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Horst Seehofers Zukunft
Husarek: "Wir glauben nicht, dass die CSU zum Frieden kommt"

Er glaube nicht, dass Horst Seehofer in aller Ruhe Sondierungsgespräche und Koalitionsverhandlungen führen könne, sagte Michael Husarek, Chefredakteur der "Nürnberger Nachrichten" im Dlf. Der CSU-Chef sei angezählt. Trotzdem werde dieser alles tun, um seinen Hauptrivale Markus Söder zu verhindern.

Michael Husarek im Gespräch mit Martin Zagatta | 28.09.2017
    Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (l) und der bayerische Finanzminister Markus Söder unterhalten sich am 18.07.2016 in München (Bayern) vor Beginn der CSU Vorstandssitzung.
    "Ich glaube, für Seehofer ist es tatsächlich ein Oberziel, Markus Söder zu verhindern", sagte der Chefredakteur der Nürnberger Nachrichten, Michael Husarek, im Dlf (dpa/Sven Hoppe)
    Martin Zagatta: Wie stark ist CSU-Chef Horst Seehofer unter Druck nach dem schlechten Ergebnis bei der Bundestagswahl und Rücktrittsforderungen aus der eigenen Partei. Eine turbulente Sitzung der Landtagsfraktion hat die Kritiker jedenfalls noch nicht mundtot gemacht.
    O-Ton Alexander König: "Alles hat seine Zeit und jeder hat seine Zeit. Horst Seehofer hat einen tollen Job in Bayern gemacht, das muss man auf der einen Seite sagen. Auf der anderen Seite, glaube ich, ist es auch an der Zeit, darüber nachzudenken, wie man sich für die Zukunft inhaltlich, aber natürlich auch personell anders aufstellt."
    Zagatta: Der CSU-Landtagsabgeordnete Alexander König hier bei uns im Deutschlandfunk. – Wie sehr ist Horst Seehofer jetzt unter Druck? Ist sein politisches Ende absehbar? Das kann ich jetzt Michael Husarek fragen, den Chefredakteur der Nürnberger Nachrichten. Guten Tag, Herr Husarek!
    Michael Husarek: Guten Tag!
    Zagatta: Herr Husarek, wie kommentiert das Ihre Zeitung heute? Wie gefährdet sehen Sie denn Horst Seehofer jetzt?
    !Husarek: Unser Landtagskorrespondent hat heute dazu einen Leitartikel geschrieben, der überschrieben ist mit den Worten "Die Taktik der Nadelstiche. Das Söder-Lager will CSU-Chef Seehofer zermürben." Ich denke, aus diesen paar Worten kann man schon sehen, wie wir es kommentieren. Wir glauben nicht, dass die CSU zum Frieden kommt. Wir glauben auch nicht, dass Horst Seehofer in aller Ruhe nun Sondierungsgespräche und dann Koalitionsverhandlungen führen können wird. Er ist definitiv angezählt.
    "In der CSU ist immer so lange Ruhe, wie die Erfolge eintrudeln"
    Zagatta: Seit wann ist denn die CSU so aufmüpfig? Aus einiger Entfernung wundert uns das etwas.
    Husarek: Ja, das ist aber in der Tat nur auf die Entfernung zurückzuführen. In der CSU ist immer so lange Ruhe, wie die Erfolge eintrudeln. Die Benchmark ist die absolute Mehrheit, 50 Prozent der Stimmen oder knapp darunter. Die Bundestagswahl war mit 38,soundso Prozent ein Desaster aus der Sicht der CSU-Basis und auch vieler Landtagsabgeordneter, und da ist es dann mit dem Frieden nicht allzu weit her.
    Zagatta: Ist das schon ein bisschen was wie Panik?
    Husarek: Ich würde schon sagen, dass etlichen CSU-Funktionären der Angstschweiß auf der Stirn steht. Ich würde auch sagen, dass es an der Basis ein ganz, ganz lautes, deutlich vernehmbares Grummeln gibt, weil die Partei ganz plötzlich ein bisschen zwischen den Fronten steht: auf der rechten Seite die AfD, in der Mitte die FDP. Beide machen sich sozusagen ran an den Speckgürtel der CSU, und das ist eine bedrohliche Ausgangslage. Wir haben nächstes Jahr in Bayern Landtagswahlen und da kommen viele ins Grübeln.
    Zagatta: Wie erfolgversprechend ist denn jetzt, wenn man es Aufstand nennen will, dieser Aufstand? Wie breit ist dieser Widerstand, oder sind das doch eher wieder vereinzelte Stimmen, die dann nicht unbedingt sehr durchschlagskräftig werden?
    Husarek: Momentan würde ich es tatsächlich so sehen, dass es kein Aufstand ist, der eine breite Basis hat. Es sind Stimmen, die im Grunde sehr zuordenbar sind, aus dem Lager von Markus Söder, der ja als der Hauptrivale und potenzielle Nachfolger von Horst Seehofer gilt. Ich kenne keine vernehmbare Stimme aus anderen Teilen der Partei. Aber es sind eben doch sehr, sehr viele Stimmen, wenn man sich die sozialen Netzwerke ein bisschen anschaut, was da gepostet wurde. Es ist schon eine Stimmungslage, die durchaus auch auf eine Basis zurückgreifen kann, wo momentan aber eher aus den fränkischen Gefilden, so würde ich es mal nennen, gegen Altbayern geschossen wird.
    Husarek: Seehofer würde alles tun, um einen Markus Söder als Nachfolger zu verhindern
    Zagatta: Warum sind das die fränkischen Gefilde? Weil das die Heimat bei Ihnen von Markus Söder ist? Oder sind die Franken besonders aufmüpfig?
    Husarek: Nein, das würde ich nicht sagen, dass die besonders aufmüpfig sind. Aber Söder stammt aus Nürnberg, ist ein Franke und hat natürlich dann dort seine Bataillone um sich geschart, wobei es deutlich zu kurz gedacht wäre, ihn nur darauf zu reduzieren. Was Markus Söder auszeichnet in den vergangenen Jahren war, dass er sich einerseits innerhalb der Landtagsfraktion eine sehr solide Basis erarbeitet hat. Viele sagen, er hätte dort im Fall der Kampfabstimmung eine Mehrheit. Und was ihn mindestens genauso auszeichnet aus der Perspektive vieler CSU-Anhänger ist, dass er in den Umfragen, wenn es um die Sichtweise der Bürger geht, wen könnten sie sich vorstellen als Ministerpräsident, immer sehr, sehr gut abschneidet.
    Zagatta: Aber Seehofer könnte sich das wahrscheinlich weniger vorstellen?
    Husarek: Seehofer kann sich das überhaupt nicht vorstellen. Ich würde so weit gehen, dass Seehofer alles, aber wirklich alles tun würde, um einen Markus Söder als Nachfolger zu verhindern. Die beiden haben kein angespanntes Verhältnis; sie haben im Grunde ein Nicht-Verhältnis, was natürlich sehr problematisch ist, wenn man bedenkt, dass der eine Ministerpräsident in Bayern ist, der andere sein Finanzminister. Und ich glaube, für Seehofer ist es tatsächlich ein Oberziel, Markus Söder zu verhindern.
    Zagatta: Wie verhält sich denn Söder? Aus seinem Umfeld kommt die ganz heftige Kritik. Er hat sich gestern nach der Sitzung der Landtagsfraktion fast schon diplomatisch ausgedrückt. Aus Ihrer Sicht: Kratzt Söder am Thron von Seehofer, oder sägt er schon?
    Husarek: Kratzen tut er seit vielen Jahren an dem Thron. Sägen tut er nicht an demselben. Da ist er viel zu clever und taktisch zu versiert, um das zu tun. Er lässt allenfalls sägen. Die, die momentan sägen, sind auf der Ebene Kreisfunktionäre, vielleicht auch Bezirksfunktionäre, aber höher ist es noch nicht gegangen. Aber ich denke, Söder ist sich sehr, sehr bewusst, er ist 50 Jahre, dass die Zukunft an der CSU-Spitze ihm gehört. Die Frage ist, ob er die Geduld aufbringt, jetzt noch die nötigen Wochen und Monate zu warten. Es ist Mitte November in Nürnberg zufälligerweise der Parteitag der CSU mit den entsprechenden Wahlen und es gibt nicht wenige, die damit rechnen, dass Söder dann tatsächlich aufsteht und antritt. Es gibt andere Stimmen, die sagen, das könnt ihr nicht machen, ihr müsst den Horst Seehofer erst mal die Koalitionsverhandlungen zu Ende führen lassen, die sich ja weit über diesen Termin Mitte November hinausziehen dürften.
    Husarek: Kampfkandidatur Söders gegen Seehofer sehr unwahrscheinlich
    Zagatta: Antreten, das hieße dann eine Kampfkandidatur gegen Horst Seehofer. Halten Sie das für möglich?
    Husarek: Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, weil das innerhalb der CSU eine sehr, sehr große Unruhe auslösen würde. Die Partei ist ohnehin gewohnt, dass es keinen geordneten Übergang geben kann. Den gab es im Grunde nie. Wenn ein Vorsitzender den nächsten abgelöst hat, war es fast immer eine putschartige Situation. Ich könnte mir eher vorstellen, dass es während der Klausur der CSU-Landtagsabgeordneten (die findet Anfang Januar in Kloster Banz zufälligerweise auch wieder in Franken statt), dass es dann dort zu einem Putschversuch kommen könnte. Aber das ist keine Prognose; das ist eine Vermutung.
    Zagatta: Die Zukunft von Horst Seehofer ist höchst ungewiss – danke schön an Michael Husarek, den Chefredakteur der Nürnberger Nachrichten, der uns das eingeordnet hat.
    Husarek: Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.