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"Ich glaube, Sie haben den Tod erlebt"

Mit seinen 80 Jahren wagt sich der große Clint Eastwood nun ans Jenseits: Ein großer, in sich stimmiger Film ist "Hereafter" trotzdem leider nicht geworden. Allenfalls aufwendig gedrehter esoterischer Humbug. Das uns ja nun alle erwartende Jenseits hätte eine bessere Abbildung verdient.

Von Josef Schnelle | 23.01.2011
    "Was geschieht deiner Meinung nach nach dem Tod?"

    Die meisten Menschen können diese Frage nur aus ihrer religiösen Weltanschauung heraus beantworten. Es ist eine Glaubensfrage. Sie berührt das Wesentliche jeder Menschenexistenz. Bilder vom Jenseits gibt es zwar zum Beispiel in der Malerei. Sie sind aber eine heikle Angelegenheit. "Film, das ist dem Tod bei der Arbeit zuschauen" das hat Peter Greenaway einmal geschrieben. Man müsste hinzufügen: "aber nicht darüber hinaus". Dass Meisterregisseur Clint Eastwood sich mit 80 Jahren mit dem Jenseits beschäftigt, ist keine Überraschung, aber wie schnell der für seinen eleganten Regiestil bekannte ehemalige Kultschauspieler, der auf der Leinwand so oft gestorben ist, dem Kitsch erliegt, ist dann doch traurig. Drehbuchschreiber Peter Morgan - bekannt geworden als Autor von "The Queen" - hatte einige persönliche Erfahrungen mit Nahtoderlebnissen und Verlusterfahrungen zu drei Kurzgeschichten verarbeitet und diese dann als offenes Projekt "on Spec" wie es im Fachchinesisch heißt "on speculation" in die internationale Filmcommunity gestreut. Eastwood griff zu und ließ die drei sehr unterschiedlichen Geschichten zu einem Episodenfilm verweben. Da ist zunächst die Geschichte einer knallharten bekannten Fernsehmoderatorin aus Paris, die den Tsunami überlebt. Für wenige Minuten hatte sie sich aber in einer stillen fremden Welt wiedergefunden - mit leisen wankenden schemenhaften Gestalten.

    "Ich glaube,sie haben den Tod erlebt."

    Das sagt ihr eine Wissenschaftlerin, die sich mit der Materie Nahtoderfahrung beschäftigt. Cécile de France spielt Marie, die zwar überlebt hat, aber nicht so recht in den Alltag im Nachrichtenstudio zurückfinden mag - bis sie sich der Sache des Jenseits als publizistische Agentin vollends anheimgibt. Eigentlich wollte sie nebenher einen Bestseller über François Mitterands dunkle Seiten schreiben, nun wird es ein Buch über das Danach, das Hereafter, das einige Menschen schon kurz erlebt haben sollen. Ihrem Lebensgefährten, dem Chef des TV-Senders geht die Wandlung seiner Freundin schon bald auf die Nerven. Marie betritt in mehrfacher Hinsicht eine andere Welt. Gleichwohl wird auch ihr offenbar poetisches Jenseits-Sachbuch ein Bestseller, den sie auf der Londoner Buchmesse präsentiert.

    George in Los Angeles - gespielt von Matt Damon - kann als Medium Kontakt mit dem Jenseits aufnehmen.

    "Bruder: "Diese Gabe ist eine Verpflichtung." George: "Es ist keine Verpflichtung. Es ist ein Fluch.""

    George hatte mal eine Praxis, eine Website und Bücher wurden über ihn geschrieben. Nun ist er als einfacher Hafenarbeiter quasi "untergetaucht" vor den bitteren Nebenwirkungen seines Wissens. Er fühlt sich, als würde er die Last aller Sorgen seiner Mitmenschen auf den Schultern tragen. Doch dann wird ihm sein einfacher Job gekündigt und er versucht es noch einmal als Mittler zwischen den Welten.

    "George: Geben Sie mir ihre Hände. Ich mach das eigentlich nicht mehr.""

    Und dann ist da noch der zehnjährige Marcus in London, der schon genug Sorgen mit seiner drogenabhängigen Mutter hat und dann auch noch bei einem dummen Autounfall seinen Zwillingsbruder Jason verliert. Der Kleine macht sich auf die Suche nach einem Medium, das ihm noch einmal die Kommunikation mit seinem Bruder im Jenseits ermöglicht. Irgendwie treffen sich alle drei dann auf der Londoner Buchmesse. Wie viel Zufall und wie viel knirschend unglaubwürdige Story darf's denn noch sein. Eastwood ist ein Regieroutinier und so gelingen im Einzelnen Szenen wie zum Beispiel die Ereignisse bei der Tsunamiwelle ganz vorzüglich. Auch weiß er seiner hervorragenden Darstellerriege allerlei Kabinettstückchen abzutrotzen. Ein großer in sich stimmiger Film ist es trotzdem leider nicht geworden. Allenfalls aufwendig gedrehter esoterischer Humbug. Das uns ja nun alle erwartende Jenseits hätte eine bessere Abbildung verdient. Immerhin kann George dem kleinen Markus eine tröstliche Botschaft übermitteln, die aber auch jeder Sozialarbeiter im Grundkurs erteilen könnte:

    "George. "Solltest Du Angst haben vor dem Allein sein. Das musst Du nicht. Du bist nicht allein.""