Fabian Elsäßer: Jürg Kienberger, Sie sind einer der Preisträger des Salzburger Stiers 2012. Das ist ein sehr renommierter Kabarettpreis, anders kann man’s nicht sagen, oder auch Kleinkunstpreis – was war das für ein Gefühl – blöder Satz, aber: Was war das für ein Gefühl, den zu bekommen?
Jürg Kienberger: Ja, so 'n bisschen ungewohnt, weil ich mich jetzt nicht als Kabarettisten speziell bezeichnen möchte. Ich mache viel Theater, und da kommt so ein Kleinkunstpreis ein bisschen überraschend, aber ich nehme den sehr gerne in Empfang.
Elsäßer: Ist das auch eine Ausnahme in Ihrer Karriere, dass Sie mal so wahrgenommen werden, wie Sie eigentlich wahrgenommen werden sollten?
Kienberger: Ach, so ein paar kleine Preise gab’s. Aber ich falle eigentlich immer so zwischen den Sparten durch. Aber ich habe schon auf 22 Preisverleihungen Musik gemacht! Also, für Kollegen, die Preise gewonnen haben, da fragt man dann: "Ach der Kienberger, das wär ganz toll, der macht das immer so toll".
Elsäßer: Es ist bei Ihrem Lebenslauf ja schwer zu durchschauen: Sind Sie jetzt Schauspieler oder eher Musiker? Es kommt ja alles bei Ihnen zusammen. Was war zuerst da?
Kienberger: Zuerst war die Musik da. Als Kind habe ich Klavier gelernt, aber so ab 16 habe ich keinerlei Musikunterricht oder Gesangsstunde oder Schauspielunterricht genossen. Das ist alles so passiert. Ich bin eigentlich Autodidakt in dem Beruf. Ich habe Germanistik studiert und das dann zugunsten einer Schauspieltätigkeit abgebrochen.
Elsäßer: Man sagt auch, Sie seien "Der Leiseste unter den Leisen". Braucht man Entschleunigung, um das zu verstehen, was Sie machen?
Kienberger: Ja, im besten Fall lässt man sich mitentschleunigen durch mein Tempo, was für Kabarettisten ein ungewohnt langsames ist. Ich leiste mir große Pausen, und das ist für Radiozuhörer manchmal schwierig. Deshalb muss man eigentlich zuschauen können, wenn ich musiziere. Dann hält man das aus und lässt sich infizieren durch dieses eigenartig unmoderne, langsame Tempo.
Elsäßer: Finden Sie das selber wirklich unmodern, oder hat man Ihnen das nur gesagt?
Kienberger: Nein, es ist unmodern. Weil ich eine Ausnahmeerscheinung bin. Aber es hat auch was Anarchisches.
Elsäßer: Vielleicht kann man auch sagen: Völlig unberechenbar, wenn man so zuguckt. Da lassen Sie nachgebaute Kuchen herumgehen, in die Gesteins-Brocken eingeschlagen sind. Mit großem Ernst, so als würde es Sie persönlich verletzen oder Ihnen fast schon physische Schmerzen bereiten, wenn diesen Artefakten etwas zustoßen würde. Das sind so Momente, wo man denkt: "Was will er mir jetzt eigentlich damit sagen?"
Kienberger: Jaja. Das ist mir eigen, dass ich das halt ernst nehme. Ich spiele dann nicht so sehr mit diesen Pausen, die passieren, wirklich. Aber ich habe sie schon im Griff. Es ist auch ein Trick dabei, ohne dass ich mir da groß Mühe geben muss, um die Leute zu fesseln. Wenn die nie wissen: Wann flippt er jetzt doch dann ab und zu aus? Das hat diesen kleinen Abgrund manchmal.
Elsäßer: In Abgründe kann man auch blicken, wenn man Ihre Bienengeschichten hört, Ihre Personifizierung eines traurigen, kurzen Drohnenlebens. Ist das auch nur wieder ein Beispiel für Skurrilität?
Kienberger: Es ist so: Wir haben wilde Bienen bei uns in der Garage, die wohnen wirklich da. Und wir beobachten die Tiere, und so habe ich mit meiner Frau dann entschieden, ein Programm zu machen. Es heißt "Ich Biene - ergo summ", über das Leben und Sterben der Bienen. Und da das Bienensterben gerade so aktuell war, fand ich das umso gescheiter, dem einen Abend zu widmen, diesem interessanten Lebewesen.
Elsäßer: Aber es ist jetzt kein ökologischer Rettungsschrei, den Sie da quasi formulieren? Denn: Das könnte man ja so machen.
Kienberger: Ja, das soll so mitschwingen. Aber ich will da nicht belehren: "Passt mal auf, was tut Ihr mit der Umwelt". Das soll mitspielen, aber es soll eigentlich ein Abend sein über das Leben und Sterben. Über das Leben eigentlich – ist es auch. Ich sterbe zwar - als personifizierter Drohne sterbe ich nach dem Hochzeitsflug, aber ich singe ja dann sofort wieder.
Elsäßer: Und wenn Sie singen, stellt man fest, dass Sie sich gerne bei recht kapriziösen Songvorlagen aus der Popgeschichte bedienen, die stimmliche Athletik fast schon erfordern. Queen, Bee Gees zum Beispiel. Da kann man kaum glauben, dass das autodidaktisch ist, was Sie mit Ihrer Falsett- und Kopfstimme machen. Da braucht man doch eine Opernsängerausbildung, oder?
Kienberger: Nein, hatte ich wirklich nicht. Das ist ein Glück, dass das so funktioniert, und dass das auch mit 53 noch so rein und klar rüberkommt. Da dachte ich so vor zehn Jahren schon: Das hört dann langsam auf und dann wackelt’s wie bei den älteren Damen.
Elsäßer: Aber Countertenor hätten Sie nicht werden wollen, da würde Ihnen dann was fehlen, wenn Sie nur gesungen hätte.
Kienberger: Ja. Und diese Belastung, dauernd mit Schal da rum, und nie im Durchzug und Tee trinkend, die Stimme als dein einziges Instrument - das wäre mir denn doch zu heikel.
Elsäßer: Sie sagten gerade, Sie würden keine belehrende Botschaft in Ihrem Programm haben wollen. Ist das vielleicht generell eine Eigenheit von Schweizer Kleinkunst, Kabarett – wie immer man es jetzt nennen möchte, dass sie nicht so unbedingt politisch konkret wird?
Kienberger: Das kann sein, aber ich kenne mich eigentlich in der Szene gar nicht so aus. Ich kenne meine beiden Ehrenpreisträgerkollegen, Emil Steinberger und Franz Hohler. Die kenne ich gut, weil die halt auch schon älter sind. Und grad so ein Emil, da kann man in seinen frühen Figuren, die er darstellt, nicht wirklich von Politik ausgehen. Und durch die feine Beobachtung dieser Figuren wird es dann doch politisch.
Elsäßer: Oder zumindest beschreibt es etwas Gesellschaftliches.
Kienberger: Ja, ja, man kann sich identifizieren, mit diesen Figuren, und gerade so Scheiterer, die werden eigentlich durch die schweizerische Art noch ein bisschen feiner beobachtet und vielleicht nicht so gemolken. Im Sinne von: Was gibt die Figur noch her? Was wäre noch ein Lacher? Da sind wir vorsichtiger - vielleicht.
Elsäßer: Trifft das auch auf das zu, was Sie machen? Also dieses Vorsichtige, auch mal den Ton einfach stehen lassen und jetzt vielleicht nicht unbedingt noch eine Wortpointe hinterher, sondern nur eine Geste?
Kienberger: Ja, auf jeden Fall. Das möchte ich gerne ab und zu weglassen, diese Pointen! Ich bin kein Pointen-Mensch. Aber durchaus darauf aus, dass man da was eigenartig Lustiges dann schon mitbekommt als Zuhörer und -schauer.
Weiter Infos:
"Ich Biene - ergo summ" - Kienberger Solo-Programm
Jürg Kienberger: Ja, so 'n bisschen ungewohnt, weil ich mich jetzt nicht als Kabarettisten speziell bezeichnen möchte. Ich mache viel Theater, und da kommt so ein Kleinkunstpreis ein bisschen überraschend, aber ich nehme den sehr gerne in Empfang.
Elsäßer: Ist das auch eine Ausnahme in Ihrer Karriere, dass Sie mal so wahrgenommen werden, wie Sie eigentlich wahrgenommen werden sollten?
Kienberger: Ach, so ein paar kleine Preise gab’s. Aber ich falle eigentlich immer so zwischen den Sparten durch. Aber ich habe schon auf 22 Preisverleihungen Musik gemacht! Also, für Kollegen, die Preise gewonnen haben, da fragt man dann: "Ach der Kienberger, das wär ganz toll, der macht das immer so toll".
Elsäßer: Es ist bei Ihrem Lebenslauf ja schwer zu durchschauen: Sind Sie jetzt Schauspieler oder eher Musiker? Es kommt ja alles bei Ihnen zusammen. Was war zuerst da?
Kienberger: Zuerst war die Musik da. Als Kind habe ich Klavier gelernt, aber so ab 16 habe ich keinerlei Musikunterricht oder Gesangsstunde oder Schauspielunterricht genossen. Das ist alles so passiert. Ich bin eigentlich Autodidakt in dem Beruf. Ich habe Germanistik studiert und das dann zugunsten einer Schauspieltätigkeit abgebrochen.
Elsäßer: Man sagt auch, Sie seien "Der Leiseste unter den Leisen". Braucht man Entschleunigung, um das zu verstehen, was Sie machen?
Kienberger: Ja, im besten Fall lässt man sich mitentschleunigen durch mein Tempo, was für Kabarettisten ein ungewohnt langsames ist. Ich leiste mir große Pausen, und das ist für Radiozuhörer manchmal schwierig. Deshalb muss man eigentlich zuschauen können, wenn ich musiziere. Dann hält man das aus und lässt sich infizieren durch dieses eigenartig unmoderne, langsame Tempo.
Elsäßer: Finden Sie das selber wirklich unmodern, oder hat man Ihnen das nur gesagt?
Kienberger: Nein, es ist unmodern. Weil ich eine Ausnahmeerscheinung bin. Aber es hat auch was Anarchisches.
Elsäßer: Vielleicht kann man auch sagen: Völlig unberechenbar, wenn man so zuguckt. Da lassen Sie nachgebaute Kuchen herumgehen, in die Gesteins-Brocken eingeschlagen sind. Mit großem Ernst, so als würde es Sie persönlich verletzen oder Ihnen fast schon physische Schmerzen bereiten, wenn diesen Artefakten etwas zustoßen würde. Das sind so Momente, wo man denkt: "Was will er mir jetzt eigentlich damit sagen?"
Kienberger: Jaja. Das ist mir eigen, dass ich das halt ernst nehme. Ich spiele dann nicht so sehr mit diesen Pausen, die passieren, wirklich. Aber ich habe sie schon im Griff. Es ist auch ein Trick dabei, ohne dass ich mir da groß Mühe geben muss, um die Leute zu fesseln. Wenn die nie wissen: Wann flippt er jetzt doch dann ab und zu aus? Das hat diesen kleinen Abgrund manchmal.
Elsäßer: In Abgründe kann man auch blicken, wenn man Ihre Bienengeschichten hört, Ihre Personifizierung eines traurigen, kurzen Drohnenlebens. Ist das auch nur wieder ein Beispiel für Skurrilität?
Kienberger: Es ist so: Wir haben wilde Bienen bei uns in der Garage, die wohnen wirklich da. Und wir beobachten die Tiere, und so habe ich mit meiner Frau dann entschieden, ein Programm zu machen. Es heißt "Ich Biene - ergo summ", über das Leben und Sterben der Bienen. Und da das Bienensterben gerade so aktuell war, fand ich das umso gescheiter, dem einen Abend zu widmen, diesem interessanten Lebewesen.
Elsäßer: Aber es ist jetzt kein ökologischer Rettungsschrei, den Sie da quasi formulieren? Denn: Das könnte man ja so machen.
Kienberger: Ja, das soll so mitschwingen. Aber ich will da nicht belehren: "Passt mal auf, was tut Ihr mit der Umwelt". Das soll mitspielen, aber es soll eigentlich ein Abend sein über das Leben und Sterben. Über das Leben eigentlich – ist es auch. Ich sterbe zwar - als personifizierter Drohne sterbe ich nach dem Hochzeitsflug, aber ich singe ja dann sofort wieder.
Elsäßer: Und wenn Sie singen, stellt man fest, dass Sie sich gerne bei recht kapriziösen Songvorlagen aus der Popgeschichte bedienen, die stimmliche Athletik fast schon erfordern. Queen, Bee Gees zum Beispiel. Da kann man kaum glauben, dass das autodidaktisch ist, was Sie mit Ihrer Falsett- und Kopfstimme machen. Da braucht man doch eine Opernsängerausbildung, oder?
Kienberger: Nein, hatte ich wirklich nicht. Das ist ein Glück, dass das so funktioniert, und dass das auch mit 53 noch so rein und klar rüberkommt. Da dachte ich so vor zehn Jahren schon: Das hört dann langsam auf und dann wackelt’s wie bei den älteren Damen.
Elsäßer: Aber Countertenor hätten Sie nicht werden wollen, da würde Ihnen dann was fehlen, wenn Sie nur gesungen hätte.
Kienberger: Ja. Und diese Belastung, dauernd mit Schal da rum, und nie im Durchzug und Tee trinkend, die Stimme als dein einziges Instrument - das wäre mir denn doch zu heikel.
Elsäßer: Sie sagten gerade, Sie würden keine belehrende Botschaft in Ihrem Programm haben wollen. Ist das vielleicht generell eine Eigenheit von Schweizer Kleinkunst, Kabarett – wie immer man es jetzt nennen möchte, dass sie nicht so unbedingt politisch konkret wird?
Kienberger: Das kann sein, aber ich kenne mich eigentlich in der Szene gar nicht so aus. Ich kenne meine beiden Ehrenpreisträgerkollegen, Emil Steinberger und Franz Hohler. Die kenne ich gut, weil die halt auch schon älter sind. Und grad so ein Emil, da kann man in seinen frühen Figuren, die er darstellt, nicht wirklich von Politik ausgehen. Und durch die feine Beobachtung dieser Figuren wird es dann doch politisch.
Elsäßer: Oder zumindest beschreibt es etwas Gesellschaftliches.
Kienberger: Ja, ja, man kann sich identifizieren, mit diesen Figuren, und gerade so Scheiterer, die werden eigentlich durch die schweizerische Art noch ein bisschen feiner beobachtet und vielleicht nicht so gemolken. Im Sinne von: Was gibt die Figur noch her? Was wäre noch ein Lacher? Da sind wir vorsichtiger - vielleicht.
Elsäßer: Trifft das auch auf das zu, was Sie machen? Also dieses Vorsichtige, auch mal den Ton einfach stehen lassen und jetzt vielleicht nicht unbedingt noch eine Wortpointe hinterher, sondern nur eine Geste?
Kienberger: Ja, auf jeden Fall. Das möchte ich gerne ab und zu weglassen, diese Pointen! Ich bin kein Pointen-Mensch. Aber durchaus darauf aus, dass man da was eigenartig Lustiges dann schon mitbekommt als Zuhörer und -schauer.
Weiter Infos:
"Ich Biene - ergo summ" - Kienberger Solo-Programm