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Hongkong
Eine Wahl, die keine ist

Hongkong wählt am 26. März eine neue Regierung. Von einer richtigen Wahl kann allerdings keine Rede sein: Ein überwiegend peking-freundliches Gremium bestimmt den Regierungschef. Genau dagegen hatte vor drei Jahren die "Regenschirm-Revolte" protestiert.

Von Steffen Wurzel | 25.03.2017
    Flagge von Hongkong
    20 Jahre nach der Rückgabe an China warten die Hongkonger vergeblich darauf, ihren Regierungschef selbst wählen zu können. (picture-alliance / dpa / epa IDM SEOUL)
    Die kommunistische Partei Chinas bestimmt inzwischen recht offensichtlich die politischen Geschicke in Hongkong. Und damit straft Peking seine eigene Zusage Lüge, dass in Hongkong die Demokratie und die Eigenständigkeit erhalten bleiben soll. "Ein Land – zwei Systeme" hieß es noch 1997 als tausende Porträts der Queen abgehängt wurden, weil Großbritannien seine Kronkolonie Hongkong an China übergab.
    Wie wenig Pekings Zusage heute noch bedeutet, zeigt auch die morgige Wahl der neuen Stadtchefin der Insel, sie wäre de facto Premierminister von Hongkong, schon jetzt scheint die Gewinnerin festzustehen, es ist die Wunschkandidatin der Kommunistischen Partei in Peking:
    Benny Tai ist eine Legende in der Pro-Demokratie-Szene Hongkongs. In einem Facebook-Video erklärt der Jurist, wie man richtig abstimmt.
    Er öffnet auf seinem Smartphone die Seite der sogenannten Popvote-Initiative, organisiert von Benny Tai selbst und einigen anderen Hongkonger Demokratie-Aktivisten. Die Message hinter der Kampagne ist klar: Wenn wir unsere Regierung nicht demokratisch wählen dürfen, dann stellen wir eben eine alternative symbolische Online-Abstimmung auf die Beine.
    Zur Popvote-Wahl stehen die drei Kandidaten, die auch bei der offiziellen, echten Abstimmung auf den Wahlzetteln stehen: Die bisherige Verwaltungschefin Carrie Lam, der Ex-High-Court-Richter Woo Kwok-Hing und der frühere Finanzminister Hongkongs John Tsang. Favoritin ist die peking-freundliche Lam, denn das mit knapp 1.200 Wahlleuten besetzte Wahlgremium tickt ebenfalls mehrheitlich im Sinne der Pekinger Zentralregierung. Eine Überraschung also: höchst unwahrscheinlich.
    Hongkong bleibt stolz auf seine lebendige Zivilgesellschaft
    Auch wenn die Wahl nicht demokratisch abläuft: Hongkong wäre aber nicht Hongkong, wenn es nicht trotzdem eine lebhafte Debatte um die neue Frau oder den neuen Mann an der Regierungsspitze geben würde. Vergangenes Wochenende zum Beispiel, bei einer online und im Fernsehen übertragenen Debatte der drei Kandidaten.
    Die Favoritin im Rennen um den Hongkonger Regierungsposten Carrie Lam wird auf die blutige Niederschlagung der Studentenproteste am Pekinger Tiananmen-Platz im Juni vor 28 Jahren angesprochen.
    "Die Ereignisse des 4. Junis machen traurig, ich denke, die Geschichte wird ihr Urteil darüber fällen."
    Eine ziemlich nichtssagende Aussage Carrie Lams, aber sie zeigt die Besonderheit Hongkongs: In der chinesischen Sonderverwaltungszone darf ausdrücklich über das Tian’anmen-Massaker gesprochen und gestritten werden, denn es herrschen Meinungs- und Pressefreiheit. In Festlandchina ist das Thema absolut tabu, es wird totgeschwiegen.
    In Hongkong hingegen ist man stolz auf eine lebendige Zivilgesellschaft. Man sieht sich traditionell als Teil der aufgeklärten westlichen Welt. Doch der festlandchinesische Einfluss auf Hongkong wächst, wirtschaftlich, politisch und gesellschaftlich. Gleichzeitig schwindet die Lust der Menschen, für ihre freiheitlichen Grundrechte zu kämpfen.
    Die Demonstranten haben in Erinnerung an die Proteste von 2014 aufgespannte Regenschirme mit dabei, als sie gegen die Einflussnahme Pekings auf die Straße gehen.
    Tausende Menschen demonstrieren in Hongkong gegen die Einflussnahme der Regierung in Peking. (AFP / Anthony Wallace )
    Vor knapp drei Jahren noch gingen in Hongkong wochenlang Zehntausende Menschen auf die Straßen, um für mehr Demokratie zu demonstrieren. Konkret: Für eine Demokratisierung genau der Wahl, bei der jetzt nur die 1.200 Wahlleute abstimmen dürfen. Gebracht haben die Proteste von damals nichts. Die Regierung in Peking saß die Forderungen der Demonstranten einfach aus. Der damalige Mitanführer der sogenannten Regenschirm-Proteste, der heute zwanzig-jährige Joshua Wong, gibt sich trotzdem kämpferisch:
    "Es ist ein langer Kampf für Demokratie, den wir gegen das größte autoritär-regierten Regime der Welt führen. Ich denke, wir werden diesen Krieg letztlich gewinnen."
    Hongkongs Gesellschaft ist zunehmend gespalten. Zum einen in ein politisches und ein unpolitisches Lager. Während sich einige, wie Joshua Wong und Benny Lai mit Aktionen wie der Popvote-Online-Abstimmung für mehr Demokratie ins Zeug legen, haben viele andere nicht einmal mitbekommen, dass Hongkongs Wahlgremium eine neue Regierung bestimmt.
    Andererseits geht auch ein Generationen-Riss durch die Sieben-Millionen-Einwohner-Stadt: Junge Menschen sind tendenziell eher bereit, für mehr Mitbestimmung zu kämpfen. Vor knapp 20 Jahren wurde das den Hongkongern auch versprochen, damals gab Großbritannien seine ehemalige Kolonie an China zurück. Laut Rückgabevertrag ist die Stadt nun noch dreißig Jahre lang autonom. Viele ältere Hongkonger sagen sich: Was soll’s, wenn wir danach komplett von China geschluckt werden, lebe ich sowieso nicht mehr.
    Generationenkonflikt
    "Die Teilnehmer der Regenschirm-Bewegung waren doch politisch angestachelt," sagt dieser 82-jährige Besitzer eines Friseurladens. "Die Studenten sollten das nicht tun! Geht lieber an die Uni, statt Euch irgendwelchen Bewegungen anzuschließen. Das ist in jedem Land das Selbe: Statt zu lernen, sich irgendwelchen politischen Gruppen anzuschließen, das ist nicht gut!"
    Und so denken viele ältere Hongkonger. Statt nach Mitbestimmung und mehr Bürgerrechten sehnen sich nach Ruhe und Stabilität.
    Die symbolische Popvote-Abstimmung hat inzwischen Ex-Finanzminister Tsang gewonnen. Allerdings haben weniger als 65.000 Hongkonger überhaupt mitgemacht. Ein Bruchteil dessen, was sich Benny Tai und die anderen Organisatoren erhofft hatten. Tai gibt sich trotzdem kämpferisch:
    "Es ist ein langer Kampf, wir wissen nicht, wann wir mehr Demokratie erreichen werden, aber wir machen weiter."