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Humboldt reloaded!

Humboldt reloaded?! – unter diesem Titel hatten Studierende der Universität Leipzig zu einer Tagung eingeladen, auf der grundsätzliche Fragen des alltäglichen Studiums diskutiert und erörtert werden sollten.

Von Ulf Walther | 21.09.2009
    Freitagnachmittag im Seminargebäude der Uni Leipzig: Geschäftiges Treiben auf den Gängen des Seminargebäudes. Neben einem Obstbuffet steht eine Tafel, auf der Ideen und Gedanken von Workshops aufgeschrieben werden. Noch sind die Seminarräume leer, doch nach der Mittagspause beginnen die Workshops. Rund 50 Studierende aus ganz Deutschland sind für vier Tage nach Leipzig gekommen, um über den studentischen Alltag zu diskutieren. Verbunden mit dem Versuch, Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten. Etwa für Studierende mit Kind oder in Fragen der Studienfinanzierung. Überschrieben ist die Tagung mit dem Titel "Humboldt reloaded?!". Warum ausgerechnet dieser Titel gewählt wurde, erklärt Dorothee Riese, Sprecherin des StudentInnenrates der Uni Leipzig:

    "Humboldt wird ja immer wieder stark zitiert in der Diskussion um Bildungsideale, um Bologna-Reformen. Das war der Titel, um anzudeuten, dass es auch um eine Diskussion von Bildungsidealen geht, man sich auch in einer Umbruchphase gerade befindet mit der Studienreform und ganz neuen Grundbedingungen für das Studium."

    Ein großes Thema auf der Tagung ist die Demokratie an den Hochschulen. So wurde über die Frage diskutiert, wieweit Meinungsäußerungen der gewählten Studierendenvertreter überhaupt gehen dürfen. Johanna Völker vom StudentInnenrat der Uni Leipzig beschreibt das Problem:

    "In den Gesetzen steht zumeist drin, dass sie sich zu den Belangen der Studierenden äußern dürfen, Interessen vertreten sollen. Das stößt an seine Grenzen, weil Studierende nicht nur den Status "Studierende" haben, sondern auch Menschen sind und sich als Studierende mit ganz vielen Sachen beschäftigen, die nicht originär studentisch sind."

    Dürfen also beispielsweise gewählte Studierendenvertreter einen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan fordern? Die Diskutanten sind gespalten. Für einige gehören solche politischen Positionen, die mit Hochschulpolitik nichts zu tun haben, eher in die Arbeit politischer Parteien. Mit den Hochschulfragen seien die Studierendenvertreter schließlich genug beschäftigt. Doch Johanna Völker teilt diese Meinung nicht:

    "Es gibt die Position, dass wir gegen Rüstungsforschung sind, dagegen sind, dass Waffen produziert werden, dass Menschen diskriminiert werden, dass Menschenrechte massivst verletzt werden. Das wollen wir nicht für Studierende, das wollen wir für keinen Menschen, also fordern wir das. Und dann kann ich zwar oberflächlich nachvollziehen, dass jemand sagt, dafür habe ich die nicht gewählt, aber wenn ich weiter gucke, kann ich das nicht nachvollziehen."

    Im weiteren Verlauf der Diskussion wird es noch grundsätzlicher. Johannes Wagner, Student an der Uni Heidelberg, stellt folgende Fragen:

    "Ist die verfasste Studierendenschaft wirklich die richtige Organisationsform für studentisches Engagement? Wenn ja: Wie genau muss die verfasste Studierendenschaft überhaupt aussehen? Was genau bedeutet das eigentlich? Welche Komponenten gehören dazu, damit man von einer verfassten Studierendenschaft sprechen kann?"

    Für den Heidelberger Studenten sind diese Fragen drängend. Zwar gibt es derzeit weder in Bayern noch in Baden-Württemberg eine verfasste Studierendenschaft. Doch das könnte sich bald ändern. An der Uni Heidelberg gibt es Bestrebungen seitens der Unileitung, den Studierenden trotz fehlender Regelungen im Landeshochschulgesetz Mitbestimmungsrechte und finanzielle Hoheit zu gewähren. Jonathan Nowak, Student an der Uni Freiburg, hofft, dass dies bald auch auf Landesebene passiert:

    "Es ist so, dass jetzt seit einiger Zeit es viele Parteien gibt, die auf Landesebene immer mal wieder versucht haben, die entsprechenden Entwürfe einzubringen. Und vielleicht gibt es so als fernen "Ausblick" auch schon die Landtagswahlen 2011, bei denen dieses Thema durchaus eine Rolle spielen könnte."

    Die gesammelten Gedanken und Argumente der Workshops werden in einigen Wochen in einer Broschüre veröffentlicht und sollen so bundesweit eine Diskussionsgrundlage bieten für weitere Reformen.