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"Ich betrachte diesen Kompromiss als faire Angelegenheit"

Grüne und SPD haben sich darauf geeinigt, die Bürger über die Zukunft des Bahnprojektes Stuttgart 21 entscheiden zu lassen. Das nötige Quorum liegt bislang bei 33 Prozent - und soll nun per Verfassungsänderung gesenkt werden.

Winfried Hermann im Gespräch mit Gerd Breker | 21.04.2011
    Gerd Breker: Grüne und SPD in Baden-Württemberg wollen per Volksabstimmung über die Zukunft des umstrittenen Bahnprojekts Stuttgart 21 entscheiden lassen. Darauf einigten sich die Parteien bei ihren Koalitionsverhandlungen gestern in Stuttgart. Heute gingen diese Koalitionsverhandlungen weiter, während die Union an ihrer Niederlage knabbert und verzweifelt den Neuanfang sucht. Am Telefon sind wir nun verbunden mit Winfried Hermann. Er ist Vorsitzender des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestages und von den Grünen. Guten Tag, Herr Hermann.

    Winfried Hermann: Guten Tag!

    Breker: Herr Hermann, Sie tragen den Kompromiss von Stuttgart mit?

    Hermann: Ja selbstverständlich! Ich habe ihn ja mit ausgehandelt und: Ich betrachte diesen Kompromiss als faire Angelegenheit. Beide Seiten mussten nachgeben, beide Seiten haben den anderen jeweils auch was zugemutet, aber in der Summe können wir sagen, wir haben unser Wahlversprechen damit eingelöst, dass wir die Bevölkerung entscheiden lassen wollen, dass wir möglichst faire Bedingungen haben wollen, und wir haben auch deutlich gemacht, dass wir die Kosten auf den Tisch legen wollen und dass wir den Stresstest von Anfang an und ganz transparent begleiten wollen.

    Breker: Bleiben wir noch erst mal bei dem Volksentscheid, den es im Oktober geben soll. Das Quorum liegt mit 33 Prozent sehr hoch. Halten Sie das für erreichbar?

    Hermann: Das ist in der Tat sehr hoch. Deshalb haben wir uns ja auch verständigt, dass wir zuvor einen Anlauf nehmen, die Verfassung zu ändern, damit dieser Volksentscheid leichter gemacht wird. Sollte die CDU bei ihrer sturen Haltung bleiben, dann ist allerdings die Latte sehr hoch gelegt und dann heißt es, dann muss die Bürgergesellschaft zeigen, wie wichtig ist die Entscheidung zu Stuttgart 21. Und wir werden natürlich auch als Landesregierung alles tun. Beide Parteien haben sich dazu verpflichtet, dass es nicht am Quorum scheitert, sondern dass wir mobilisieren, dass die Bevölkerung tatsächlich entscheidet und dass am Ende auch nicht sozusagen am Quorum die Entscheidung scheitert.

    Breker: Sie wollen das Quorum senken, Herr Hermann. Halten Sie das demokratisch für legitim, im Nachhinein das Quorum zu senken, damit Sie leichter erreichen können, was Sie politisch erreichen wollen?

    Hermann: Na Entschuldigung! Nicht im Nachhinein, sondern die neue Koalition beginnt ja jetzt erst und sie hat im Koalitionsvertrag unabhängig von Stuttgart 21 den Anspruch formuliert, dass wir mehr Bürger beteiligen wollen, dass wir die unglaublich hohen Quoren in Baden-Württemberg senken wollen, denn in Baden-Württemberg sind die Quoren in der Bundesrepublik im Vergleich am höchsten. Das macht Sinn und das ist durchaus berechtigt, dass man das natürlich vorher, vor dieser wichtigen Entscheidung versucht.

    Breker: Wenn Sie mit dem Volksentscheid scheitern sollten, dass Stuttgart 21 gebaut werden müsste, würden Sie auch das mittragen?

    Hermann: Wir Grünen haben immer gesagt, dass wir uns natürlich dem Votum der Bevölkerung stellen. Sonst brauchen wir die Bevölkerung nicht fragen, wenn man anschließend ohnehin macht, was man vorher vor gehabt hat. Das ist klar. Wenn jetzt öffentlich der Anschein erweckt wird, dass das in Frage gestellt wird, etwa das Zitat von Oberbürgermeister Palmer, was in Ihrer Anmoderation war, dann bezieht sich das darauf, dass es ja auch einen Extremfall geben kann, dass eine große Mehrheit der Bevölkerung das Projekt ablehnt und am Quorum knapp scheitert. Was ist dann? Und da sagt die SPD in den Verhandlungen, darüber reden wir nicht, darüber machen wir keine Verabredung, sondern dann gilt eben das als nicht entschieden. Und wir Grünen haben darauf hingewiesen, dass das ein Politikum sei und dass man da wohl darüber diskutieren müsse. Das wollte allerdings die SPD nicht zugestehen.

    Meurer: Anders als Herr Palmer würden Sie für ein Ministeramt in Stuttgart zur Verfügung stehen?

    Hermann: Also zunächst mal muss man sagen, heute wird der Koalitionsvertrag endgültig zu Ende verhandelt. Es gibt ja noch einige Klippen zu nehmen bei den Finanzierungsfragen, da gibt es noch einige Probleme, und auch einige strittige Punkte in anderen Feldern. Und dann wird der Ministerpräsident mit dem zukünftigen stellvertretenden Ministerpräsidenten überhaupt erst darüber reden, welches Ministerium bekommt welche Seite, wie werden sie zugeschnitten, und danach werden sich die Personalfragen stellen. Mehr kann ich dazu im Moment nicht sagen.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das Winfried Hermann, der Vorsitzende des Verkehrsausschusses und Bündnis-Grüner. Herr Hermann, ich danke Ihnen sehr für dieses Gespräch.

    Hermann: Ich danke Ihnen auch.