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Honduras
Das gefährlichste Land für Aktivisten

Wer sich in Honduras gegen Wasserkraft- oder Bergbauprojekte wehrt, muss mit dem Tod rechnen. Investitionen und angeblicher Entwicklung soll nichts und niemand im Wege stehen. Wegen eines Wasserkraftwerks, an dem die deutschen Unternehmen Siemens und Voith beteiligt waren, wurde eine Aktivistin ermordet.

Von Anne-Katrin Mellmann | 07.10.2016
    Ein Bild von Berta Cacéres an einem Zaun, daneben steht ein mexikanischer Polizist
    Im Juni protestierten Demonstranten vor der honduranischen Botschaft in Mexiko gegen die Ermordung der Aktivistin Berta Cacéres. (imago / Agencia EFE)
    Im Fluss Gualcarque habe es kürzlich ein Wunder gegeben, erzählt man im Dörfchen Rio Blanco. Die Strömung habe angehalten und sich dann gedreht, genau an der Stelle, an der das Unternehmen DESA den Fluss stauen will. Am anderen Ufer haben Arbeiter für das Kraftwerk Agua Zarca bereits Bäume gefällt und Erde abgetragen. Nach dem Wunder haben die Lenca-Indigenas ihren Fluss als heilig erklärt. Das ist noch ein Grund mehr, gegen das Wasserkraftwerk zu kämpfen.
    "Wir brauchen diese Entwicklung nicht", sagt Maria Mercedes, eine 61-jährige Bäuerin mit zerknitterten Händen. "Wir brauchen kein Wasserkraftwerk, das uns Arbeit bringt. Sie wollen unser Wasser geschenkt. Wir haben nichts davon. Wir haben unsere Felder und unseren Mais. Die Gegend ist fruchtbar."
    Mit Agua Zarca würde sich das ändern, weil das Wasser dann durch einen Tunnel flösse. Die Einwohner von Rio Blanco wehren sich schon seit 2013 gegen das Projekt – bis März dieses Jahres unterstützte sie Berta Cáceres, Umweltaktivistin der NGO Copinh. Sie kämpfte gegen die in Honduras übliche Privatisierung von Flüssen. Doch eines Nachts kamen Auftragsmörder in ihr Haus und erschossen sie.
    Ein klarer Verstoß gegen geltendes Recht
    Wenn sich die Dorf-Bewohner im Schatten der Eichen versammeln, um über ihren Kampf gegen das Kraftwerk zu sprechen, geht es immer um Berta Cáceres. Und um das honduranische Energie-Unternehmen DESA. Heute ist deren Nachfolger bei Copinh Tomas Gomez dabei. Er ist überzeugt, dass der Mord den Widerstand und die Organisation Copinh, deren wichtigstes Mitglied Cáceres war, zerstören soll:
    "Außerdem tun sie, was sie können, um uns zu kriminalisieren. Sie haben Berta, mich und andere Aktivisten sogar beschuldigt, die Leute in Rio Blanco aufzuwiegeln, so als könnten sie nicht selbst denken."
    Wenn Tomas Gomez und die Dorfbewohner von "denen" sprechen, meinen sie das Unternehmen DESA und den Staat. Begleitet von Soldaten begann Desa vor drei Jahren, am Flussufer zu roden, ohne die Bewohner vorher zu konsultieren. Ein klarer Verstoß gegen geltendes Recht. Ureinwohner wie Rosalita Pérez wurden ignoriert.
    "Sie haben uns fast einen halben Hektar weggenommen und die Mais-Ernte zerstört. Sie sind einfach mit ihren Maschinen und dem Militär gekommen und haben alles gerodet."
    Unternehmer haben die Macht über Medien und Politik
    Als sich die Bewohner wehrten, schützte der Staat nicht sie, sondern das Unternehmen. Die Repression begann. Dorfbewohner und Copinh-Aktivisten wurden erschossen. Immer wieder kam es zu Gewalt, die Atmosphäre vergiftete. Tomas Gomez erinnert sich:
    "Das Unternehmen DESA hat kurz vor dem Mord an Berta eine Medienkampagne gestartet, um sie zu diskreditieren. Alle Medien dieses Landes haben das aufgenommen und versucht, nicht nur Berta, sondern auch die Dorfbewohner zu kriminalisieren."
    Honduras ist ein Land, in dem Unternehmer die Macht über Medien und Politik haben. Einheimische Journalisten ließen sich nach dem Mord an Berta Cáceres nicht in Rio Blanco blicken, nur Ausländer. Aktivisten – egal, ob sie für die Umwelt oder für die Rechte von Indigenen streiten, gelten in Honduras als Störenfriede, die den Fortschritt bremsen. 109 von ihnen sind laut der NGO Global Witness zwischen 2010 und 2015 ermordet worden. Die staatliche honduranische Menschenrechtskommission will das nicht bestätigen. Ombudsman Roberto Cáceres hat allerdings früher auch als Präsidentenberater für die Ausbeutung von Bodenschätzen gearbeitet:
    "Bei uns gibt es viel Straflosigkeit. Trotzdem versuchen wir herauszufinden, warum Aktivisten ermordet werden. Aber wenn Ermittlungsarbeit so unproduktiv ist - 80 Prozent aller Verbrechen bleiben straffrei - bleibt es für uns schwer, zu sagen, warum jemand ermordet wurde."
    Deutsches Unternehmen lässt sein Engagement ruhen
    Den Mordfall Berta Cáceres wollten die Behörden zunächst wie eine Beziehungstat aussehen lassen. Ein halbes Jahr später ist noch niemand verurteilt, aber sechs Männer sitzen in Haft, darunter Mitarbeiter der DESA. Man habe bereits Beweise, dass sie die Mörder seien, so die Ermittlungsbehörden. Vor kurzem wurden die Untersuchungsakten angeblich gestohlen. Vertuschen, verschleppen, aussitzen – eine bewährte Strategie in einem Land, in dem die Korruption alles durchdringt. Das deutsche Unternehmen Voith Hydro läßt seit dem Mord an Berta Cáceres sein Engagement ruhen. Andere zogen sich endgültig zurück.
    Auf ihrer Versammlung diskutieren die Bewohner von Rio Blanco eine Neuigkeit: Obwohl immer mehr ausländische Partner aus dem Projekt Agua Zarca aussteigen, will das Unternehmen DESA weiterbauen. Alle sind sich einig: Sie wollen weiter kämpfen, mit allem, was sie haben. Sollen sie uns doch töten, ruft Rosalita Pérez.