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Honduras
Mit Satire gegen Ungerechtigkeit

Seit dem Militärputsch 2009 ist die Lage für Journalisten in Honduras noch schwieriger geworden. Eines der wenigen unabhängigen Medien ist Radio Progreso, dessen Satiresendung den Machthabern ein Dorn im Auge ist. Bestechung, Diffamierung und Bedrohung der Mitarbeiter sind an der Tagesordung.

Von Martin Reischke | 22.05.2018
    Ein Mann hält eine Flagge von Honduras in die Luft.
    Ein Mann demonstriert 2017 vor der Botschaft von Honduras in Nicaragua nach gewaltsamen Niederschlagung von Protesten (imago / Jorge Torres)
    Jeden Freitagmorgen um neun Uhr ist es so weit. Der neue "Notinada" geht auf Sendung, die "Nachrichtensendung ohne Nachrichten". Mit dem Claim: "Nachrichten aus dem Land, wo alles passiert, aber trotzdem nichts geschieht." Der seltsame Titel hat eine lange Vorgeschichte, die bis zum Putsch 2009 zurückreicht. Damals jagte das honduranische Militär den linksliberalen Präsidenten Manuel Zelaya aus dem Amt, erzählt Radioredakteur Joksan Flores.
    "Die regierungsnahen Medien haben gesagt, dass überhaupt nichts passiert sei, dass es sich um eine legale Machtübergabe handele. Sie haben gesagt, dass wir einfach unseren Alltag weiterleben sollen. Wer geplant hatte, sich ein Fußballspiel anzuschauen, der sollte ins Stadion gehen. Wer aufs Land oder an den Strand fahren wollte, der sollte das natürlich auch tun, denn in dem Land war ja rein gar nichts passiert."
    "Es geht darum, die Lügen der staatsnahen Presse zu entlarven"
    Seitdem ist das Programm zu einer wöchentlichen Medienkritik geworden, die die Erfolgsmeldungen der Regierung persifliert, sagt Flores' Kollege Andrés Hernández.
    "Es geht darum, die Lügen der staatsnahen Presse zu entlarven. Wenn der Präsident sagt, dass alles gut läuft, dann wiederholen wir das im Notinada. Aber die Menschen, die uns hören, wissen natürlich, dass wir das Gegenteil von dem meinen, was wir sagen."
    Im vergangenen November gab es wieder eine Art Putsch in Honduras. Verfassungswidrig und begleitet von Betrugsvorwürfen ließ sich Präsident Juan Orlando Hernández erneut ins Amt wählen. Seitdem sind in zahlreichen Demonstrationen Hunderttausende auf die Straße gegangen, um gegen den in ihren Augen illegitimen Präsidenten zu protestieren. Ganz im Sinne der Regierung warnt der "Notinada" im aktuellen Programm deshalb vor renitenten Demonstranten und staatszersetzender Kritik.
    "Wir unterbrechen das Programm für eine Nachricht für all jene Querulanten und Aufrührer, die immer noch nicht akzeptieren, dass der Wahlbetrug eine Sache der Vergangenheit ist. Hier in dieser Sendung möchten wir nicht das Wort 'Betrug' in den Mund nehmen, denn das klingt hässlich und beschämend, wir reden deshalb lieber von Dialog, Frieden und Liebe."
    Viele Hörerinnen und Hörer lieben den "Notinada" dafür, wie er den offiziellen Diskurs auf die Schippe nimmt. Sie freuen sich auf jede neue Sendung.
    "Das ist sehr wichtig, weil wenn wir trotz der schwierigen Lage noch lachen können. Dann wird man weniger krank, das ist wie eine mentale Unterstützung für uns. Du siehst, wie es im Land zugeht, wie es hier wirklich aussieht. Und gleichzeitig ist es sehr unterhaltsam."
    Mitarbeiter werden bedroht und diffamiert
    Produziert wird der "Notinada" von Radio Progreso, einem von Jesuiten geführten Radiosender in Honduras. Als eines der wenigen verbliebenen kritischen Medien im Land ist die Lage für Radio Progreso nicht einfach. Auch einige hohe Vertreter der katholischen Kirche stehen der Linie des Senders sehr skeptisch gegenüber. Und die Regierung hat immer die gleichen Methoden, um kritische Stimmen auf Linie zu bringen: Bestechung, Diffamierung und Bedrohung der Mitarbeiter, erzählt der Jesuit und Radiodirektor Ismael Moreno.
    "Und wenn das nichts bringt, dann ist der letzte Schritt die physische Auslöschung. Und deshalb ist die Arbeit als Journalist in einem Land ohne funktionierende Institutionen und ohne Rechtsstaat täglich mit großen Risiken verbunden."
    Vor vier Jahren wurde ein Mitarbeiter des Radios ermordet - die Hintermänner des Verbrechens wurden nie ermittelt. Heute sollen Kameras und Sicherheitstüren im Radio die Redakteure schützen, damit sie auch in Zukunft kritisch über Honduras berichten können - das Land, "wo alles passiert, aber trotzdem nichts geschieht".
    "Der 'Notinada' ist mit Sicherheit das Programm, das den Machthabern am meisten weh tut. Weil es eben nichts Schlimmeres gibt, als mit Sarkasmus und Satire die ganze Ungerechtigkeit zu offenbaren, für die diese Menschen verantwortlich sind, weil sie das Land ausbeuten."