Freitag, 29. März 2024

Archiv

Hospizarbeit
Zu wenige Männer am Sterbebett

In der ehrenamtlichen Hospizarbeit arbeiten meist Frauen, nur etwa zehn Prozent der Mitarbeiter stellen Männer. Dabei wollen sterbende und trauernde Männer oft lieber ihre Geschlechtsgenossen bei sich haben. Deshalb soll nun verstärkt um Männer geworben werden.

Von Mechthild Klein | 30.11.2015
    Zwei Hände halten sich umschlossen auf einem Laken. Die Linke Hand trägt einen Ehering.
    Hospizarbeit: Mehr Männer werden benötigt. (imago stock & people)
    "Ganz wichtig ist in der Hospizarbeit, dass wir den männlichen Blick aufnehmen. Die Hospizarbeit ist von jeher weiblich dominiert."
    Angela Reschke, Sprecherin des Hamburger Hospizvereins. In der praktischen Arbeit bedeutet der Männermangel, dass auch nur wenige Männer den Weg in die Trauergruppen finden. Unter den Ratsuchenden ist gerade mal jeder sechste ein Mann.
    "Es ist doch eher ein schlechtes Zeugnis für die Hospizarbeit, wenn wir doch eher wenige Männer erreichen. Das ist ganz klar, das kann so nicht bleiben."
    Appell an die Männer
    Doch erst jetzt, 25 Jahre nach Vereinsgründung, wächst das Bewusstsein, die Bedürfnisse der Männer mehr in den Blick zu nehmen:
    "Ich empfinde es als Forderung an die Männer, dass sie sich sozial und ehrenamtlich engagieren. Männer machen 50 Prozent der Bevölkerung aus. Und wenn sie in Not geraten, brauchen auch Männer diese Zuwendung. Also das ist ein großer Appell von uns aus: Männer beteiligt euch!"
    "Dass es zu wenige Männer gibt, das hängt auch damit zusammen, dass diese ganzen sozialen und familiären Aufgaben, dass die eben als Frauenarbeit angesehen werden. Und das ist eine gesellschaftliche Umwälzung, die jetzt zum Glück mit Elternzeit und all diesen Dingen in Gange kommt. Aber das ist noch wirklich ein langer Prozess."
    Lars Andersen ist seit fünf Jahren Hospizbegleiter im Hospiz Helenenstift in Hamburg. Der Biologe beobachtet Berührungsängste von Männern mit der Hospizarbeit:
    "Ich glaube, dass da ein Wissensdefizit ist bei den Männern, dass auch gerade ihr Wissen hier gefragt ist, darüber sind sich die Männer nicht so sehr im Klaren. Viele Männer können sich das nicht vorstellen, dass sie besondere Fähigkeiten haben, die sie da reinbringen in diese Hospizarbeit. Da ist noch ein Informationsdefizit."
    Erkrankte Männer wünschen sich oft männliche Begleitung
    Es sind die schwer erkrankten Männer selbst, die eine männliche Begleitung wünschen. Gerade, wenn das Umfeld aus lauter Frauen besteht.
    "Manchmal ist es so, dass die kurze und knappe Art von Männern auch hilfreich ist. In manchen Situationen ist es gut, wenn auch mal ein männlicher Begleiter da ist, wenn zum Beispiel sehr viele Frauen um den schwer erkrankten Mann herum sind. Oder auch, wenn man das Gefühl hat, es geht auch um Themen, die vielleicht mal mit einem Mann einfacher zu besprechen sind."
    Ulrich Kreutzberg arbeitet im Bundesvorstand des Hospiz-und Palliativ-Verbands. Der Sozialpädagoge koordiniert selbst in Braunschweig die Hospizarbeit. Auch er plädiert für mehr Männer in der Hospizbewegung. Hospizbegleiter Lars Andersen hat die Erfahrung gemacht, dass Männer oft anders mit dem Thema Tod und Trauer umgehen.
    "Ich hatte jetzt zuletzt eine Begleitung. Und der Herr war über längere Zeit drogenabhängig und es ging ihm wirklich sehr schlecht, auch in Phasen seines Lebens. Er hatte viele Auseinandersetzungen mit seinem Vater. Sein Vater sagte dann irgendwann zu ihm: Ich glaub, das Beste wäre, wenn du dich aufhängst. Dazu sagte er dann: Das ging mir ganz schön rein. Und danach redete er gleich über etwas anderes. Das war nur so ein Satz, wo dann mal so richtig aufblinkte, wie tief ihn das getroffen hat. Es werden also nicht viele Worte gemacht von den Männern. Und man wird dann auch genau beobachtet, wie man darauf reagiert. Und dann gehen die Männer schnell zu etwas anderem über."
    Auch für pflegende Angehörige wichtig
    In der Hospizarbeit ist es ebenso wichtig, dass man pflegende Angehörige begleitet und entlastet. Männer, die ihre Ehefrau versorgen und darüber total vereinsamen, weil die Pflege das Denken so verengt, dass das eigene Wohlergehen aus dem Blickfeld gerät.
    "Wir hatten eine Begleitung, wo ein Hospiz-Begleiter einen Angehörigen ein halbes Jahr lang in seinen Hobbykeller begleitet hat. Die haben da nur gewerkelt und gebastelt, bis zum Tod der Ehefrau. Das heißt, der kam einfach einmal in der Woche ganz verlässlich zum Treffpunkt Hobbykeller. Und das war enorm entlastend für diesen pflegenden Angehörigen. Der wirklich sehr belastet war und der durch die Pflege seiner Frau kaum noch soziale Kontakte hatte. Diesen Freiraum, diese kleine Freizeitinsel hat er sich dann erlaubt, weil der Hospizler gekommen ist."
    "Es ist Unterstützung im Alltag, es ist Begleitung einer Lebensphase, die mit diesem Abschied endet, die aber nicht die ganze Zeit von Abschied spricht und daraufhin arbeitet."
    Aber wieso entscheiden sich so wenige Männer für diese wichtige Arbeit? Der Braunschweiger Hospizkoordinator Ulrich Kreutzberg sagt:
    "Sie haben, glaube ich, sehr viel Angst vor dieser vermeintlichen Schwere von Sterbebegleitung. Wir haben auch Ehrenamtliche, die gesagt haben, ja ich würde ja vielleicht was machen im Garten, aber Gäste begleiten: Ne, das will ich nicht unbedingt. Aber er hat dann den Kurs gemacht und über die Begleitungsarbeit auch mehr Zutrauen in seine Fähigkeiten bekommen und ist heute ein ganz wichtiger Begleiter für Menschen im Hospiz und auch für Männer im Hospiz ist. Da hoffe ich immer, dass unsere Männer auch in ihrem Bekanntenkreis erzählen, dass man gar nicht so viel Angst vor der Hospizarbeit haben muss, weil es darauf ankommt, dass sich die Ehrenamtlichen ja als Person und als Mensch, der sie sind, einbringen. Verbunden mit dieser hospizlichen Haltung: Du bist wichtig, was dir gut tut, ist mein Anliegen, ich höre dir gerne zu. Und wenn man das mehr deutlich macht in der Öffentlichkeit, dann kann das auch mehr Männer erreichen, die dann auch sagen: Ja, das traue ich mir doch zu."