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"Ich bin nur ein Bild, das um die Welt geht"

"Eine neue Duse werde ich nie", stellte Ginger Rogers einst selbstkritisch fest. Und doch schaffte sie es ohne Schauspiel-, Tanz- oder Gesangsausbildung, eine der erfolgreichsten Hollywood-Schauspielerinnen zu werden - und dabei bescheiden zu bleiben.

Von Cornelis Hähnel | 16.07.2011
    Geboren wurde sie am 16. Juli 1911 in Independence, Missouri, als Virginia Katharine McMath. Bereits mit 14 Jahren tourte sie mit Vaudeville-Shows, einer spezifisch amerikanischen Art des Variétes durch die USA. Ihre Mutter Lela fungierte dabei, wie noch viele Jahre später, als ihre Managerin. Mit 18 Jahren ging sie nach New York und feierte im Musical "Girl Crazy" erste Erfolge am Broadway. Die Musik stammte von George Gershwin, mit dem sie seitdem eine enge Freundschaft verband.
    1930 pendelte sie zwischen dem Broadway und Hollywood. Tagsüber stand sie vor der Kamera, abends auf der Bühne. Doch die Doppelbelastung forderte eine Entscheidung und Ginger Rogers wählte Hollywood. 1933 drehte sie bereits ihren 20. Film, das Musical "Flying down to Rio". Ihr Partner war erstmals Fred Astaire. Es war sein zweiter Film, er konnte von Ginger profitieren. Ein Traumpaar war geboren - Ginger and Fred. Es folgte die platonischste Leinwandromanze aller Zeiten: In all den Jahren küssen sie sich nur ein Mal. Alles andere symbolisierte der Tanz.

    "I'm glad that you dropped in!" "I dropped off, from the room below where I've been trying to get some sleep." Oh, I'm sorry, I didn't realise I was disturbing you. You see every once in a while I suddenly find myself dancing" "Oh, I suppose it's some kind of affliction." Yes, it is an affliction. Surbides Dance" "And it only occures at this time of night" "Yes, it only occures at this time of night."

    Bis 1939 drehten Ginger Rogers und Fred Astaire neun Filme zusammen, darunter "Top Hat – Ich tanz mich in dein Herz hinein", von Mark Sandrich. Top Hat gilt noch immer als der Höhepunkt ihres gemeinsamen Schaffens. Sie zählten zu den größten Publikumsmagneten ihrer Zeit. Weltweit, nur nicht in Deutschland. Aufgrund der nationalsozialistischen Filmpolitik kam während dieser Zeit kein einziger Film des Paares in die deutschen Kinos.

    Im Vergleich zu Astaire erhielt Ginger Rogers eine viel geringere Gage. Erfolgreich kämpfte sie für eine ebenbürtige Bezahlung und wurde 1945 durch ihr Geschick als Geschäftsfrau zur meistverdienenden Frau der USA und stand auf Platz Acht der Großverdiener-Rangliste. Sie sorgte aber nicht nur für sich. Sie setzte sich für bessere Drehbücher und für eine bessere Behandlung von Frauen am Set ein - und sie gründete das "Hollywood Playhouse", um den Schauspielnachwuchs zu unterstützen.

    Der Komikzeichner Bob Thaves sagte einmal über Fred Astaire:

    "Sicher, er war gut, aber vergessen sie nicht, dass Ginger Rogers dasselbe gemacht hat wie er – nur rückwärts und mit Absätzen!"
    Auch wenn sie Tanz und Musical liebte, Ginger Rogers wollte mehr verkörpern als nur die "Frau des Hauptdarstellers". 1937 drehte sie die Tragikomödie "Stage Door". Der Erfolg des Films bestätigte Rogers in ihren Ambitionen, andere Charaktere zu spielen. Sie nahm vorerst Abschied vom Musical. Für das Drama "Kitty Foyle" wurde sie mit einem Oscar ausgezeichnet – zu einem Zeitpunkt, an dem das Publikum sie in diesen mehrschichtigen Rollen noch nicht gänzlich akzeptiert hatte.

    "Der erste Film den ich gemacht habe, war 'Kitty Foyle'. Die Fred-Astaire-Filme hat meine Mutter gemacht."

    In den folgenden Jahren behauptete sie sich erfolgreich in tragischen Stoffen und wurde zugleich eine der wichtigsten Vertreterinnen der Screwball-Komödie, wie zum Beispiel in "Der Major und Mädchen" von Billy Wilder.

    Anfang der 1950er-Jahre - nach 20 Jahren - kehrte sie zurück zum Broadway-Musical. Ihren letzten Film drehte sie 1965, im selben Jahr übernahm sie die Hauptrolle im Musical "Hello Dolly", mit dem sie 1116 Mal auftritt. Bis zu ihrem Tod 1995 blieb sie der Bühne treu.
    Trotz ihres Images als Leinwandgöttin verkörperte sie für viele den Inbegriff des "Mädchens von nebenan" – sie war eine "häusliche Göttin". Sie selbst sah ihre Rolle als Weltstar eher bescheiden:

    "Ich bin nur ein Bild, das um die Welt geht und ich versuche, ein wenig Glück, Lachen, Freude und Romantik zu verbreiten. Das ist das Privileg einer Schauspielerin."