Adam Alter: "Unwiderstehlich"

Die Tricks von Facebook, Instagram und Twitter

"Unwiderstehlich" von Adam Alter
Buchcover: "Unwiderstehlich. Der Aufstieg suchterzeugender Technologien und das Geschäft mit unserer Abhängigkeit" © Berlin Verlag/imago/photothek/Ute Grabowsky
Von Vera Linß · 20.03.2018
Laut einer Untersuchung sind 48 Prozent der US-Studenten internetsüchtig. In "Unwiderstehlich" stellt der Marketingprofessor Adam Alter dazu aktuelle Studien vor und beschreibt, wie Internetkonzerne uns permanent vor das Display locken.
Täglich greift man 39 Mal zum Smartphone, um dann drei Stunden aufs Display zu starren, so die Entwickler der App "Moment". Und laut "netaddiction.com" sind schon heute 48 Prozent der US-Studenten internetsüchtig. Kein Wunder, dass das Thema polarisiert. Das digitale Medien wirklich süchtig machen, ist seit Jahren umstritten.
Für den Marketingprofessor Adam Alter von der New York University gibt es allerdings keinen Zweifel. Denn anders, als von Wissenschaftlern lange angenommen, gebe es nicht nur ausschließlich Substanz- sondern auch Verhaltenssüchte, die im Gehirn dieselben Regionen aktivierten wie Drogen oder Alkohol. Auslöser können daher auch soziale Medien, Spiele oder Fernsehserien sein, warnt Adam Alter – und prognostiziert: Mit deren Aufstieg werde Suchtverhalten zum Mainstream. Und genau das ist der Makel an diesem Buch. Mit seiner pauschalen Behauptung von der Bedrohung digitaler Medien bläst Adam Alter in dasselbe Horn wie Manfred Spitzer mit seinem Bestseller "Digitale Demenz" – ohne die These stichhaltig beweisen zu können.

Profunde Sammlung aktueller Studien

Dabei hat Adam Alter durchaus Relevantes zu berichten. In einer profunden Sammlung aktueller Studien beschreibt er, wie die Forschung erst in den letzten Jahren Verhaltenssüchten auf die Spur kommt und welche Ähnlichkeit es zur Abhängigkeit von Substanzen gibt. Der Neurowissenschaftler Andrew Laurence etwa analysierte "Verhaltensschleifen" von Parkinsonpatienten, die mit dem stereotypen Handeln ihre Sucht auf Drogen kompensierten, die man ihnen zur Linderung der Krankheit verabreicht hatte.
Aha-Effekte liefert Adam Alter auch, wenn er beschreibt, mit welchen Tricks bei Facebook, Instagram oder Twitter gearbeitet wird, um sich dauerhaft Aufmerksamkeit zu sichern. Ein "Köder" bestehe etwa darin, mundgerechte Ziele zu setzen, zum Beispiel 1000 Instagram-Fans zu erreichen. Einmal geschafft, warte dann das nächste Ziel. Suchterzeugend seien auch "unvorhergesehene Feedbacks", wie es etwa Facebook-Likes sind. Lebewesen sehnten sich umso mehr nach Feedback, desto weniger es garantiert sei, so der Psychologe, das hätten Experimente mit Tauben gezeigt.

Das Umfeld verändern

Trotz seiner kritischen Haltung ruft Adam Alter (anders als Manfred Spitzer) aber nicht zum Verzicht digitaler Medien auf. Dass man immer wieder ins Smartphone versinke, schade erst dann, wenn es als Ersatz für unerfüllte psychische Bedürfnisse diene. Laut einer gerade veröffentlichten DAK-Studie betrifft das in Deutschland in der Altersgruppe der 12- bis 17-Jährigen rund drei Prozent. Ganz richtig fordert Adam Alter für solche Fälle, das Umfeld zu verändern, etwa, indem man die Bildschirmzeit für Jugendliche begrenze und ihnen mehr Aufmerksamkeit schenke.
Aber gerade weil das Thema so drängt, hätte man sich gewünscht, dass Adam Alter es nüchterner angeht und auf das Gefühl der Bedrohung verzichtet. Leider durchzieht aber genau diese Haltung sein gesamtes Buch. Aber vielleicht ist das auch Taktik: In den USA ist Adam Alters Buch schon jetzt ein Bestseller. Denn unumstritten ist: Bedrohungsszenarien verkaufen sich einfach besser.

Adam Alter: "Unwiderstehlich. Der Aufstieg suchterzeugender Technologien und das Geschäft mit unserer Abhängigkeit"
Stephan Pauli (Übersetzer)
Berlin Verlag, Berlin 2018
384 Seiten, 22,00 Euro

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