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Huber: Wir wussten nichts vom Fall Schmid

Der Fraktionschef der CSU im bayerischen Landtag hat jahrelang seine Ehefrau zu einem hohen Gehalt mit Aufträgen versorgt. Ex-CSU-Chef Erwin Huber sagt, weder er noch Ministerpräsident Horst Seehofer wussten über solche Beschäftigungsverhältnisse Bescheid.

Erwin Huber im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 26.04.2013
    Tobias Armbrüster: Knapp fünf Monate vor der bayerischen Landtagswahl hat die CSU auf einmal einen schweren Klotz am Bein. Die Partei muss erklären, warum führende Politiker in ihren Büros jahrelang Familienangehörige beschäftigt haben. Gestern ist der bayerische Fraktionschef Georg Schmid aus genau diesem Grund zurückgetreten: Seine Frau war mehr als 20 Jahre lang in seinem Büro angestellt für zuletzt mehr als 5000 Euro Brutto im Monat. Bei uns am Telefon ist jetzt der ehemalige CSU-Chef Erwin Huber. Schönen guten Morgen, Herr Huber.

    Erwin Huber: Guten Morgen.

    Armbrüster: Herr Huber, warum hat Ihre Partei dieser Art von Vetternwirtschaft jahrelang zugesehen?

    Huber: Zunächst einmal: Die Partei weiß das ja gar nicht. Jeder einzelne Abgeordnete gibt am Jahresende eine Erklärung ab und er muss natürlich auch hineinschreiben, ob da Familienangehörige beschäftigt waren. Es war so, dass bis zum Jahr 2000 das ganz normal in Bayern erlaubt war. Man hat es im Jahr 2000 beendet, alle Parteien zusammen, eine Entscheidung. Nur man hat seinerzeit gesagt, Altfälle dürfen weitergeführt werden. Das heißt, all diese Verträge sind zunächst einmal legal und keiner, der das gemacht hat, hat sich gesetzeswidrig verhalten.

    Armbrüster: Legal ja, das bestreitet, glaube ich, auch niemand. Aber es ist ja trotzdem ein System, das zum Missbrauch geradezu einlädt.

    Huber: Aber man muss jetzt zunächst einmal wissen: Diese Leute haben sich nicht illegal verhalten. Legal ja, aber ich wollte gerade dazu sagen: Das ist natürlich, glaube ich, unter den heutigen, vielleicht etwas strengeren Augen, wie man sieht, auch vom Bürger her nicht mehr vermittelbar. Weil es die Gefahr des Missbrauchs gibt, gibt es auch ganz unterschiedliche Fälle. Und wir wussten das ja auch nicht, das ist ja nicht bekannt gegeben. Als es jetzt bekannt geworden ist, es sind 17 Altfälle, ist ja auch sofort gehandelt worden binnen weniger Tage. Es sind Verträge gelöst worden, um aus diesem Missbrauchsverdacht herauszukommen. Und wir haben bereits eine Regelung eingebracht im Landtag, dass dies mit Ende dieser Legislaturperiode endet. Also diese Altfallregelung wird jetzt beendet.

    Armbrüster: Das heißt, Herr Huber, Sie wollen uns und unseren Hörern heute Morgen erklären, dass die CSU nicht darüber im Bilde war, dass Herr Schmid seine Ehefrau angestellt hat?

    Huber: Ich will niemandem etwas weiß machen. Ich möchte einfach nur die Fakten sagen. Jeder einzelne Abgeordnete ist da selber verantwortlich und gibt gegenüber dem Landtagsamt diese Erklärung ab. Ich habe beispielsweise nicht gewusst, dass es solche 17 Altfälle noch gibt. Das ist ja auch nicht veröffentlicht worden. Es ist einfach mal die Tatsache. Aber natürlich, als wir das erfahren haben - auch Seehofer beispielsweise hat das nicht gewusst -, als wir das erfahren haben, ist ja auch sofort gehandelt worden.

    Armbrüster: Das fällt mir jetzt wirklich schwer zu glauben, dass Sie und auch Herr Seehofer davon nichts gewusst haben.

    Huber: Darf ich mal sagen: Wie soll man denn das wissen? Die Regelung ist die: Jeder Abgeordnete bekommt – das ist ja gestiegen im Laufe der Jahre – jetzt bis zu 7000 Euro für die Beschäftigung von Mitarbeitern im Stimmkreisbüro. Er beantragt auch die Summe und muss am Jahresende eine Erklärung abgeben. Und zwar alles gegenüber dem Landtagsamt. Das wird weder in einer Statistik veröffentlicht, noch wird das insgesamt bekannt gegeben, sondern jeder muss dies gegenüber dem Amt selber erklären.

    Armbrüster: Und das interessiert dann in der Partei jahrelang niemanden, dass der Herr Schmid da die Frau Schmid beschäftigt hat?

    Huber: Es hat das niemand gewusst. Und deshalb ist der Verdacht, hier würde mehr oder weniger systematisch und von allen gedeckt irgendetwas betrieben, was moralisch nicht in Ordnung ist - das ist der Fehler oder die Entscheidung jedes Einzelnen, aber es ist nicht so, dass hier kollektiv Wissen darüber da war. Also es ist jetzt nicht eine Ausrede. Faktum ist, dass niemand im Landtag die Namen wusste, dass das Landtagsamt zunächst sich ja auch geweigert hat, die herauszugeben. Und dann hat man es geprüft und etwa nach vier, fünf Tagen hat man dann durch die Landtagspräsidentin auch die Namen öffentlich genannt dieser 17 Leute. Und das wird jetzt beendet.

    Armbrüster: Herr Huber, warum haben denn in den vergangenen Jahren fast ausschließlich CSU-Politiker von dieser Regelung Gebrauch gemacht?

    Huber: Es ist so: Es waren natürlich am Anfang im Jahr 2000 insgesamt 50 und es sind natürlich praktisch bei jeder Wahl weniger geworden, weil solche Altfälle natürlich auch weniger werden. Das war ja auch die Intention. Und ich muss sagen, im Jahr 2000, als man die Änderung gemacht hat, haben alle Parteien, die seinerzeit im Landtag waren, gesagt, man lässt diese Altfälle weiter zu, sie werden ja von Wahl zu Wahl weniger. Ich würde aus der heutigen Sicht sagen, es wäre klüger gewesen, dann eine Endfrist zu setzen, meinetwegen 2003 oder 2008, als die Wahlen waren. Aber zunächst einmal: Die CSU hat nicht allein diese Regelung zur Begünstigung der eigenen Abgeordneten gemacht, sondern alle.

    Armbrüster: Aber die CSU hat sie vor allem genutzt!

    Huber: CSU-Abgeordnete haben sie genutzt, nicht die Partei als System. Diese Unterscheidung ist schon wichtig. Natürlich: Wir haben jetzt zwei neue Gruppierungen drin im Landtag, Freie Wähler und FDP, die sind erst 2008 gewählt worden, die können das nicht sein. Und vor allem die SPD ist ja sehr viel kleiner geworden seit 2000. Das sage ich jetzt ohne Spott, das ist einfach nur die statistische Zahl. Ich habe mich auch gewundert, dass es 17 sind. Nur diese 17 Leute sagen, wir haben nichts Unrechtes getan. Dennoch sage ich, das ist nicht vermittelbar, und deshalb wird das beendet.

    Armbrüster: Was bedeuten diese Erkenntnisse denn jetzt für Ihre Partei fünf Monate vor der Wahl?

    Huber: Das ist natürlich nicht positiv, weil man das natürlich durchaus auch negativ darstellen kann. Denn nicht alles, was legal ist, ist auch legitim, ist verständlich zu machen. Nicht alles wird von den Bürgern auch als korrekt angesehen. Und deshalb ist es natürlich, würde ich sagen, ein Malus, fünf Monate vor der Wahl, den wir zu verkraften haben. Deshalb wird auch schnell gehandelt und das beendet.

    Armbrüster: Nicht korrekt ist eine schöne Beschreibung. Viele Beobachter haben eher den Eindruck, wir haben hier mal wieder das Bild einer selbstherrlichen CSU vor Augen, einer Partei, die sich wenig um die politischen Spielregeln kümmert, und auch von der Amigo-CSU ist auf einmal wieder die Rede.

    Huber: Dass man natürlich dann Verdächtigungen ausgesetzt wird, dass es im politischen Kampf gegen uns verwendet wird, dass es auch als Diffamierungsgegenstand gebraucht wird – Sie zitieren das ja nur -, das ist leider auch üblich im politischen Alltag. Aber das ist in dieser Form nicht gerechtfertigt. Es war das Wissen nicht da und es war legal. Und als wir das erfahren haben, ist alles getan worden, das so schnell wie möglich zu beenden. Das sind die Fakten.

    Armbrüster: Können Sie denn ausschließen, dass es weitere CSU-Landtagsabgeordnete gibt, die ähnliche Beschäftigungsverhältnisse in ihren Büros haben?

    Huber: Ich persönlich kann das nicht ausschließen, weil ich über die Informationen nicht verfüge. Ich kann nur sagen, dass das Landtagsamt offiziell erklärt hat, es sind diese 17 Fälle.

    Armbrüster: Die allerdings inzwischen alle ihre Beschäftigungsverhältnisse beendet haben? Oder gibt es die möglicherweise nach wie vor?

    Huber: Viele haben das sofort freiwillig beendet. Ich weiß es nicht, es könnte noch einige geben. Aber es wird ja auch die gesetzliche Grundlage geändert. Wir haben bereits in dieser Woche einen Gesetzentwurf eingebracht, dass diese Regelung mit Ablauf dieser Legislaturperiode, das heißt im September, beendet wird. Jetzt habe ich aber auch einen Fall: Einer der Abgeordneten hat eine langjährige Sekretärin und dessen Frau ist vor längerer Zeit verstorben. Er heiratet dann diese Sekretärin, und dann sagt er, muss ich ihr jetzt kündigen, weil sie meine Ehefrau ist, obwohl sie die gleiche Arbeit macht. Ich will jetzt nicht eine Rechtfertigungsrede halten. Ich will nur sagen: Es sind unterschiedliche Fälle, die man auch unterschiedlich bewerten muss.

    Armbrüster: Und das ist sicher ein Einzelfall. Das war live bei uns heute Morgen hier im Deutschlandfunk Erwin Huber, der ehemalige CSU-Parteivorsitzende und heutige Landtagsabgeordnete. Besten Dank, Herr Huber, für das Gespräch heute Morgen.

    Huber: Schönen Tag.


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