Dienstag, 16. April 2024

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Hotel am Obersalzberg
"Kein Wallfahrtsort für Neonazis"

Am Obersalzberg steht ein Hotel mit dunkler Vergangenheit zum Verkauf. Dort übernachtete die NS-Prominenz, die Hitler in seinem Berghof besuchte. Für den Historiker Sven Keller ist wichtig, dass das Haus in verantwortungsvolle Hände kommt, damit der Obersalzberg kein Wallfahrtsort für Neonazis wird.

Sven Keller im Gespräch mit Michael Köhler | 17.02.2020
Das Hotel „Zum Türken“ am Obersalzberg, direkt neben dem Berghof, Hitlers Feriendomizil. 1933 erfolgte die Enteignung des Hotels, es wurde zum Quartier des Reichssicherheitsdienstes, der für Hitlers Personenschutz zuständig war
Das Hotel "Zum Türken" am Obersalzberg, neben dem Berghof, Hitlers einstigem Feriendomizil (Peter Kneffel/dpa)
Das Hotel "Zum Türken", das demnächst bei einer Auktion versteigert werden soll, liegt in unmittelbarer Nähe zum Berghof, dem privaten Domizil Adolf Hitlers am Obersalzberg. Dort hat Hitler etwa ein Viertel seiner Regierungszeit verbracht, wie der Historiker Sven Keller, Leiter des NS-Dokumentationszentrums Obersalzberg, im Dlf erklärte.
Damit sei der Berghof de facto der zweite Regierungssitz des NS-Staates gewesen, so Keller. Ein Ort, an dem Hitler zentrale Entscheidungen über Krieg und Völkermord gefällt habe. 1952 wurde die Ruine des Berghofes gesprengt.
Unterirdische Bunkeranlagen
Wegen der räumlichen Nähe zum Berghof bezeichnete Keller das Hotel als "problematischen Fall". Dabei verwies der Historiker auf unterirdische Verbindungen wie Bunkeranlagen, die den Obersalzberg durchzögen: kilometerlange Stollen, zu denen man vom Hotel aus einen direkten Zugang habe.
Jahrzehntelang seien die Bunkeranlagen privat betrieben worden, berichtete Keller. Gegen ein Entgelt habe man in die Bunkeranlagen hinabsteigen können, wobei sich der "Türkenbunker" in unmittelbarer Nachbarschaft zum "Berghofbunker" befinde.
Während die Gegend um den Obersalzberg noch Anfang des 20. Jahrhunderts bei Literaten und der Münchner Boheme beliebt war, wurde das Hotel "Zum Türken" laut Keller schon ab Ende der 1920er Jahre zu einer Übernachtungsstätte für NS-Prominenz. Der Wirt sei schon früh ein Sympathisant der Nationalsozialisten gewesen. Hitlers Berghof müsse man sich als "sehr kleines Berghaus" vorstellen, so Keller: "Da gibt es nicht viel Platz für Übernachtungsgäste."
Vorstoß der Landesregierung zu begrüßen
Nach Kriegsende fiel das Hotel nicht in den Besitz des Freistaates Bayern, sondern in den einer Privatfamilie, die das Haus zurückgefordert hatte. In Hinblick auf den bevorstehenden Verkauf äußerte Sven Keller den dringenden Wunsch, das Hotel "Zum Türken" möge in verantwortungsvolle Hände gelangen. Vorstöße der bayerischen Landesregierung in diese Richtung begrüßte er ausdrücklich.
Wenn das Hotel in falsche Hände geraten sollte, sieht Keller durchaus die Gefahr, dass es zu einem Anziehungspunkt für Ewiggestrige und Rechte werden könnte. Dies würde auch die Bestrebungen des Dokumentationszentrums als Lern- und Erinnerungsort konterkarieren.
Entscheidend sei also, dass das Hotel verantwortungsbewusst weiterbetrieben werde, betonte der Historiker - egal, ob in privater oder staatlicher Hand. Beides sei möglich. Am wichtigsten ist Sven Keller: Der Obersalzberg dürfe nicht wieder zu einem Wallfahrtsort für Nationalsozialisten oder Neo-Nazis werden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.