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"Ich glaube, dass wir zusammen stärker sind"

Die Grünen sollten sich nicht wochenlang mit der Suche nach Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl 2013 beschäftigen, sagt Katrin Göring-Eckardt, die selbst für einen Spitzenposten kandidiert. Sie setzt auf ein mehrköpfiges Team, dass die Partei im Wahlkampf anführt.

Katrin Göring-Eckardt im Gespräch mit Bettina Klein | 20.08.2012
    Bettina Klein: Eine K-Frage kann man es bei den Grünen nicht direkt nennen, es sei denn, K steht in diesem Falle für Kandidat und nicht wie bei der SPD für Kanzlerkandidat. Mehrere Politiker und Politikerinnen haben ihr Interesse für Spitzenposten für die Bundestagswahl 2013 bekundet: neben Claudia Roth, Renate Künast, Fraktionschef Trittin auch die Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt. Alle kommen nur zum Zuge, wenn die Partei dem Vorschlag von Frau Göring-Eckardt folgt und eine Gruppenlösung erwägt und an der Basis durchsetzt. Und Katrin Göring-Eckardt begrüße ich jetzt am Telefon. Schönen guten Morgen!

    Katrin Göring-Eckardt: Guten Morgen, Frau Klein!

    Klein: Sie haben sich für eine Teamlösung bei den Grünen ausgesprochen. Haben Sie denn noch Hoffnungen, dass die Partei an einer Urwahl vorbeikommt?

    Göring-Eckardt: Also an einer Urwahl vorbeikommt, das ist, glaube ich, vor allen Dingen die Frage, ob wir sagen, wir treten an als eine Partei, die auch ihre Vielfalt, ihre verschiedenen Möglichkeiten durch verschiedene Personen nach außen dokumentiert. Es geht ja nicht darum, eine Urwahl zu verhindern im Sinne von die Parteibasis soll nicht entscheiden dürfen, sondern im Sinne von wir haben eine Situation, in der wir, wenn wir die Regierung Schwarz-Gelb ablösen wollen durch Rot-Grün, deutlich zulegen müssen, und da müssen eigentlich alle an einem Strang ziehen und ich glaube, wenn wir uns jetzt viele Wochen damit beschäftigen, wer an der Spitze stehen soll, dass wir für die inhaltliche Auseinandersetzung weniger Kraft und Energie haben und ich deswegen auf die Teamlösung setze.

    Klein: Und meine Frage war: Für wie wahrscheinlich halten Sie, dass die kommt?

    Göring-Eckardt: Es gibt in der Partei eine ganze Reihe Menschen, die das unterstützen. Viele Landesvorsitzende haben das schon im Frühjahr deutlich gemacht und es wird diese Woche zeigen, ob es zu so einer Teamlösung kommt. Am Ende ist auch völlig klar, dass natürlich alle führenden Grünen, ob sie Parteivorsitzende, Fraktionsvorsitzende, in anderen Funktionen sind, sich aktiv an dem Wahlkampf beteiligen werden, ob das in einem Spitzenteam ist oder in anderen Formen. Das ist völlig klar und das gilt dann auch für mich selbst.

    Klein: Sie haben gesagt, eine mögliche Urwahl über die Spitzenkandidat(inn)en löse keine Begeisterung aus bei der Basis, sie werde sogar meistens abgelehnt. Das ist eine ziemlich deutliche Kritik an einem Stück urgrüner Tradition, nämlich die Basis abstimmen zu lassen. Muss Ihre Partei da umdenken?

    Göring-Eckardt: Nein, genau anders herum. Es gibt bei der Parteibasis einen großen Wunsch, sich zu beteiligen, auch mit abzustimmen über die Frage, mit welchen inhaltlichen Wahlkampfschwerpunkten wir in die Auseinandersetzung gehen. Und die Beteiligung an dieser Frage, die Beteiligung der Basis, aller Kreisverbände an dieser Frage, ist für uns extrem viel wichtiger als die Frage, mit welchen Gesichtern wir dann am Ende in den Wahlkampf ziehen. Das sagen uns übrigens auch alle Befragungen vor und nach Wahlen. Bei den Grünen ist das anders als bei den anderen Parteien. Bei uns kommt es zu allererst auf die Inhalte an, auch bei unseren Wählerinnen und Wählern, und dann auf die Personen. Natürlich kann man bei den Personen viel falsch machen, aber zuerst auf die Inhalte gucken und deswegen zu sagen, die Basis soll darüber entscheiden, die stehen auch in den Startlöchern, sich mit diesen Fragen zu beschäftigen, intensiver zu beschäftigen, und deswegen, glaube ich, Basisdemokratie an der richtigen Stelle.

    Klein: Ich verstehe Sie richtig, dass Sie meinen, die Basis soll über Inhalte abstimmen, aber nicht über Personen, also über Spitzenkandidaten?

    Göring-Eckardt: Das wäre jedenfalls meine Präferenz, das wird auch in jedem Fall passieren. Im nächsten Frühjahr werden wir genau das haben, dass alle Kreisverbände der Partei gleichzeitig tagen und sich mit den Wahlkampfschwerpunkten beschäftigen und dann in einer basisdemokratischen Entscheidung sagen, mit diesen Schwerpunkten wollen wir in den Wahlkampf ziehen. Man kann auch über das Spitzenpersonal abstimmen, dem würde ich mich auch gar nicht verweigern, und kann dann auch kämpfen an der Stelle, aber ich glaube, es ist tatsächlich für uns sinnvoller, dass wir die Inhalte voranstellen. Wir haben da auch ja viel zu bieten, viel auch zu bieten, was die anderen Parteien nicht haben.

    Klein: Frau Göring-Eckardt, lassen Sie mich noch mal nachfragen. Natürlich werden Inhalte auch von Personen präsentiert und auch sozusagen personalisiert. Wenn es nach Ihnen ginge, gäbe es jetzt eine Teamlösung von beispielsweise vier Politikerinnen und Politikern, die dann in dieser Gruppe die Grünen führen würden in die Bundestagswahl?

    Göring-Eckardt: Natürlich werden Inhalte durch Personen transportiert, die haben auch unterschiedliche Schwerpunkte, und für mich ist die Frage, sagt man dann jeweils Plus, oder sagt man, wir wollen solche Schwerpunkte auch aussuchen. Für mich als Person ist die Frage des Zusammenhalts der Gesellschaft, die soziale Frage ganz vorne, weil ich glaube, das ist auch die Frage, die uns im Moment am meisten beschäftigt. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa haben wir eigentlich ein solidarisches Europa neben dem friedlichen Europa, was wir glücklicherweise haben. Wie gehen wir mit Menschen um, die ganz draußen stehen, die keine Lobby haben, gucken wir uns die auf Augenhöhe an, sagen wir, sie gehören zur Gesellschaft. Andere haben andere Schwerpunkte: Eine ökologische und soziale Erneuerung funktioniert doch dann am besten, wenn wir heute auch deutlich machen, Teams, so wie das längst üblich ist in der Wirtschaft, sind Erfolg versprechender, als wenn man sagt, eine oder zwei Personen können es schon allein richten.

    Klein: Inhalte sind natürlich wichtig, aber Sie haben, Frau Göring-Eckardt, mit Ihrem Vorschlag einer Teamlösung und einer Skepsis bezüglich einer Urwahl, wo dann praktisch zwei Kandidaten für die Doppelspitze geführt werden würden, Sie haben mit diesem Vorschlag natürlich auch strukturelle Fragen aufgeworfen. Deswegen würde ich dabei gerne noch mal bleiben. Wie realistisch ist das denn, wenn eine Gruppe eine Partei führt? Was, wenn es da keinen gemeinsamen Nenner gibt? Wer führt dann?

    Göring-Eckardt: Bei den Grünen ist das ja durchaus nichts Neues. Wir haben schon allein durch die Frauenquote jeweils zwei Personen an der Spitze in der Fraktion und in der Partei, das sind auch schon vier. Und man muss ja ganz klar und deutlich sagen: Die sind diejenigen, die heute auch die Politik von Bündnis 90/Die Grünen nach außen vertreten, auch viele Erfolge ja gemeinsam eingefahren haben. In den Landesverbänden ist das in aller Regel ja auch so. Insofern kann man nicht sagen, das ist jetzt ein ganz neuer Vorschlag und das ist jetzt was, was man mal neu ausprobieren muss, sondern das ist das, was eben auch urgrün ist. Am Ende ist es mir lieber, man einigt sich zwischen mehreren Leuten, weil dabei natürlich auch verschiedene Aspekte zum tragen kommen.

    Klein: Und wir haben dann vier Parteivorsitzende oder vier Fraktionsvorsitzende, oder wie stellen wir uns das vor?

    Göring-Eckardt: Nein, nein. Es geht ja jetzt nur um die Frage der Spitzenkandidatur. Partei- und Fraktionsvorsitzende sind jeweils zwei und die zusammen sind aber natürlich auch diejenigen, die die Politik vorantreiben. Das ist jetzt schon so und das kann man, glaube ich, auch auf so ein Spitzenteam übertragen. Man kann aber natürlich auch sagen, es sind zwei an der Spitze, und dann kommen in einem Team weitere zum tragen. Ich hoffe, dass der Bundesvorstand und der Länderrat am 2. September sich genau mit dieser Frage noch mal genauer beschäftigt, weil ich auch sage, na klar, ich beteilige mich auch dann an einer Urwahl, aber ich will nicht, dass wir deutlich machen, die Milieus, die Wählerinnen und Wähler, die eine bestimmte Person bindet, die wollen wir als Partei gar nicht, und da ist es völlig egal, um welche Person an der Spitze, an der jetzt schon bestehenden Spitze es dann geht.

    Klein: Es ist ein bisschen der Eindruck entstanden in den vergangenen Tagen, Frau Göring-Eckardt, dass Sie sich dem offenen Konkurrenzkampf in einer Urwahl, wo dann eben zwei Kandidaten aus vieren oder aus sechsen zum Beispiel ausgewählt werden, dass Sie sich diesem Konkurrenzkampf nicht stellen möchten. Ich verstehe Sie aber richtig: Sie werden sich einer Urwahl nicht verweigern, wenn die Partei das festlegt?

    Göring-Eckardt: Ganz genau so ist es. Ich stelle mich auch der Auseinandersetzung, das ist nicht die Frage. Aber ich glaube, dass wir zusammen stärker sind, als wenn wir erst mal parteiintern in eine Auseinandersetzung gehen.

    Klein: Die Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt von Bündnis 90/Die Grünen – auch sie möchte kandidieren für einen Spitzenposten bei der Bundestagswahl 2013, schlägt eine Teamlösung vor, ist aber auch, wie wir gerade gehört haben, für eine Urwahl offen. Ich bedanke mich für das Gespräch, Frau Göring-Eckardt.

    Göring-Eckardt: Danke Ihnen auch, Frau Klein.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.