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Hürdenlauf zur Kasse

Internet.- Auf dem Feld der Internet-Bezahlverfahren tut sich derzeit eine Menge. PayPal will den Kreditkartenfirmen im Einzelhandel Konkurrenz machen und Square will mit einem neuen Bezahlverfahren die Kreditkartenzahlung revolutionieren. Nur eines bleibt in weiter Ferne: ein festes Bezahlsystem für das Netz.

Von Peter Welchering | 30.07.2011
    Der Online-Handel. Noch nie sind so viele Waren im Internet gekauft und dort auch bezahlt worden wie in der ersten Hälfte dieses Jahres. Das sorgt für Zufriedenheit beim Bundesverband Onlinehandel. Und auch der Branchenverband BITKOM sieht im Online-Handel noch fantastische Wachstumsmöglichkeiten. Allerdings fällt eines auf. Die meisten im Internet georderten Waren, wie zum Beispiel Bücher, Musik oder Konzertickets, werden nicht mit sogenanntem Cybergeld bezahlt, sondern mit der Kreditkarte. Der Augsburger Wirtschaftsinformatiker Dr. Key Pousttchi bewertet das skeptisch.

    "Die Frage ist nur, ob die Kreditkarte wirklich eine Lösung ist. Wenn Sie sich anschauen, dass fast 80 Prozent der Deutschen keine Kreditkarte haben, und nur ungefähr sieben Prozent der Deutschen sie mindestens einmal in der Woche benutzen, und wenn wir dann noch sehen, dass technikaffine Kunden auch häufig noch eine Kreditkarte haben, also übrig bleiben, diejenigen, die nicht technikaffin sind und keine Kreditkarte haben, dann stellen wir fest, es wird durch nichts so viel Online-Handel verhindert wie durch das Fehlen geeigneter Zahlverfahren."

    Dabei ist das Bezahlen mit der Kreditkarte eigentlich eine viel zu umständliche Angelegenheit, findet Jack Dorsey, einer der Gründer des Kurznachrichtendienstes Twitter. Er hat vor einem knappen Jahr das Bezahlsystem Square entwickelt. Square bietet eine Bezahl-App für Smartphones, die alle getätigten Käufe am Ende auch wieder über das Kreditkartenkonto abrechnet. Der Square-Kunde erhält ein kleines Lesegerät, das er über die Audiobuchse an sein Smartphone stöpselt. Das Lesegerät erfasst die Daten seiner Kreditkarte, sendet sie verschlüsselt an den zentralen Abrechnungsserver von Square, und der Käufer muss nur noch durch einen Fingertipp die Zahlung bestätigen. Prompt erhält er eine Quittung über den Bezahlvorgang via SMS oder als E-Mail.

    Jack Dorsey will damit vor allen Dingen kleinen Gewerbetreibenden und Freiberuflern helfen. Die werden von den gängigen Kreditkartengesellschaften nicht bedient und können deshalb Kreditkarten als Zahlungsmittel nicht akzeptieren. Gleichzeitig werden die Kreditkartengesellschaften vom Bezahl-Dienstleister PayPal angegriffen. Der will mit seiner Bezahl-App für Smartphones nämlich die Einzelhändler und natürlich deren Kunden von der Kreditkarte wegbringen. Das kann durchaus Erfolg versprechend sein, meint Key Pousttchi.

    "Wenn Sie vom Händler aus schauen, dann positioniert sich PayPal derzeit gerade als: 'Wir sind eine Bank, aber wir sind sehr innovativ und treffen sehr schnelle Entscheidungen, wir sind in dem Teil einem Start-up ähnlich.' Das ist natürlich für Händler sehr attraktiv, wenn sie das vergleichen mit den langwierigen Entscheidungsprozessen in der deutschen Bankenlandschaft, wo sich einzelne Institute auch nur selten alleine bewegen. Wenn Sie sich PayPal anschauen, was die im Moment so vorhaben, dann sind noch viel innovativere Strategien zu erwarten. Also von der Seite ist das etwas, wo die Banken aufpassen sollten."

    PayPal will langfristig über einen solchen Bezahldienst Kunden auch für weitere klassische Bankdienstleistungen an sich binden. Allerdings bezweifeln Vertreter des Einzelhandels, dass dieser PayPal-Dienst in den Geschäften neben dem Bezahldienst per Funkchip im Handy bestehen kann. Sie setzen stärker auf die sogenannte Near-Field-Communication, bei dem das Handy den Geldbeutel und die Kreditkarte ersetzt. Hier können die Transaktionen direkt über einen Funkchip ohne Handy-Netz in den Geschäften abgewickelt werden. Und die eigentlichen Zahlungen werden über das Handyguthaben abgewickelt. Für nicht wenige Zahlungsexperten sind das aber alles nur kleine Scharmützel. Sie setzen ihre Hoffnungen auf eine europäische Netzwährung, die von der Europäischen Zentralbank ausgegeben werden soll.

    "Eigentlich sind elektronische Münzen der richtige Weg. PayPal und alle Bezahlverfahren dieser Art sind nur der Versuch, Offline-Bezahlverfahren in die Online-Welt zu bringen. Das sind alles so Notbehelfe. Was wir eigentlich bräuchten, ist eine Währung für die Online-Welt. Wenn wir das zu Ende denken, ist das eigentlich eine Aufgabe für die Europäische Zentralbank: Der elektronische Euro. Und das wäre auch eine Chance, Europa gegenüber Amerika und Asien nach vorne zu bringen in diesem Bereich, eine der wenigen Chancen, die wir haben."

    Und auch der Branchenverband BITKOM sieht im Online-Handel noch fantastische Wachstumsmöglichkeiten.

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