das Thema ist doch erledigt. Es gibt kein Adoptionsrecht derzeit.
    Zagatta: Bis das Bundesverfassungsgericht Ihnen das vielleicht dann vorschreibt.
    Hauk: Vielleicht. Vielleicht – aber deshalb grenzen wir doch Homosexuelle nicht von vornherein aus, das muss man doch auch mal sehen, sondern wir haben ein Interesse als Staat, dass Ehe und Familie in den Mittelpunkt gerückt wird, und deshalb stehen wir jeder verantworteten Beziehung auch positiv gegenüber, ob das jetzt gleichgeschlechtliche oder heterosexuelle Beziehungen sind. Entscheidend ist doch die gegenseitige Verantwortungsübernahme. Und ich glaube, das muss an der Schule zum Ausdruck kommen und in der Erziehung zum Ausdruck kommen, dass die gegenseitige Verantwortung, Liebe und Partnerschaft in Verantwortung gelebt werden muss. Und da vermissen wir die klare Intention der Landesregierung.
    Zagatta: Peter Hauk, der Fraktionsvorsitzende der CDU im baden-württembergischen Landtag. Herr Hauk, ganz herzlichen Dank für das Gespräch heute Morgen!
    Hauk: Bitte schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.