Welcomecenter in Paris

Ein Lafayette extra für Chinesen

Das Welcomecenter der Galerie Lafayette
Das Welcomecenter der Galerie Lafayette © Maximilian Klein/Deutschlandradio
Von Maximilian Klein · 20.12.2017
Immer mehr Chinesen reisen nach Paris, weil sie das historische Ambiente und die Luxusartikel schätzen. Eigens für sie hat das Lafayette ein zweites Kaufhaus eingerichtet – auch wegen so mancher Vorbehalte der Bevölkerung gegenüber den Touristen.
Tausende Geschenke in grellen Farben türmen sich übereinander zu einer haushohen Plastikskulptur. In Augen betörenden Bonbonfarben schraubt sich das Monsterliebesspielzeug, das ein Weihnachtsbaum sein möchte, in die 30 Meter hohe Kuppel des Lafayette Paris.

Prunk nur im eigentlichen Lafayette

Wie ein Traum von Ludwig Quatorze schwebt dieses Etwas über messeartige Stände im Erdgeschoss. Dior. Louis Vuitton, Channel. Unweigerlich hat man die Flüsterstimme eines Models im Ohr, der die Markennamen ekstatisch, wie Champagner aus dem Mund perlen. Man riecht es, sieht es, fühlt es. Hier soll Geld ausgegeben werden: Viel Geld.
Die Spielzeugplastik-Skulptur im Lafayette in Paris.
Prunkvolle Spielzeugplastik-Skulptur im eigentlichen Lafayette. Das Welcomecenter für chinesische Touristen hat weniger Glamour. © Maximilian Klein/Deutschlandradio
Und das machen vor allem Kunden aus Asien. Auch jede zweite Verkäuferin ist asiatisch. Junge Frauen, die jungen Chinesen Sonnenbrillen und Handtaschen für mehrere Tausend Euro zu verkaufen suchen. Dabei sollen die Chinesen laut Lafayette gar nicht hier einkaufen. Also im Lafayette schon. Nur eben nicht in genau diesem.

Einkäufe im Wert von 10.000 Euro

Eine Reisegruppe Chinesen folgt einem Reiseführer, ebenfalls Chinese. Er lotst sie weg vom "Hauptlafayette" zum so genannten Welcomecenter. Die neue Dependance eröffnete Anfang des Jahres. Es richtet sich an Touristen aus aller Welt. Vor allem aber: an Reisende aus Asien.
Chinesische Touristen fotografieren das Einkaufszentrum Lafayette
Chinesische Touristen vor dem Lafayette.© Maximilian Klein/Deutschlandradio
Nur wenige Hundert Meter vom Prachtbau entfernt steht der Laden, der den Charme einer Drogerie in einer deutschen Fußgängerzone versprüht. Zwei Wachmänner mit signalfarbigen Armbanderolen stehen vor der Boutique: Securité. Sie bewachen, wer hinein- und hinausgeht. Die Franzosen laufen achtlos vorbei. Sie kennen das schon. Chinesische Touristen, die in großen Gruppen in Paris einkaufen gehen, sind hier so selten wie Baguette.
Eine ältere Dame im Pelzmantel läuft schnellen Schrittes am Welcomecenter vorbei. Als sie hört, dass es um die Chinesen in Paris geht, sagt sie:
"Ich finde, die Chinesen sind sehr gute Kunden. Und sie haben ganz schön viel Mut. Sie laufen durch die Gegend mit all diesen Markenprodukten. Die tragen zum Teil Taschen durch die Gegend mit Einkäufen im Wert von bis zu 10.000 Euro. Für mich wär' das nix."

Luxusartikelhersteller profitieren vom Boom

900.000 Chinesische Touristen reisen jedes Jahr nach Paris. 1400 Euro geben sie im Schnitt allein im den Galeries Lafayette aus. Wesentlich mehr als Touristen aus anderen Nationen. Der Einzelhandel profitiert. Aber ganz besonders die Luxusartikelhersteller. Der Chinesische Markt ist für sie der wichtigste weltweit. Und das obwohl Gucci-Bag und Channelkleid in China bis zu 70% teurer sind. Schuld sind die hohen Steuern auf Luxusprodukte in China. Deswegen greifen Chinesen auf ihren Reisen bei Markenware auch gerne mal doppelt und dreifach zu. Auch im Lafayette.
Charme einer Drogerie: Ein Blick ins Innere des Welcomecenters
Charme einer Drogerie: Ein Blick ins Innere des Welcomecenters.© Maximilian Klein/Deutschlandradio
Allerdings gefiel das nicht allen. Die betuchte, westliche Klientel beschwerte sich. Natürlich nicht öffentlich. Stilvoll, hinten herum. Der Chinese spucke auf den Boden, nehme die Luxushandtaschen weg. Interviews zum Thema lehnt das Kaufhaus kategorisch ab.
Aber eine ehemalige Verkäuferin ist bereit zu erzählen: "Ich denke, die Galerie Lafayette hat einen zweiten Store eröffnet, um die Galeries Lafayette Coupole zu entlasten."
Schier endlose Ströme chinesischer Reisegruppen strömen seit etwa zehn Jahren in das Lafayette. Immer wieder sieht man 30-50 Chinesen einem Tourguide in den Shoppingtempel hinterhereilen. Was viele von den chinesischen Touristen nicht wissen: die Tourguides haben Verträge mit dem Lafayette und werden teilweise auch am Umsatz beteiligt. Nun soll die chinesische Kundschaft aber vor allem ins Welcomecenter gelotst werden.
"In der Tat denke ich, dass die Galeries Lafayette Verträge mit Tourguides abgeschlossen hat. Jedenfalls arbeiten sie viel mit den Guides zusammen."

Einige Marken gehen auf Abstand

Nur sucht man im Welcomecenter einige renommierte Marken vergeblich. Den Luxusherstellern sei das Center nicht elegant genug.
"Louis Vuitton hat da keinen Stand, weil so etwas immer ausgehandelt wird zwischen den Galeries Lafayette und den jeweiligen Marken. Sie wissen, dass sie da gut aufgehoben sind, wo sie bereits sind. Für einen neuen Stand muss man investieren, man braucht neue Verkäufer, man muss die Miete bezahlen. Ich glaube, Louis Vuitton kennt seinen Ruf, ich glaube nicht, dass die das nötig haben."
Im Welcomecenter ist die Decke nicht verkleidet
Im Welcomecenter ist die Decke nicht verkleidet.© Maximilian Klein/Deutschlandradio
Während das Lafayette Mutterhaus, mit aufwendig dekorierten Schaufenstern lockt, die, wie derzeit von MIU MIU gesponsert, ganze Geschichten aus dem "Paradies" erzählen, ist im Welcomecenter von Fülle und Überfluss wenig zu spüren. Es herrscht nüchterne Dutyfreeshop Atmosphäre. Die Deckenverkleidung fehlt. Dafür sind die Schildchen an Sonnenbrillen, Duftwässerchen und kleinen Eiffelturmimitaten wirklich alle auf Chinesisch verfasst.

Geschäfte macht man gerne - unter Vorbehalt

Genau gegenüber des Welcomecenters befindet sich das Manoir Bistrot Francais. Fast schon klischeehaft französisch sieht es darin aus. Ältere Herren stehen an der Bar, trinken Pastis. Holzvertäfelung, geschmackvolle Musik. Der Besitzer Jean-Pierre Porte. Er sieht die nichtabreißenden Touristenströme aus Fernost an seinem Ladenfenster vorbeiziehen. Einige verirren sich auch in sein Bistrot. Auf der Suche nach Parisflair.
"Wir begrüßen gerne ein paar Chinesen hier als Gäste, mal eine Familie. Aber nicht 5, nicht 10 Chinesen. Denn die kontaktieren sich untereinander, und sie neigen dazu, sich alle an einem Ort zu versammeln. Und dann haben wir mit zwei Leuten angefangen, und am Ende haben wir 20 Menschen hier im Laden stehen."
Das Pariser Bistrot Manoir gegenüber dem Welcomecenter
Das Pariser Bistrot Manoir gegenüber dem Welcomecenter.© Maximilian Klein/Deutschlandradio
Geschäfte macht Bistrotbesitzer Jean Pierre Port gerne - an die Globalisierung will er sich trotzdem nicht gewöhnen. Er hat ein Problem mit chinesischen Touristenströmen.
"Wir haben in Bezug auf diese Klientel ein Problem. Im Vergleich zu den europäischen oder amerikanischen oder australischen oder russischen Besuchern, eigentlich dem ganzen Rest der Welt. Die Chinesen sind zu invasiv. Das heißt, sie sammeln sich immer in Gruppen, und das kann den Rest der Welt die Flucht ergreifen lassen."

Kulturelle Unterschiede

Zwischen Kaffee, Louis-Vuitton-Taschen und haufenweise Bargeld wird es auf einmal politisch.
"Ich habe zum Beispiel mal eine Bemerkung gemacht zu einem chinesischen Gast, der am Tisch saß und seinen Kaffee trank, während seine Frau neben ihm stehen und auf ihn warten musste. Da sagte ich zu dem Herrn, er sei herzlich willkommen in Frankreich, in diesem Land, das im Unterschied zu seinem die Menschenrechte achte. Und dass man eben bei uns den Tisch mit der Frau teile. Ich bat die Dame also Platz zu nehmen. Das sind so diese kleinen Anekdoten. Lustig, aber eigentlich nicht so lustig. Die Lebensbedingungen auf unserem Planeten sind schon sehr unterschiedlich."
Auf der anderen Straßenseite läuft binnen einer Stunde die mittlerweile fünfte Gruppe Chinesen einem Tourguide hinterher und hinein in das Welcomecenter. War es ein Shoppingerlebnis? Der Reporter konnte es nicht in Erfahrung bringen. Weder Tourguides noch Touristen trauten sich in das Mikrofon zu sprechen.
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