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Hymnen-Singen bei der Fußball-WM
Schräge Töne

Manche Spieler stehen nur da und bewegen höchstens stumm die Lippen, andere tun nicht mal das: Um das gemeinsame Singen der Nationalhymne gibt es seit einigen Jahren regelmäßig Streit, besonders wenn die Nicht-Sänger Mesut Özil oder Jerome Boateng heißen. Dabei hat das Nicht-Singen eine lange Tradition.

Von Matthias Dell | 17.06.2018
    Die Nationalspieler Mesut Özil, Jerome Boateng und Shkodran Mustafi vor dem Spiel Deutschland-Ukraine, EM 2016
    Die Nationalspieler Mesut Özil, Jerome Boateng und Shkodran Mustafi vor dem Spiel Deutschland-Ukraine, EM 2016 (picture alliance / dpa / Marius Becker)
    Spieler wie Özil, Khedira oder Boateng bewegen ihre Lippen nicht. Möglicherweise sogar nachvollziehbaren Gründen: Als Kinder nicht-deutscher Eltern ist für sie kein Platz in einem von globalisierter Realität überholten Konzept. Der schlichte Nationalismus einer Hymne aus dem 19. Jahrhundert erzählt einem Ilkay Gündogan einfach nichts über sein interkulturelles Leben im Jahr 2018 zwischen türkischem Elternhaus, deutscher Sozialisation und englischem Arbeitsplatz.
    Die deutsche Mannschaft während der Nationalhymne, Frankfurt am Main 1986 (l-r): Lothar Matthäus, Felix Magath, Frank Mill, Olaf Thona, Andreas Brehme, Matthias Herget, Wolfgang Rolff, Dietmar Jacobs, Hans-Peter Briegel, Harald _Ton_Schumacher, Karl-Heinz Rummenigge. |
    Die deutsche Nationalmannschaft während der Nationalhymne, Frankfurt am Main 1986 (picture alliance / dpa)
    Andererseits können vielleicht manche Spieler besonders gut Fußball spielen, mit ihren sängerischen Qualitäten ist es jedoch nicht zum Besten bestellt und ihr Motiv ist deshalb schlichtweg: stilvolle Zurückhaltung. Die Nationalhymnen ertönen aus zeremoniellen Gründen vor Fußball-Länderspielen. Singen verbindet und stiftet Gemeinschaftsgefühle, um die es ja gehen soll in einer Fussballmannschaft. Doch betrachtet man die deutschen Turniere der letzten Jahrzehnte, zeigt sich ein ganz anderes Bild. Bis in die 90er Jahre hinein lauschten die deutschen Spieler eher ihre Hymne, als dass sie selbst mitsangen. Aber auch seit das Mitsingen zum kollektiven Standard geworden ist, treffen die wenigsten den Ton so gut wie den Ball.