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"Ich habe alle diese Bilder gefälscht"

Im Prozess um verkaufte gefälschte Gemälde aus der Kunstsammlung Jägers gab es heute eine überraschende Entwicklung: das erste Geständnis – und zwar von Wolfgang Fischer-Beltracchi. Er gab zu, 14 Gemälde alleine gefälscht zu haben. Das Gericht hatte zuvor eine Absprache für die Angeklagten angeboten.

Stefan Koldehoff im Gespräch mit Christoph Schmitz | 27.09.2011
    Christoph Schmitz: Max Pechstein, Max Ernst, Fernand Léger, André Derain, Kees van Dongen und Heinrich Campendonk - erlesene Namen der Kunstmoderne. Jeder kennt ihre Bilder, in den großen Museen rund um die Welt sind sie ausgestellt, manche hätten sie auch gerne privat im Wohnzimmer, nur sehr wenige können sich ein Original leisten, wenn ein solches denn überhaupt auf den Kunstmarkt gelangt. Da schien die Sammlung des Kölner Industriellen Werner Jägers ein Jahrhundert-Glücksfall zu sein mit Werken der gerade genannten Künstler. Seit Mitte der 90er-Jahre wurde aus der Sammlung verkauft, für rund 16 Millionen Euro. Dann flog der Betrug auf, alle Gemälde waren nämlich gefälscht. Anfang September begann der Prozess in Köln, in dem sich Helene Beltracchi, ihr Ehemann Wolfgang Fischer-Beltracchi, ihre Schwester Jeanette sowie Otto Schulte-Kellinghaus verantworten müssen. Fälschung und betrügerischer Verkauf – so die Anklage.
    Am heutigen Prozesstag gab es eine überraschende Entwicklung. Stefan Koldehoff, Sie waren dabei. Was ist geschehen?

    Stefan Koldehoff: Umgangssprachlich nennt man das, glaube ich, einen Deal; in der Juristensprache heißt es Verständigung oder Absprache. Konkret: Das Gericht hat angeboten, wir können das ganze Verfahren, bei dem über 70 Zeugen auf der Ladungsliste stehen, radikal verkürzen und auch das Strafmaß, das bis zu zehn Jahre bei gewerbsmäßig bandenmäßigem Betrug, so der Vorwurf, lauten kann, abkürzen, mindern, und dafür hätten wir dann aber gerne von allen vier Beschuldigten umfangreiche Geständnisse. Nach kurzer Beratungspause haben sowohl die Staatsanwaltschaft auch die Anwälte der vier Angeklagten dem zugestimmt und dann ging es auch gleich richtig los, mit dem ersten Geständnis nämlich von jenem Wolfgang Fischer-Beltracchi, den Sie gerade angesprochen haben.

    Um noch eben zu sagen, was dafür geboten wird, für so ein Geständnis. Zehn Jahre, habe ich gerade gesagt, wäre das Höchstmaß. Vorgeschlagen werden jetzt vom Gericht sechs Jahre für Wolfgang Fischer, fünf für Otto Schulte-Kellinghaus, der die meisten Bilder oder viele Bilder verteilt haben soll an Galerien und in Auktionshäuser gegeben haben soll, vier Jahre für die Ehefrau und zwei Jahre auf Bewährung für die Schwester, die nur Handlagerdienste gemacht hatte.

    Schmitz: Was hat denn Wolfgang Fischer-Beltracchi nun gestanden?

    Koldehoff: Der entscheidende Satz stand gleich am Anfang: "Ich habe alle diese Bilder gefälscht." Das war nämlich die große offene Frage. Die Beweislast war erdrückend, was den Vertrieb dieser Fälschungen anging. Da gab es mitgeschnittene Telefonate, da gab es Zeugenaussagen, da gab es Briefwechsel. Aber die Frage, wer hat es denn gemacht, von wem stammen denn nun diese Bilder – zu den Namen, die Sie gerade genannt haben, könnte man zusätzlich noch August Macke nennen und Georges Braque, also quer durch die klassische Moderne -, da hat er jetzt gesagt, ich bin es gewesen, und er hat auch die meiste Schuld auf sich genommen, was den Vertrieb angeht, indem er nämlich gesagt hat, ich war auch derjenige, der bestimmt hat, wer mit welchem Bild wo hingeht.

    Schmitz: Will er damit seine Frau schützen, indem er die Schuld alleine auf sich nimmt?

    Koldehoff: Das ist ganz offensichtlich, denn er ist hinterher die 14 angeklagten Bilder einzeln durchgegangen und am Ende fast jedes Statements dazu stand der Satz: "Da hat meine Frau aber nix von gemacht, da hat meine Frau aber nix von gewusst." – Das ist ein bisschen ein Widerspruch zu dem, was in der letzten Woche er gesagt hat zur Person, nämlich wir haben eine so innige Liebe, wir zwei, dass wir eigentlich, seit wir zusammen sind, Mitte der 90er-Jahre, jeden Tag 24 Stunden miteinander verbracht haben. Also da zu glauben, dass die Frau vieles nicht mitbekommen hat, das ist zumindest ein bisschen fragwürdig.

    Schmitz: In diesem Prozess ging es um 14 Gemälde. Hat denn Fischer-Beltracchi auch was zu den anderen 33 gesagt, die in Umlauf gebracht worden sind?

    Koldehoff: Nein. Er hat insgesamt eigentlich immer nur genau zu dem was gesagt, was ihm ohnehin schon bewiesen war in der Anklageschrift. Er ist nicht darüber hinausgegangen. Inzwischen umfasst die Liste ja knapp 60 Bilder. Aber – auch das ist Teil des Deals – weitere Werke würden nicht zur Anklage kommen, wenn dieser Deal denn zustande kommt.

    Schmitz: Was würden wir denn nicht erfahren über diesen gesamten Komplex, wenn nun der Deal zustande kommt?

    Koldehoff: Das ist das für mich als Berichterstatter und Journalist, der den Fall nun seit über einem Jahr verfolgt, eigentlich Traurige. Natürlich geht da alles nach den Buchstaben des Gesetzes, solche Absprachen, solche Verständigungen sind seit 2009 in öffentlichen Hauptverhandlungen möglich und wahrscheinlich auch sinnvoll, um die Gerichte zu entlasten. Aber diese Zeugen, die da geladen waren, prominenteste Kunsthändler, Experten wie Werner Spies, die den Fälschungen die Echtheit bescheinigt hätten, die hätten natürlich tiefen Einblick gegeben in die Usancen des Kunsthandels. Wenn sie jetzt sehen, dass da Bilder zum Teil für 500.000 Euro von einer Galerie angekauft und für sieben Millionen weiterverkauft wurden innerhalb von wenigen Wochen, dann sehen sie, dass da Gewinnmargen wie sonst eigentlich nur – entschuldigen Sie den Vergleich – beim organisierten Verbrechen möglich sind. Über diese Usancen hätte man gerne mehr erfahren. Es steht nun zu befürchten, dass das nicht stattfinden wird.

    Schmitz: Ein Licht auf den Kunsthandel hätte also dieser Prozess, wenn er denn länger dauern würde, geworfen werden können. Welche Hauptfrage stellt sich Ihnen eigentlich jetzt noch, und welches Fazit ziehen Sie?

    Koldehoff: Eigentlich die konkrete Frage, wie hat das alles möglich sein können, wie hat fast 30 Jahre lang der Kunsthandel nicht gemerkt, was ihm da angedreht wurde, brauchen wir nicht dringend ein neues unabhängiges Expertenwesen.

    Schmitz: Stefan Koldehoff, vielen Dank für diese ersten Eindrücke über den Kölner Prozess zum Kunstfälscherfall der Sammlung Jägers.