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"Ich bin ein Sit-up-Comedian"

Der Schweizer Kabarettist Emil Steinberger hat sein letztes Bühnenprogramm "Feuerabend" vor 25 Jahren aufgeführt. Jetzt betätigt er sich als "Sit-Up-Comedian" und präsentiert mit "Drei Engel" ein Programm, dass man auch als gemächliche Schweizer Alternative zu den Poetry-Slammern und der Lesebühnenszene verstehen könnte.

Von Fabian Elsäßer | 14.02.2012
    Fabian Elsäßer: Als was sehen Sie sich denn eigentlich? Als Schauspieler oder eher Humorist, Komödiant, Kabarettist oder mögen Sie solche Einordnungen sowieso nicht?

    Emil Steinberger: Ja man kann es eigentlich nicht einordnen. Auf der einen Seite muss man eigentlich sagen, ich bin ein Ein-Mann-Duo, weil "Der Emil" ja mit dabei ist, der ist vielleicht verantwortlich für die Mimik, und der Steinberger ist für die Texte verantwortlich. Und so haben wir ein gutes Zusammenspiel. Und das funktioniert sehr gut. Schon früher hat man mich immer gefragt, sind Sie Clown, sind Sie Komiker, sind Sie Kabarettist und so, und am Schluss hab ich immer gesagt - ich bin einfach Emil.

    Elsäßer: Früher, in den 70er-Jahren, hat die Figur ja eher bestimmte Rollen eingenommen oder kleine Einakter zu Situationen vorgespielt.

    Steinberger: Jaja, das kann man gar nicht vergleichen. Es war wirklich früher so ein Kabarettprogramm mit Nummern, mit Blackout sogar nach den Nummern. Und dann wieder umziehen, mit einem neuen Kleid kommen, und so weiter. Das ist ja fast eine Frechheit, was ich jetzt mache, dass ich das alles weglasse und wirklich nur noch die Erzählkunst, wenn man das so nennen darf, einfach walten lasse. Eigentlich bin ich nicht ein Stand-Up-Comedian, sondern ein Sit-Up-Comedian, der einfach sitzt statt steht. Aber es sind dann doch andere Geschichten, als sie die Comedians jeweils erzählen auf der Bühne, es sind wirklich Erlebnisse. Teilweise sind es ja auch skurrile Erlebnisse, die ich da erzählen darf und kann. Die Leute glauben mir oft die Geschichten nicht, und da muss ich dann eben mit einem Handzeichen den Wahrheitsgehalt unterstreichen.

    Elsäßer: Es sind aber nicht nur biografische Erlebnisse, die Sie schildern, es ist auch immer ein bisschen ein Schweizbild, zumindest, wenn Sie in Deutschland auftreten.

    Steinberger: Jaaaa, oft finden die Leute in Deutschland, ja, genau so sind die Schweizer, so reden die, die sind ja so langsam, bis sie sich entscheiden können und so weiter. Wir sind da schon immer im Kreuzfeuer der Kritik.

    Elsäßer: Aber Sie machen sich eigentlich über niemanden lustig, oder?

    Steinberger: Ich erzähl ab und zu schon, wie sich Leute benehmen, sei es im Zug oder irgendwo. Ich kopiere die Leute. Mir hat auch schon jemand gesagt, ''Eigentlich müssten Sie uns Urheberrechtgebühren bezahlen, denn Sie übernehmen unsere Sprache, unsere Sätze, so wie wir reden im Leben - Sie kopieren uns ja!' Und das stimmt, ja.
    Elsäßer: Aber Bösartigkeit ist in dieser Figur des Emil wirklich nicht angelegt.

    Steinberger: Ich kann das nicht. Es ist das genau Gleiche, wenn Leute mir sagen, Herr Steinberger, es ist so schön, Sie gehen nie unter die Gürtellinie, nie, und das finden wir ganz toll. Und dann denk' ich mir immer, ich kann das gar nicht, ich komme gar nicht in die Versuchung, so etwas zu schreiben. Ich weiß nicht, was los ist, aber ich brauche das nicht, und bösartig bin ich eigentlich auch nie. Das stimmt. Ab und zu hat's zwar schon Frauen gegeben, die mir gesagt haben, ich sei etwas frauenfeindlich. Da bin ich erschrocken. Was? - 'Ja, immer wenn's um eine komische Szene geht, beim Steuerformular ausfüllen oder beim Skilehrer auch wieder, da ist die Frau die Dümmste von allen, die da den Hang herunterfahren.' Also, man kann's natürlich auch drehen, wie man will.

    Elsäßer: Aber das waren jetzt Beispiele aus alten Programmen, die Sie nicht mehr spielen.

    Steinberger: Ja, das stimmt. Da war ich etwas spitzer und vielleicht unüberlegter. Man hat's einfach um der Gags willen so geschrieben. Aber es ist nicht von innen heraus, dass ich ein böser Mensch oder gegen Frauen wäre.

    Elsäßer: Noch einmal zu Ihrem "Sit-Up"-Comedian. Ein Mann, ein Tisch, ein Glas Wasser. Haben Sie sich denn jemals beschäftigt mit Poetry-Slammern, der Lesebühnenszene, wo es wirklich darum geht, Texte vorzulesen?

    Steinberger: Natürlich. Sensationell! Sensationell! Es ist eine tolle Sparte, die machen das sehr gut. Es ist lustig, dass die lesen, die nehmen sich die Freiheit, das zu lesen. Stört mich überhaupt nicht. Das Tempo, der Rhythmus, auch die Inhalte sind absolut Spitze. Aber die gehen auch nicht unter die Gürtellinie.

    Elsäßer: Trotz Ihrer fast schon jugendlichen Vitalität kann man sich fragen. Ist Emil jetzt allmählich bühnenmüde, oder machen Sie das jetzt einfach so lange weiter, wie Sie Lust haben?

    Steinberger: Ich glaube, es passiert bei mir immer umgekehrt. Ich mache etwas so lange, bis etwas Neues auftaucht, dass ebenso interessant oder lustig sein könnte. Und in so einer Phase bin ich im Moment. Wir schreiben an einem Filmdrehbuch, es kommen Ideen für Dokumentarfilme, und so weiter. Ich habe fast das Gefühl, dass es einfach irgendwann mal abgelöst wird.

    Elsäßer: Film und Drehbücher, Dokumentarfilmer - ist das eine neue Facette an Emil Steinberger, oder haben Sie sich damit schon früher beschäftigt?

    Steinberger: Ja, ich führte ja früher mal zwei Kinos in der Schweiz, die ich programmiert habe. Ich war immer interessiert an Filmen, habe aber auch eine Riesenachtung vor Filmarbeit. Das ist Kunst und das muss fast erlernt werden. Ich bin da angewiesen auf gute Fachleute. Meine Frau und ich, wir haben fast drei Jahre an einem Drehbuch geschrieben, das jetzt in die Hand eines Produzenten geht. Jetzt kommen natürlich sofort Änderungsvorschläge, der Lektor will dies und das ändern. Man ist jetzt also wieder in einer Phase des Überarbeitens, ein langwieriger Prozess. Das soll es auch sein, denn es ist Hohe Schule einen Film zu machen.

    Elsäßer: Dabei geht es aber nicht um Emil, sondern um eine erfundene Geschichte mit anderen Figuren?

    Steinberger: Es wird eine erfundene Geschichte sein. Aber ich spiel schon irgendwie ... eine Hauptrolle. Ja, das muss schon sein.

    Elsäßer: Ist es Emils größtes Lebensziel, Vergnügen zu schaffen oder selber zu haben?

    Steinberger: Als ich einmal eine kleine Bilanz gemacht habe auf einem Papier, habe ich plötzlich festgestellt, es ist eigentlich schon lustig, aber alles was ich mache, dient den Menschen, dass Sie sich unterhalten können. Ich habe ein Kino, ein Kleintheater gegründet, ich habe früher Kabarett gemacht und so weiter, gut dann gab's Berufe dazwischen, die nicht so unterhaltend waren, logisch. Aber dann wieder: Zirkus, Roncalli, Film, jede Station hat etwas damit zu tun, Menschen zu unterhalten, und das finde ich eigentlich auch schön.

    Elsäßer: Herr Steinberger, vielen Dank für das Gespräch.

    Steinberger: Ich danke für die Zeit, die Sie mir gewidmet haben!