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"Ich bin sehr geduldig"

Seit 35 Jahren ist Zypern geteilt, eine scharf bewachte Grenze trennt beide Hälften. Bislang lehnten die griechischen Bewohner Zugeständnisse an die türkischen Zyprioten ab. Erst seit Demetris Christofias Präsident der Republik Zypern im Süden ist, gibt es wieder Hoffnung für die Insel.

Demetris Christofias im Gespräch mit Doris Simon | 02.11.2009
    Doris Simon: Präsident Christofias, seit eineinhalb Jahren verhandelt der Norden und der Süden Zyperns über eine gemeinsame Zukunft für die Insel. In den entscheidenden Fragen ist bisher wenig Konkretes beschlossen worden. Sehen Sie wenigstens ein kleines Licht am Ende des Tunnels?

    Demetris Christofias: Wenn ich keine Chance sähe für eine Lösung, wenn da nicht Licht wäre am Ende des Tunnels, dann würde ich die Verhandlungen nicht fortsetzen, dann würde ich eingestehen, dass ich gescheitert bin – nicht nur ich, Talat auch. Wir tragen beide Verantwortung, eine Lösung für die internen Aspekte des Zypern-Problems zu finden. Wenn wir gemeinsam zu dem Schluss kommen, dass wir keine fremden Truppen auf unserer Insel brauchen, dass wir nicht wollen, dass Zehntausende von zugezogenen Siedlern Bürger einer Vereinigten Republik Zypern werden, dann würde das großen Druck ausüben auf das betroffene Land, auf die Türkei. Aber vorerst konzentrieren wir uns darauf, wie die Vereinigte Republik Zypern aufgebaut sein soll.

    Simon: Präsident Christofias, Sie waren sich bereits vor 20 Jahren einig mit Mehmet Ali Talat, dem heutigen Führer der türkischen Zyprioten, dass eine friedliche Wiedervereinigung Zyperns nur möglich ist, wenn am Ende ein bizonaler und bikommunaler Bundesstaat steht. Damals waren Sie in der Opposition, heute haben Sie es beide in der Hand. Warum geht es bei Ihren Verhandlungen über den künftigen Staatsaufbau trotzdem nicht richtig voran?

    Christofias: Ich werde nicht die Interessen der griechisch-zypriotischen Gemeinschaft den Interessen der türkischen Zyprioten opfern. Da brauchen wir ein Gleichgewicht. Ich habe gleich zu Beginn unseren türkischen Mitbürgern zwei neue Angebote gemacht, eben weil ich an eine Lösung glaube. Nach der alten Verfassung von 1960 stellte immer der bevölkerungsstärkere Süden den Präsidenten, der türkischsprachige Norden nur den Vizepräsidenten. Ich habe vorgeschlagen, das zu ändern mit einer rotierenden Präsidentschaft, die sechs Jahre dauert. Vier Jahre lang wäre ein Grieche Präsident, zwei Jahre lang ein türkischer Zypriot. Das ist ein ganz neues Angebot. Ich habe auch von Beginn an erklärt, dass 50.000 der türkischen Siedler bleiben und Bürger einer Vereinigten Republik Zypern werden könnten. Dafür erwarte ich in erster Linie von der Türkei, aber auch von meinem geschätzten Gesprächspartner, Freund und alten Genossen Mehmet Ali Talat eine Antwort, etwas, das wir im Gegenzug erhalten.

    Simon: Im türkisch-zypriotischen Norden fürchten viele Menschen, dass sie nach einer Vereinigung der Insel vom zahlen- und wirtschaftsmäßig überlegenen griechischsprachigen Süden dominiert werden könnten. Das weckt alte Ängste. Und viele verstehen auch nicht, dass ausgerechnet der erste kommunistische Präsident der Republik Zypern darauf besteht, dass Flüchtlinge und Vertriebene von '74 ihr Eigentum zurückerhalten müssen, wenn sie dies wollen.

    Christofias: Wir leben in einem System, in dem Privateigentum eine zentrale Rolle spielt. Das müssen wir berücksichtigen. Hier geht es um wichtige Traditionen. Eigentum ist tief verwurzelt in der Seele der Menschen. Sie können nicht den Menschen, die im anderen Inselteil Grundbesitz haben, sagen, wir haben uns politisch geeinigt und ihr werdet nicht gefragt, ob ihr eueren alten Besitz wiederhaben wollt. Das ist ein Verbrechen, das ist anormal. Damit erreichen wir nur, dass die Menschen ein weiteres Mal gegen eine friedliche Lösung für Zypern stimmen. Lassen wir den Leuten die Wahl, dann bin ich sicher, dass viele sich für eine Entschädigung entscheiden werden. Unglücklicherweise fordert nun mein Freund Mehmet Ali Talat als Vorbedingung, dass im nördlichen Landesteil die Mehrheit des Grundbesitzes in türkisch-zypriotischer Hand sein muss. Wieso sollten wir das als Vorbedingung eines gemeinsamen Staates akzeptieren? Das Vereinigte Zypern wird doch ein gemeinsamer Staat sein mit einer Hoheitsgewalt, einer Nationalität und einer Staatsbürgerschaft.

    Simon: Präsident Christofias, wie lange wollen Sie die Gespräche über einen gemeinsamen Staat mit dem türkisch besiedelten Norden Zyperns noch weiterführen, wenn es nicht bald zu Fortschritten kommt?

    Christofias: Ich bin sehr geduldig, wirklich sehr geduldig. Ich bin zu Kompromissen bereit, um eine Lösung für unsere Insel zu finden. Ansonsten hätte ich nicht für das Amt des Präsidenten kandidiert. Das ist wirklich keine bequeme Sache für mich, als Kommunisten in einem kapitalistischen System zu agieren, aber ich habe dieses Opfer gerne gebracht für eine friedliche Zukunft für Zypern und vor allem für die neuen Generationen nach uns, im Norden und im Süden. Ich habe meine Ideologie, meine Überzeugungen und ich will wirklich die Rechte der türkischen Zyprioten wiederherstellen, aber dabei dürfen nicht die Rechte der größeren Bevölkerungsgruppe verletzt werden.

    Simon: Überlegen Sie eigentlich, sich und Ihren Verhandlungspartnern im Norden eine Frist zu setzen bei den Zypern-Gesprächen, wenn Fortschritte weiter auf sich warten lassen?

    Christofias: Ich halte das für ein Verbrechen, über Deadlines nachzudenken. Wir spielen hier nicht "Schwarzer Peter". Ich bin nicht gewählt, um die andere Seite schlecht zu machen. Ich soll das Problem lösen. Ich hoffe, dass sich am Ende des Tages eine Hand findet, die meine ergreift und schüttelt.

    Simon: Welche Rolle spielt die Türkei bei den Verhandlungen über ein Vereinigtes Zypern?

    Christofias: Es ist vor allem die türkische Armee, die seit jeher eine sehr entscheidende Rolle gespielt hat. Manche Generäle halten Zypern für eine Ausdehnung Anatoliens. Sie wollen Zypern auch nach einer friedlichen Lösung weiter kontrollieren. Das sind anachronistische Vorstellungen. Diese Leute müssen einsehen, dass solche Vorstellungen weg gehören.