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Horror in der Nähstube

In einem weißen Schutzkittel und mit einer Stoffkappe auf dem Kopf schneidet die 23jährige Lin Mei mit einer alten Eisenschere Baumwollbahnen zu. Anschließend schichtet eine Kollegin die viereckigen Stoffstücke aufeinander.

Von Gunnar Köhne, Kerstin Lohse, Barbara Roth | 16.01.2005
    Mehr als 4.000 Arbeiterinnen sitzen in den düsteren Werkshallen der Sanqiang-Textilfabrik an ihren Nähmaschinen. Der Shanghaier Staatsbetrieb stellt seit den vierziger Jahren Baumwollwäsche her. Das Unternehmen hat sich zum größten Unterwäscheproduzenten Chinas entwickelt. Inzwischen ist die Marke "Three Guns" auch im Ausland ein Begriff.

    Wer die veralteten Nähmaschinen in der Shanghaier Fabrik sieht, die rostigen Scheren und wackeligen Bügeltische, der mag kaum glauben, dass die chinesische Textilbranche die größte der Welt ist. Dieses Jahr wird sie voraussichtlich einen Umsatz von 183 Milliarden US$ erwirtschaften, 30% mehr als im Vorjahr. Rund 18 Millionen Menschen sind in diesem Industriezweig tätig.

    Lin Mei und ihren Kolleginnen gehört die Zukunft, seit ab 1. Januar in der Textilindustrie das Gesetz des freien Handels gilt. Die internationale Textilbranche, rund 350 Milliarden US-Dollar schwer, steht vor dem vielleicht größten Umbruch ihrer Geschichte: Mit dem Wegfall der Quoten werden in Zukunft vermutlich 50% aller weltweit hergestellten Textilien aus China kommen - bisher waren es knapp 20%.

    Dean Spineanger, Textilhandelsexperte am Kieler Institut für Weltwirtschaft, rechnet damit, dass die chinesische Bekleidungsindustrie enorm davon profitieren wird, wenn nicht länger Quoten die Standortentscheidung ausländischer Modehersteller bestimmen, sondern allein die Frage, welches Land am besten und am schnellsten produziert.

    Die Grundidee des Welttextilabkommens war es, für eine bestimmte Zeitspanne die Textilbranche in den Industrieländern vor Billigimporten zu schützen. Aus dieser "begrenzten Zeitspanne” sind mehr als 30 Jahre geworden. Und das ist das Problem: die Leute haben irgendwann geglaubt, die Quoten würden bleiben. Sie haben kaum etwas getan, um ihre Industrien den internationalen Standards anzupassen. Und nun ist einer der stärksten Spieler überhaupt entstanden – nämlich China. D.h. der Wettbewerb wird nun noch härter.

    Als das Mulitfaser-Abkommen 1974 verabschiedet wurde, bekam jedes Land feste Ausfuhrquoten zugeteilt. Dies hatte einen unerwarteten Nebeneffekt: In Staaten wie Sri Lanka oder Mauritius, in denen zuvor keine Textilindustrie existierte, saßen plötzlich Tausende Arbeiterinnen an Nähmaschinen. Vor allem Hersteller aus Korea, Japan und Taiwan verlagerten ihre Produktion in Länder, die ihre Quoten noch nicht ausgeschöpft hatten, oder aus entwicklungspolitischen Gründen von der Quotierung ausgeklammert waren, wie beispielsweise Bangladesch. In manchen Fällen entwickelte sich das Textilgewerbe zur wichtigsten Exportbranche, selbst wenn jedes Gramm Baumwolle und jeder Zentimeter Tuch importiert werden musste.

    Als 1995 die Welthandelsorganisation gegründet wurde, vereinbarten die Mitgliedsstaaten auf Drängen der Entwicklungsländer das Auslaufen der Quoten – wenn auch erst nach einer zehnjährigen Übergangsfrist. Doch man hatte die Rechnung ohne China gemacht: Seit drei Jahren ist die Volksrepublik WTO-Mitglied und kann auf Gleichbehandlung pochen. Gilt erst das freie Spiel der Marktkräfte, wird China kaum noch zu schlagen sein, meint WTO-Fachmann Spineanger.

    Wenn die Produzenten die Entscheidung treffen können, ihre Fertigung nach China zu verlegen, ohne damit rechnen zu müssen, dass sie unter Quoten oder anderen Handelshemmnissen leiden, dann werden sie nach China gehen. (…) Aber bisher war das nicht möglich, und deshalb gibt es so große Produktionsstätten in Südostasien, ja deshalb wurden erst kürzlich noch zusätzliche Produktionsstätten in Vietnam und Kambodscha aufgebaut. Insbesondere Kambodscha ist eines der Länder, das wahrscheinlich Einbußen hinnehmen muss. Die Fabriken wurden dort allein deshalb aufgebaut, weil man sich damit einverstanden erklärte, ideale Arbeitsbedingungen zu bieten. Deshalb haben die USA ein großes Kontingent an Quoten zur Verfügung gestellt. Aber mit dem Wegfall der Quoten geht dieser Vorteil verloren.

    Einen ersten Vorgeschmack darauf, was der Wegfall der Quoten bedeutet, haben die Kambodschaner in den letzten Monaten bekommen. Rund 80 der insgesamt 350 Textilfabriken fuhren ihre Produktion herunter und entließen Arbeiter.
    Dem Land drohen dramatische Einbußen, denn bisher war die Bekleidungsindustrie der Hauptdevisenbringer: Ein Drittel des Bruttosozialproduktes wurde in der Bekleidungsindustrie erwirtschaftet. Regierungsangaben zufolge wird ein Drittel dieser Fabriken bis Ende des Jahres schließen müssen.
    Sok Siphana, Staatssekretär im Handelsministerium von Phnom Penh, appelliert an das Gewissen der Verbraucher.

    Ich bin nicht so pessimistisch wie viele Analysten. Denn Kambodscha hat viele Trümpfe in der Hand. Einer davon ist der, dass wir wirklich das Arbeitsrecht respektieren und viel Wert auf gute Arbeitsbedingungen legen. Dies wird uns dabei helfen, auch nach Ablauf des Multi-Faser-Abkommens wettbewerbsfähig zu bleiben. Warum? Weil wir glauben, dass es genügend Firmen mit sozialem Verantwortungsgefühl gibt, die weiterhin in Kambodscha bestellen werden, eben weil hier die Arbeitsbedingungen gut sind.

    Ersten Prognosen zufolge wird sich das Wirtschaftswachstum erheblich verlangsamen, wenn es Kambodscha nicht gelingt, die drohenden Verluste in anderen Sektoren auszugleichen. Experten rechnen damit, dass das Wachstum in diesem Jahr von 4,3 auf 2,4% fallen wird.
    Kambodscha ist sich seiner Schwächen bewusst: Die Produktivität ist nicht hoch genug, die Einfuhr von Rohmaterialien und der Export unterliegen häufig enormen Verzögerungen.

    Um die drohenden Einbußen besser abzufedern, versucht die Regierung politisch zu kontern. Anfang September ratifizierte das Land den Beitritt zur Welthandelsorganisation. Nun setzt die Regierung sich dafür ein, zollfreien Zugang zu den US-Märkten zu erhalten, so Sok Siphana, Staatssekretär im Handelsministerium.

    Das ist einer der Punkte, über die wir derzeit verhandeln. Wir betreiben im US-Kongress Lobbyarbeit, damit ein Gesetz verabschiedet wird, das uns in Zukunft ebenso wie den afro-afrikanischen Staaten zollfreien Zugang gewährt. (…) Natürlich wird die Zukunft eine Phase der Unsicherheit bringen, weil niemand so recht weiß, was wirklich passiert. Aber wir glauben, dass wir relativ gut davon kommen werden.

    Kaum ein Industriezweig kann zu so niedrigen Kosten von einem Land in ein anderes verlagert werden, wie die Textilindustrie. China weiß das und hat sich konsequent auf den Wegfall der Quoten vorbereitet. In den letzten Jahren investierten chinesische Textilhersteller so viel in ihren Maschinenpark wie kein anderes Land der Welt.
    Schon heute dominiert die Volksrepublik die Branche . Chen Shujin, Vizepräsident des chinesischen Textilherstellerverbandes, warnt jedoch vor übertriebener Panikmache.

    Angesichts unser Erfahrungen bei der Textilverarbeitung und der guten Ausgangssituation für Investoren erwarten wir natürlich weitere Auslandsinvestitionen. Mehr Hersteller als bisher werden in China fertigen lassen, weil es hier Tausende von Produktionsstätten gibt, die alle Arten von Textilien herstellen können - auch in großer Stückzahl. Insofern wird die chinesische Textilindustrie in Zukunft sicher Zuwächse verzeichnen können. Aber ich denke nicht, dass chinesische Waren die Weltmärkte überschwemmen werden.


    Der Deutsche, Ulrich Maeder, ist seit mehr als 30 Jahren als Einkäufer für die Textilindustrie tätig und leitet in der ostchinesischen Stadt Ningbo eine eigene Fabrik. Er rechnet damit, dass China vor allem im modischen Bekleidungsbereich deutliche Steigerungsraten verzeichnen wird. Um selbst von diesem Trend zu profitieren, hat Maeder seine Kapazitäten um mehr als 40% aufgestockt.

    Mit dem Wegfall der Quota kommen wir in die ideale Situation, ganze Programme fertigen zu können. Das konnten wir in der Vergangenheit nicht, weil wir da ganz einfach in einigen Bereichen an der Hosenquota, der Kleiderquota, der Hemdenquota oder der Blusenquota gescheitert sind und diese Dinge dann woanders gefertigt werden musste, wo es Quotenhalter gab, die in verschiedenen Bereichen Quoten gehalten haben. D.h. wir haben mit Sicherheit, was den Export und die Produktion angeht, ein viel höheres Maß an Flexibilität und Offenheit. Das wird den Markt dahinführen, dass der Bessere und der Schnellere mit dem richtigen Tempo der Erfolgreiche sein wird. Und so soll es ja eigentlich auch sein.

    Um drohende Handelsstreitigkeiten mit den USA und der EU abzuwenden, geht Peking in die Offensive. Auf sechs Kategorien von Textilien, die chinesische Hersteller ins Ausland verkaufen, werden ab dem Jahreswechsel Ausfuhrabgaben erhoben. Mit dieser Regelung versucht die chinesische Regierung, den Export von hochwertiger Bekleidung zu fördern und den von Billigexporten zu bremsen. Rolf Köhler von der Firma Freudenberg, die in Shanghai Fliesstoffe produziert, hält dies für eine kluge Entscheidung.

    Der Trend wird sein, dass China nachhaltig von dem Wegfall der Quoten profitiert. Und wie bewusst man sich dessen ist, zeigt im Grunde die jüngste Ankündigung der zusätzlichen Besteuerung von Textilexporten, wo man eigentlich eine Form von Selbstregulierung jetzt einführt und sagt: Wir müssen aufpassen, dass das, was uns hier zufallen wird, nicht den Rest der Welt so verschreckt und zu Maßnahmen führt, die gegen uns gerichtet sind. D.h. wir agieren lieber als reagieren in diesem Fall. Und es ist schon ein sehr mutiger Schritt der Regierung, hier zu sagen, wir bauen dem vor und zeigen unsere "good citizenship" im Sinne des Welthandels dahingehend, dass wir eine bestimmte Form von Regularien von Anfang an einführen.

    Beobachter erwarten nicht, dass es sofort zu Verschiebungen im Welthandel kommt. Die meisten Bestellungen für die nächste Herbstsaison sind längst aufgegeben. Außerdem werden viele Hersteller vermutlich erst mal abwarten, ob Länder wie die USA nicht doch zu Anti-Dumping-Maßnahmen greifen werden und damit den Export aus China erschweren. Und noch eines spricht dagegen, dass Einkäufer alles auf die China-Karte setzen: Die Erfahrung mit der Lungenkrankheit SARS hat gezeigt, dass ein Virus ausreicht, um die weltgrößte Textilindustrie für Wochen lahm zu legen.

    Naomi Campell lächelt großformatig von den Wänden, angetan in einem knappen Bikini aus Kemal Günes Fabrik. Günes lehnt sich in seinem ledernden Bürostuhl zurück und sein Lächeln sagt: Wir können uns Supermodels leisten. - Denn die Türkei spielt längst in einer anderen Textil-Liga:

    Wir fürchten uns nicht vor China. Wir haben unseren festen Absatzmarkt in Europa und Nord-Amerika. Die Türkei ist derzeit der drittgrösste Textilexporteur. Wir sind etabliert, haben eine feste Infrastruktur und unsere eigenen Marken aufgebaut. Letzteres ist besonders wichtig: Die
    Türkei ist mittlerweile ein Markenproduzent, wir werden weltweit immer mehr
    als Modezentrum anerkannt.


    "Made in Turkey" soll bald so wohltuend klingen in der Modewelt wie einst "Made in Italy" - so hofft die türkische Textilindustrie den Wegfall der Importquoten in den nächsten Jahren ohne größere Verluste zu überstehen. Weg vom billigen T-Shirt, hin zum Lieferanten für gehobene Kleidungsansprüche. Kemal Günes Firma "Günkar" produziert mit seinen 1400 Angestellten vor den Toren Istanbuls Sweatshirts und Bademode unter anderem für ein großes deutsches Versandhaus. Insgesamt exportierte die Türkei Textilien im Wert von zwei Milliarden Euro allein nach Deutschland. Bei Günkar ist man stolz darauf,
    dass man nicht irgendwelche Schnittmuster aus dem Westen zusammennäht: Hier entstehen eigene Kollektionen, entworfen von jungen Designern aus Istanbul.

    Die Fertigungshalle ist hell und freundlich, rieselt Popmusik aus den Lautsprechern. Hinter den Nähmaschinen sitzen Frauen und Männer fast zu gleichen Anteilen. Marketingmanager Sedat Oguz erklärt die Arbeitsbedingungen:

    Der gesetzliche Mindestlohn in der Türkei beträgt derzeit umgerechnet 200 Euro. Ein einfacher Arbeiter bei uns bekommt etwa 350 Euro. Abhängig von der Arbeit kann der Verdienst aber auch darüber liegen. Sie sind sozial- und krankenversichert. Gesetzlich vorgeschrieben ist die 45 Stunden Woche. Es bleibt den Unternehmen überlassen, ob sie diese Arbeitszeit auf 5 oder 6 Tage verteilen.

    Das sind immer noch harte Arbeitszeitregelungen verglichen mit Textilwerken in Deutschland. Gegenüber den asiatischen Konkurrenzstandorten sieht Firmenchef Kemal Günes die türkischen Sozialstandards aber durchaus als einen Standortvorteil:

    Bei uns hat der Arbeiter vier Wochen gesetzlichen Jahresurlaub, in China verdient er nur, wenn es Aufträge gibt. Die Arbeitsbedingungen in vielen Firmen dort genügen den Sozialstandards der europäischen Kunden nicht. Wer heute in der Türkei so arbeitet, der bekommt keine Aufträge. Es gab Kunden, die haben uns gekündigt und sind nach China gegangen. Aber sie sind wieder zurückgekommen, weil sie nicht das gefunden haben, was sie bei uns bekamen:
    Nämlich nicht nur eine Näherei, sondern modeorientierte Qualität. Und noch etwas lässt viele zögern, dorthin zu gehen: Wir sind bloß zwei, drei Stunden von Europa entfernt, die Chinesen dagegen 15 Stunden.


    Auch wenn die großen türkischen Textilfirmen weiterhin zuversichtlich in die Zukunft blicken - auf die rund 40.000 kleinen und mittleren Betriebe des Landes werden mit Ende der Importquoten schwere Zeiten zukommen. Darum fordert der Verband der Textilunternehmer, dessen Vorstand auch Kemal Günes angehört, von der Regierung in Ankara schnelle Hilfen:

    Wir erwarten von der Regierung, dass sie die Steuern und Sozialabgaben für Unternehmen senkt. Auch die Energiepreise sind zu hoch. Wir haben versprochen, dass wir dann sogar unseren Umsatz noch um bis zu fünf Milliarden Dollar steigern können. ... Wir stehen vor einem großen Umbruch. Die Großen sind gewappnet und werden den Wandel schaffen, viele kleinere Betriebe werden sich in Zukunft eine andere Arbeit suchen müssen.

    Nicht nur von der Regierung allein soll das Gelingen des Strukturwandels abhängen. Die Textilbranche will Forschung und Entwicklung stärken, möglicherweise finanziert durch eine Abgabe auf Exportgewinne. Wer Qualität produzieren will, braucht auch die dafür notwendige Technologie. Zur Absicherung haben sich einige große Textilholdings bereits weitere Standbeine zugelegt, etwa in der explosiv wachsenden Tourismusbranche.
    Der Verlust von jedem zehnten der anderthalb Millionen Arbeitsplätze im türkischen Textilbereich scheint Berechnungen des türkischen Textilexportverbandes zufolge unabwendbar. Aber Unternehmer wie Günes sehen auch die Chancen der Liberalisierung des Welttextilmarktes: Mit dem Wegfall der Quoten für türkische Einfuhren in die USA könnten sie nun auch den amerikanischen Markt erobern. Einem türkischen Jeanshersteller ist es bereits vor Jahren gelungen, im Herzen New Yorks einen Laden für Nietenhosen zu eröffnen. Und Günes plant sogar, seine Marktanteile mit Hilfe der asiatischen Billigkonkurrenten zu sichern:

    Wenn wir in Zukunft in diesem Land, das ja auf dem Weg in die EU ist,
    nicht mehr preisgünstig produzieren können, dann können wir uns vorstellen unsere Waren auch in Indien oder Pakistan 30 bis 35 Prozent billiger herstellen zu lassen.



    Niemals würde Wolfgang Grupp in China, Indien oder Osteuropa produzieren lassen. Der 62jährigen ist Inhaber von Trigema. Seine Werke sitzen in Burladingen, Altshausen, Engstlatt und Rangendingen – alles Ortschaften in Baden-Württemberg. Rund 1.200 Mitarbeiter beschäftigt der größte deutsche T-Shirt- und Tennisbekleidungshersteller – ausschließlich in Deutschland.

    Ich kann mich nicht beklagen. Ich habe in 35 Jahren am Standort Deutschland Geld verdient. Jetzt frage ich, wer ist denn reicher geworden von denen, die ausgewandert sind? Ist ein Schiesser, der eine Goldgrube war, als er 3.500 Arbeitsplätze in Radolfzell und Umgebung hatte? Ist der reicher geworden seit er in der ganzen Welt produziert?

    Wolfgang Grupp ist reich geworden. Und er zeigt seinen Reichtum auch: Die weitläufige Villa gegenüber der Firma, umgeben von einer Mauer im spanischen Hazienda-Stil. Den schottischen Butler, der in seinen Diensten steht. Den Privat-Hubschrauber, der für jeden sichtbar in einem Hangar aus Glas parkt. 1969 übernahm Grupp das Unternehmen vom Vater. Und musste in den 36 Jahren nie Verluste schreiben. Bei Trigema wurde nicht einen Tag kurzgearbeitet. Noch nie musste er einen Mitarbeiter aus Arbeitsmangel entlassen. Warum, fragt er selbstbewusst, sollte also Trigema nun den Wegfall der Importquoten für Billig-Textilien aus Fernost fürchten?

    Das tangiert in erster Linie diese Unternehmer, die meinten den Standort Deutschland verlassen zu müssen. Man hat ja ursprünglich mal angefangen in Griechenland zu produzieren. Man ist dann in die Türkei. Türkei ist zu teuer, jetzt ist man in Rumänien. Rumänien wird zu teuer, jetzt geht man nach Bangladesch. Man wird zum wandernden Produzenten. Und überall muss man etwas aufbauen, was man nachher wieder abbauen muss. Und dann werden ihn die laufenden Investitionen überfordern. Und da frage ich mich, ob die einmalige Investition mit ausschließlicher Re-Investition, wenn die Maschine zu alt ist, bei uns in Burladingen, ob das nicht billiger ist.

    Grupp lässt keinen Zweifel daran, dass er sich für den besseren Unternehmer hält. Erfolg ist für den 62jährigen eine Frage der Ehre.

    Wir haben versucht, nicht anonym, sondern unter der Marke Trigema dem Verbraucher etwas abzubieten, ein Preis-Leistungs-Verhältnis. Und wenn wir das erleben müssten, dass uns der Verbraucher nur kauft, wenn es keine billigere Ware gibt, dann hätten wir schon vor Jahren oder Jahrzehnten im Prinzip versagt, denn dann hätten wir keine Chance gehabt.

    Rund sieben Euro kostet das billigste T-Shirt der Marke Trigema. Günstiger will und kann Grupp nicht werden –Trigema sei schließlich eine qualitativ hochwertige Marke. Import-T-Shirts sind für unter drei Euro zu haben. Na und – lacht Grupp, dafür sei China weit weg. Hohe deutsche Löhne gleiche Trigema mit Qualität – vor allem aber mit Flexibilität aus.

    Wir können jeden Artikel innerhalb von 48 Stunden in einer Drei-Schicht-Produktion vom Garn bis zum Fertigprodukt mit einer Wertschöpfung von 78 Prozent hier in unseren Firmen produzieren. Deshalb können wir uns auch draußen auf das einstellen, was draußen verlangt wird. Ein Kunde, der bei uns heute kauft, wird auch heute beliefert, so dass er im Prinzip morgen seine Ware im Schaufenster hat.

    Mit seinem ausdrücklichen Bekenntnis zum Standort Deutschland ist Wolfgang Grupp längst Dauergast in Talkshows. Und das ist für Trigema scheinbar die beste PR:

    Es kommen viele Verbraucher in die Geschäfte, weil sie den deutschen Arbeitsplatz unterstützen wollen. Das erlebe ich, wenn ich mal zufällig in einem Geschäft bin, dann spricht mich fast jeder Zweite an, und fragt, ob ich derjenige bin, den er aus dem Fernsehen oder aus Diskussionsrunden kennt. Und dann sagt er mir, dass er extra 30, 50 Kilometer angefahren ist, um demonstrativ zu zeigen, er möchte auch diesen Standort Deutschland unterstützen.


    Schlussendlich hat es der Verbraucher in der Hand. Trotz in Zukunft freiem Welthandel nehmen Hersteller zunehmend Rücksicht auf Sozialstandards. Auf diese Kriterien sollten auch Verbraucher achten beim Kauf - genauso wie auf ihre Verantwortung für die Arbeitsplätze im eigenen Land. Der Verbraucher schafft einen Welthandel mit menschlichem Antlitz.