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Hongkong kämpft um seine Identitat
Die Furcht vor dem Einfluss Pekings wächst

Seit Hongkong vor fast 20 Jahren von Großbritannien an die Volksrepublik China übergeben wurde, hat die Stadt den Status einer Sonderverwaltungszone. Es gibt etwa weiter Meinungs- und Demonstrationsfreiheit. Doch Peking versucht, seinen Machtanspruch und Einfluss stetig zu erweitern. Viele Bewohner von Hongkong sehen ihre Freiheiten in Gefahr.

Von Steffen Wurzel | 13.05.2016
    Blick vom Victoria-Berg auf die südchinesische Sonderverwaltungszone Hongkong mit ihren Wolkenkratzern im Mündungsgebiet des Perlflusses.
    Die südchinesische Sonderverwaltungszone Hongkong mit ihren Wolkenkratzern im Mündungsgebiet des Perlflusses. (dpa-Zentralbild / Peter Jähnel)
    Eine von vielen Demonstrationen vor dem Hongkonger Parlament. Es geht um ein umstrittenes Infrastrukturprojekt in der chinesischen Sonderverwaltungszone. Befürworter und Gegner stehen sich gegenüber, schreien sich teilweise lautstark per Megafon an. Ein durchaus übliches Bild in der Sieben-Millionen-Einwohnerstadt: Die Menschen in Hongkong sind stolz auf ihre Streit- und Debattenkultur. Noch herrschen in ihrer Stadt Meinungs- und Versammlungsfreiheit.
    Eine politische Demonstration wie diese, zumal vor einem öffentlichen Gebäude, ist für die gut 1,3 Milliarden Menschen in Festlandchina hingegen absolut undenkbar. Nicht nur, dass es in Festlandchina weder Meinungs- noch Demonstrationsfreiheit gibt, die politische Situation hat sich seit Amtsantritt von Staatschef Xi Jingping 2013 auch deutlich verschärft. Kritiker der Parteidiktatur, Menschenrechtsaktivisten und aufmüpfige Anwälte wurden massenweise verhaftet, unter Hausarrest gestellt oder zu Gefängnisstrafen verurteilt.
    Brückenkopf der freien Welt
    Die Menschen in Hongkong hingegen sehen ihre Stadt als Brückenkopf der freien Welt in China, viele haben jedoch den Eindruck, dass sich die Situation langsam aber sicher ändert - und zwar zum Schlechten. Immer mehr Menschen haben Angst vor dem wachsenden Einfluss der Pekinger Zentralregierung. Im Parlamentsgebäude, im Büro der pekingkritischen Abgeordneten Claudia Mo. Die Politikerin der oppositionellen Civic Party warnt seit Langem vor der Pekinger Staatsführung um Xi Jinping. "Wir erleben zurzeit eine furchtbare Umwandlung" unserer Stadt. Hongkong soll in eine Art drittklassige chinesische Stadt verwandelt werden. Unsere Identität und unser koloniales Erbe gehen verloren. Und das frustriert die Bewohner Hongkongs."
    Bürger protestieren in Hongkong.
    Bürger protestieren in Hongkong . (Deutschlandradio/ Steffen Wurzel)
    Wer sich mit Claudia Mo unterhält, der spürt: Hier spricht eine Hongkonger Patriotin, die ihre Freiheitsrechte nicht einfach kampflos aufgeben will. Zu diesen Freiheitsrechten gehören neben Versammlungs-, Presse- und Meinungsfreiheit auch eine unabhängige Justiz. In Hongkong herrscht Rechtsstaatlichkeit. Das wurde vor 19 Jahren vertraglich vereinbart - zwischen der britischen Regierung in London und der chinesischen Staatsführung. Damals, am 1. Juli 1997 wurde im Hafen von Hongkong der britische Union Jack eingeholt und die chinesische Flagge gehisst. Peking verpflichtete sich damals dem Prinzip: ein Land, zwei Systeme. Das bedeutet: Hongkong gehört völkerrechtlich zu China, die Stadt genießt aber de facto Autonomie und behält ihre Freiheitsrechte, und zwar für 50 Jahre, also bis zum Jahr 2047.Ein Land, zwei Systeme, dieses Prinzip sei akut gefährdet, sagt Claudia Mo. Als Beispiel nennt die 59-Jährige die geplante Schnellzugstrecke, die Hongkong künftig noch enger mit Festlandchina verbinden soll. "Sie wollen diese Bahnverbindung bauen. Und sie sagen: Oh, wir möchten die Grenzkontrollen für die Passagiere auf Hongkonger Gebiet einrichten, mit festlandchinesischen, Pekinger Polizisten!"
    Debatte um umstrittene Schnellbahnstrecke
    Das sogenannte "Basic Law", also das Hongkonger Grundgesetz, schreibt in fast allen Lebensbereichen eine strikte Trennung vom Rest Chinas vor. Nur für die Außen- und die Verteidigungspolitik ist Peking zuständig. Hingegen haben festlandchinesische Polizisten in Hongkong nichts zu melden. Eigentlich - denn kommt die neue Schnellbahnverbindung wie geplant, könnten künftig festlandchinesische Grenzpolizisten auch in Hongkong aktiv werden. Ein Paradigmenwechsel. Claudia Mo: "Das widerspricht vollständig unserem Grundgesetz. Dieses garantiert, dass nationale Gesetze der Volksrepublik bei uns nicht angewendet werden und es garantiert, dass auf keinen Fall chinesische Sicherheitskräfte bei uns zum Einsatz kommen. Wir werden betrogen!"
    Die hitzige Debatte um die umstrittene Schnellbahnstrecke ist ein Symptom für das wachsende Misstrauen in Hongkong gegenüber der Zentralregierung in Peking. Eine andere Entwicklung kommt noch hinzu: Mitten durch die Hongkonger Gesellschaft geht inzwischen ein Riss. Sichtbar wurde das im Hongkonger Stadtteil Mong Kok vor einigen Wochen. Heftige Ausschreitungen und Krawalle, Dutzende Randalierer liefern sich die ganze Nacht hindurch eine zehnstündige Straßenschlacht mit der Polizei. Auslöser des Gewaltausbruchs: eine Polizeiaktion am Abend des chinesischen Neujahrsfestes im Amüsierviertel Mong Kok. Dort sollten nicht lizenzierte Imbiss-Buden geschlossen werden.
    "Kraftvoller Widerstand" statt friedlicher Proteste
    "Die Polizei hat versucht, die Leute dort zu drangsalieren. Sie sind in den Straßen von Mong Kok zusammengekommen, um die typischen Straßensnacks zu essen und das Neujahrsfest zu feiern. Niemand hat die Polizei provoziert. Ich hab‘ keine Ahnung, warum die Polizisten die Straßen geräumt haben. Es hieß, die Leute hätten sich unrechtmäßig versammelt", sagt Edward Leung, Chef der radikalen Protestgruppe namens "Hong Kong Indigenous", also "Hongkongs Einheimische". Diese Gruppe soll für die Ausschreitungen verantwortlich sein. Ihr Vorwurf, die Polizei habe eine friedliche Versammlung angegriffen, weist die Hongkonger Stadtregierung allerdings vehement zurück, vielmehr habe es sich bei dem Polizeieinsatz um eine legitime Maßnahme der Behörde für Lebensmittelsicherheit gehandelt. Die Polizisten seien darauf von Randalierern grundlos angegriffen worden.
    Demonstranten in Hongkong.
    Demonstranten in Hongkong. (AFP / Alex Ogle)
    Oppositionelle Aktivisten wie die der "Hong Kong Indigenous" trauen ihrer Stadtregierung allerdings nicht über den Weg, schließlich verfolgt diese eine klar pekingfreundliche Politik und ergreift im Zweifel immer Partei pro China. Bei dem Anfang 20-jährigen Edward Leung und seinen Leuten ist die von Peking kontrollierte Stadtregierung deswegen verhasst. Leung und seine Gruppe deuten aber immer wieder an, dass als letztes Mittel auch Gewalt in Ordnung sei, um den zunehmenden Pekinger Einfluss zurückzudrängen. Edward Leung: "Bei allem Respekt. Aber wir sehen friedliche Proteste nicht als das richtige Mittel an, um zu Ergebnissen zu kommen. Ich würde das "kraftvollen Widerstand" nennen. Wenn dich die Polizei angreift, musst du dich verteidigen. Wir haben gekämpft, weil uns der Schutz unserer lokalen Kultur wichtig ist. Wir nutzen radikale Methoden und leisten so Widerstand - anstatt einfach nur zurückzuweichen!"
    Glaube an die Wirkung von Protesen schwindet
    Eine Mehrheit der Hongkonger Öffentlichkeit zeigte sich nach dem Gewaltausbruch im Februar schockiert. Das passe nicht in die eigentlich so friedliche Sieben-Millionen-Einwohner-Stadt. Hinter vorgehaltener Hand hört man aber immer häufiger auch Aussagen wie die, dieses 40-jährigen Hongkongers. Er nennt sich Joe und betreibt im Businessviertel Central ein kleines Ladengeschäft. "Viele Leute sagen: Revolutionen verlaufen immer blutig. Ich glaube das auch. Die Leute in Mong Kok mussten sich wehren. Das ist der einzige Weg. Ich würde wohl nicht auf die Straßen gehen, um selber gegen die Polizei zu kämpfen. Aber ich würde diese Leute unterstützen!"
    Die Sympathien von Ladenbesitzer Joe mögen nicht repräsentativ sein für die Hongkonger Stimmungslage. Aber sie zeigen, dass viele Menschen nicht mehr daran glauben, dass sich die Regierung in Peking von Massendemonstrationen, wie denen vor zwei Jahren beeindrucken lässt. Die damaligen sogenannten "Regenschirm-Proteste" waren friedlich geblieben. Der 22-jährige Studentenführer Nathan Law war dabei. Vor zwei Jahren nahm er als Repräsentant der Demonstranten an einer Fernsehdebatte zu den Forderungen der Regenschirmbewegung teil.
    Unterstützer von Oppositionellen protestieren mit gelben Schirmen in Hongkong gegen deren Verhaftung
    Unterstützer der Oppositionellen protestierten schon im Juni gegen deren Verhaftung. (dpa/picture-alliance/Alex Hofford)
    "Die Erwartungen an die Regenschirmbewegung waren enorm. Es heißt immer: Diese Bewegung sei die wohl einflussreichste und von der Teilnehmerzahl her größte in der Geschichte Hongkongs gewesen. Aber wie sich herausgestellt hat, hat sie nichts gebracht, weder für uns noch für den politischen Fortschritt in Hongkong. Das frustriert die Leute zunehmend."
    Die damalige Kernforderung der Demonstranten, die freie Wahl des Hongkonger Regierungschefs durch die Bevölkerung, blieb unerfüllt. Nathan Law und seine Mitstreiter aus der Studentenbewegung wollen trotzdem weitermachen, nun streben sie auf die politische Bühne. "Selbstbestimmung für unsere Stadt!", so der Slogan und der Schlachtruf einer neuen Partei namens Demosisto, gegründet vergangenen Monat von Nathan Law und anderen Aktivisten der ehemaligen Regenschirmbewegung.
    Neue Partei strebt Unabhängigkeit an
    An der Spitze der neuen Partei steht Joshua Wong. Der heute 19-Jährige wurde vor zwei Jahren zum weltberühmten Symbol der prodemokratischen Massenkundgebungen. Das US-Magazin "Time" setzte ihn 2014 aufs Titelblatt und kürte den damals noch minderjährigen Hongkonger Studenten zur Person des Jahres. Selbstbestimmung sei das wichtigste politische Ziel für Demosisto, betont Joshua Wong bei der Gründungsparty seiner neuen Partei Anfang April.
    "Auch die Unabhängigkeit Hongkongs sollte eine der Optionen bei einer künftigen Volksabstimmung über den Grad der Selbstbestimmung sein. Wobei ich finde: Unabhängig oder nicht, das ist nicht das Wichtigste, sondern vielmehr die Frage, ob wir echte Demokratie und die Selbstbestimmung für unsere Regierung erreichen. Die Menschen in Hongkong sollten selbst über ihre Zukunft entscheiden, statt die Kommunistische Partei bestimmen zu lassen."
    In vielen Dingen eng mit dem Festland verbunden
    Die Forderung nach echter Unabhängigkeit von China, nach Gründung eines Stadtstaates, etwa nach dem Vorbild Singapurs, hört man seit einigen Monaten immer häufiger in Hongkong. Die Zentralregierung in Peking will das jedoch nicht hinnehmen. Wer laut und in der Öffentlichkeit zum Kampf für ein unabhängiges Hongkong aufrufe, mache sich strafbar, sagen offizielle Vertreter des propekinger Lagers. Solche Drohungen scheinen Aktivisten wie Edward Leung von der radikalen Protestgruppe "Hong Kong Indigenous" allerdings eher noch anzuspornen.
    "Vor 1997 gehörte Hongkong nicht zu China. Wir waren eine internationale Stadt und ein Handelszentrum, in dem sich Menschen aus aller Welt getroffen und Geschäfte gemacht haben. Weil Hongkong eine freie Stadt mit einer freien Wirtschaft war. Hongkong kann überleben, sogar als unabhängige Stadt."
    Zwei historische Details lässt Aktivist Edward Leung hier allerdings unter den Tisch fallen: Zum einen war Hongkong vor 1997 nicht frei, sondern eine Kolonie des Vereinigten Königreichs. Demokratisch ging es in Hongkong auch damals nicht zu. Und zweitens war Hongkong in Sachen Energie- und Lebensmittelversorgung schon damals eng mit China verbunden. Eine unabhängige und komplett auf sich selbst gestellte Nation Hongkong, ohne Verbindungen zum Festland, wäre nur schwer vorstellbar, sagen die meisten Fachleute. Ganz zu schweigen davon, dass die Führung in Peking es wohl nie so weit kommen lassen würde.
    Die Polizei in Hongkong geht mit Härte gegen Aktivisten der Demokratiebewegung vor.
    Die Polizei in Hongkong geht mit Härte gegen Aktivisten der Demokratiebewegung vor. (AFP / Philippe Lopez)
    Im Gegenteil: Die chinesische Regierung sieht jegliche Abspaltungsbestrebungen als hochgefährlichen Angriff auf das das Prinzip der Unteilbarkeit des Landes an. Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums Lu Kang: "Ich möchte noch einmal betonen, dass es sich bei Hongkong um eine chinesische Sonderverwaltungszone handelt. Hongkonger Angelegenheiten sind innerchinesische Angelegenheiten. Kein anderes Land hat das Recht, sich einzumischen!"
    So Lu Kang bei einem Presse-Briefing in Peking Mitte April. Kurz zuvor hatte das US-Außenministerium in Washington die Fälle der verschwundenen Hongkonger Buchhändler in seinem neuesten Menschenrechtsbericht erwähnt. Ende vergangenen Jahres waren mehrere pekingkritische Verleger und Buchhändler zuerst spurlos aus Hongkong verschwunden und dann unter mysteriösen Umständen in Festlandchina wieder aufgetaucht. Aus Peking heißt es, die Betroffenen seien freiwillig über die Grenze nach Festlandchina gekommen, zum Beispiel, um sich wegen alter Verkehrsdelikte der Polizei zu stellen. Für Peking-Kritiker in Hongkong und anderswo ist hingegen klar: Die Betroffenen wurden entführt, weil sie von Hongkong aus geheime Informationen über die Pekinger Staatsspitze veröffentlichen wollten.
    Chinesen wollen wissen, was in ihrem Land los ist
    Der Buchhändler Paul Tang wurde nicht nach Festlandchina entführt, allerdings hat er auch an einem freiwilligen Besuch dort kein gesteigertes Interesse. Er besitzt das People’s Book Café im Hongkonger Stadtteil Causeway Bay. In den Regalen stehen zahlreiche brisante Bücher. "Zurzeit sind Bücher über die Wirtschaftskrise und Chinas möglichen Kollaps besonders beliebt. Außerdem sind Geschichten über Präsident Xi Jinpings Machtfülle, seine Militärreform und seinen weltweiten Einfluss gefragt. Über diesen Supermann wollen die Leute mehr erfahren!"
    Man sieht eine Menschenmenge in Hongkong, die für Aufklärung über fünf vermisste Buchhändler demonstriert.
    In Hongkong demonstrieren tausende Menschen für Aufklärung über fünf vermisste Buchhändler. (picture-alliance / dpa / Jerome Favre)
    Es sind vor allem Kunden aus Festlandchina, die im People’s Book Café nach Büchern stöbern, die bei ihnen zuhause in Peking, in Shenyang oder Shanghai verboten sind. Und weil Hongkong voller festlandchinesischer Geschäftsreisender und Touristen ist, laufen die Geschäfte für Paul Tang gut. "Die eine Hälfte meiner Kunden schaut sich einfach still in meinem Geschäft um. Die andere Hälfte aber möchte wissen, was wirklich los ist in China. Und diese Kunden fragen dann: Hast Du was zu den brisanten, den heißen Geschichten?"
    Auch importiertes deutsches Milchpulver ist gefragt
    Bücher über Politik, Geschichte, Sex und Religion seien in Festlandchina nicht erhältlich, bei ihm aber schon. Das sorge für Kunden. Und damit diese auch Bedürfnisse stillen können, die über das Literarische hinausgehen, verkauft Paul in seinem Buchladen auch andere Dinge, für die sich Festland-Chinesen interessieren: Kartons mit importiertem deutschem Milchpulver zum Beispiel. Das steht bei Festlandchinesen ganz hoch im Kurs, nach den zahlreichen Skandalen um verseuchte chinesische Lebensmittel in den vergangenen Jahren. Paul Tang: "Für mich selbst bin ich optimistisch. Aber auf ganz Hongkong bezogen sieht es nicht so fröhlich aus. Da bin ich sicher. Ich wurde in den 1970er Jahren geboren und habe viele verschiedene gute und schlechte Zeiten erlebt. Ich sage voraus: Die derzeitige politische Umgebung wird Hongkong mehr und mehr schaden."
    Ende vergangenen Jahres kam in Hongkong der Film "Ten Years" in die Kinos. Der Film blickt zehn Jahre in die Zukunft und erzählt in mehreren Episoden Geschichten von ganz normalen Bewohnern Hongkongs: Sie handeln vom Verlust von Freiheits- und Bürgerrechten, und sie handeln vom Verlust der Hongkonger Identität. In einer Episode zum Beispiel wird die Geschichte eines Taxifahrers erzählt, der kein Chinesisch spricht, sondern nur das in Hongkong eigentlich übliche Kantonesisch. Plötzlich aber wird das zum Problem. Durch seine Weigerung, Hoch-Chinesisch zu lernen, bekommt der Taxifahrer große Schwierigkeiten: mit Fahrgästen, mit seiner eigenen Familie und mit den Behörden.
    Die jungen Leute sorgen sich um ihre Zukunft
    Die düstere Zukunftsvision "Ten Years" trifft den Nerv einer ehemals selbstbewussten und stolzen Stadt, die heute in vielen Bereichen verunsichert ist. Mehr und mehr Menschen in Hongkong fragen sich, wie es weitergeht, wenn der festlandchinesische Einfluss wächst. Der 40-jährige Hongkonger Ladenbesitzer Joe hat sich "Ten Years" Anfang des Jahres gemeinsam mit seiner Freundin angeschaut. Und der Film hat ihn nachdenklich gemacht.
    "Die Regierung in Peking übt mehr und mehr Einfluss und Druck auf Hongkong aus. Die alten Leute interessiert das nicht so sehr. Sie wollen schließlich Frieden und Ruhe - und keinen Bürgerkrieg oder so etwas. Aber die jungen Leute sorgen sich um ihre Zukunft. Der Film hat mich sehr beeindruckt. Am Ende habe ich fast geweint."
    Pragmatischer Zynismus mit Blick auf die Zukunft Hongkongs
    Als der Film "Ten Years" Anfang April den Hong Kong Film Award, also den wichtigsten Filmpreis Asiens, gewann, wurden in Festlandchina sämtliche Berichte darüber zensiert. In Hongkong hingegen ist man stolz auf den Mut und den Patriotismus der Filmemacher. Insgesamt scheint es in der ehemaligen britischen Kolonie zwei Lager zu geben: Die einen blicken mit pragmatischem Zynismus auf die Zukunft Hongkongs, so wie Buchhändler Paul Tang. "Ich verkaufe Bücher und Milchpulver. Wenn ich irgendwann merke, dass beides nicht mehr läuft, ändere ich eben mein Geschäftsmodell und verkaufe stattdessen das iPhone 10 oder 14. Mal sehen."
    Andere Hongkonger wollen offen für ihre freiheitlichen Rechte kämpfen. So wie Claudia Mo von der pro-demokratischen Civic Party. "Manche sagen, es ergebe keinen Sinn, Widerstand zu leisten. Aber ich bin immer der Meinung: Wenn man um etwas kämpft, wird man vielleicht verlieren. Aber wenn man gar nicht erst kämpft, wird man ganz sicher verlieren."