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"Ich habe ein verfassungsrechtliches Problem mit dem Betreuungsgeld"

Bevor sie der Gesetzesvorlage für das Betreuungsgeld zustimmt, will sie diese erst einmal in Ruhe kritisch beleuchten, sagt Sibylle Laurischk (FDP). Man sollte sich die Zeit nehmen, zu klären, was eventuell verbesserungswürdig an dem Gesetz sei.

Sibylle Laurischk im Gespräch mit Christine Heuer | 30.05.2012
    Christine Heuer: In Berlin geht Kristina Schröder in die Offensive. Ihren Gesetzentwurf zum umstrittenen Betreuungsgeld hat sie gestern an die Ressorts geschickt, heute hat sie ihren Zehn-Punkte-Plan zum Kita-Ausbau vom Kabinett beschließen lassen – auch dieses Projekt ist umstritten.
    Am Telefon begrüße ich jetzt Sibylle Laurischk. Die Freidemokratin ist Vorsitzende im Bundestags-Familienausschuss. Guten Tag, Frau Laurischk.

    Sibylle Laurischk: Guten Tag.

    Heuer: Das Betreuungsgeld soll es jetzt also auch für berufstätige Eltern geben. Es handelt sich demnach nicht mehr um eine Herdprämie. Ist damit für die FDP jetzt alles in Ordnung?

    Laurischk: Also es ist eine Entwicklung, die zeigt, dass die heftigen Diskussionen ums Betreuungsgeld schon notwendig waren und, ich glaube, auch noch weiterhin sind. Deswegen ist mir sehr wichtig, dass wir im parlamentarischen Rahmen eine saubere Beratung dieses Gesetzes haben und dann eben auch Fragen, die eventuell noch offen sind, deutlich klären.

    Heuer: Nun drängt ja die Bundesregierung auf ein schnelles parlamentarisches Verfahren. Kommt das Ihren Wünschen entgegen nach einer ordentlichen Beratung, oder geht Ihnen das alles jetzt ein bisschen zu schnell?

    Laurischk: Also ich glaube, es nützt dem Thema, eine zukunftsweisende Kinderbetreuungssituation in Deutschland schaffen zu wollen, nichts, wenn wir jetzt ein so heftig diskutiertes Gesetz wie das Gesetz zum Betreuungsgeld nur durchpeitschen. Ich glaube, es wäre wichtig, dass wir auch durchaus kritisch die Gesetzesvorlage beleuchten, uns die Zeit nehmen, auch in den Ausschussberatungen und insbesondere auch mit Anhörungen zu klären, was eventuell verbesserungsbedürftig ist und wo die kritischen Fragen einfach zu stehen haben, und die sind meiner Ansicht nach noch nicht alle geklärt.

    Heuer: Nun drängt die Bundesregierung darauf, den Beschluss für das Betreuungsgeld noch vor der Sommerpause zu fassen. Frage: Bleibt es dabei, stimmen Sie dann möglicherweise vor der Sommerpause mit Ja, oder verschieben Sie, die FDP, möchten Sie das ganze Projekt auf nach die Sommerpause verschieben?

    Laurischk: Wir haben uns in der Fraktion da noch gar nicht abstimmen können, denn das Gesetz ist ja jetzt erst in dieser Woche uns vorgelegt worden, also unmittelbar nach Pfingsten, und wir haben im Moment keine Sitzungswoche. Ich habe mich aber schon so geäußert, dass ich das für sehr ambitioniert halte, innerhalb von zwei Sitzungswochen, die wir noch vor der Sommerpause haben, dieses Gesetz, wo es ja auch um viel Geld geht, gerade nur durchzudrücken. Man kann das machen, aber ich halte es für problematisch und ich glaube, es würde diesem ambitionierten Ziel, das die Bundesministerin Schröder verfolgt, auch nicht wirklich nützen.

    Heuer: Haben Sie, wenn Sie die Sache etwas herauszögern, nicht Angst vor Machtworten aus München? Die sind ja neuerdings wieder sehr wirkungsvoll.

    Laurischk: Ich glaube, insgesamt entwickelt sich das Thema auf eine doch sehr konstruktive Richtung, nämlich wie kann die Kindertagesbetreuung in Deutschland gelingen, und daran muss Bayern eigentlich auch gelegen sein. Insofern, denke ich, geht es jetzt nicht mal mehr so sehr um die Frage, wie schnell, sondern ist es ein überzeugendes Gesetz, ist es eine gute Lösung, eine entsprechende Zielsetzung, Betreuung als Thema in Deutschland so zu positionieren, dass alle Eltern damit gut klarkommen können, und das braucht einfach auch einen Austausch. Wir haben bisher viel diskutiert im Bundestag über ein Gesetz, das noch gar nicht vorlag; jetzt liegt es vor und jetzt sollten wir uns die Zeit auch nehmen. Ich glaube, dass das auch in Bayern zu verstehen ist.

    Heuer: Und es besteht offensichtlich eine politische Verbindung zum Kita-Ausbau. Lassen Sie uns über den auch noch rasch reden. Insgesamt möchte die Bundesregierung den Kita-Ausbau bezuschussen - wenn ich das richtig gerechnet habe, zunächst mit 360 Millionen Euro. Reicht das denn aus?

    Laurischk: Da bin ich sehr gespannt. Wir merken einfach, wir haben hier Nachholbedarf, wir sind da europaweit nicht in der vordersten Reihe. Wir brauchen aber alle Kräfte einer Gesellschaft, eben auch die Eltern, als mitarbeitend in der Wirtschaft, als diejenigen, die eben auch Leistungsträger sind, und im Rahmen dessen brauchen Eltern auch ein gutes Betreuungsangebot und das muss uns was wert sein.

    Heuer: Und reichen Ihnen die zehn Punkte von Kristina Schröder aus?

    Laurischk: Es ist ein Ansatz. Ich denke, gerade die Frage Entwicklung von Erzieherinnen, mehr Potenzial in Tagesbetreuung, mehr Qualität in die Tagesbetreuung, berufliche Entwicklungsmöglichkeiten, hier fehlt es, das ist meiner Ansicht nach ein bisher unterschätztes Thema, und es ist sicherlich nicht schlecht, dass jetzt in diesem Zehn-Punkte-Programm diese ganz harten Fragen auch mal aufgeworfen sind.

    Heuer: Und wenn da die Dinge geklärt sind, gemäß Ihren Vorstellungen, dann sagen Sie auch ganz schnell ja zum Betreuungsgeld, Frau Laurischk?

    Laurischk: Ich habe nach wie vor ein verfassungsrechtliches Problem mit dem Betreuungsgeld. Ich sehe auch nicht, dass es die Wahlfreiheit wirklich fördert. Wer arbeiten muss, und viele Eltern müssen beide arbeiten, hat mit dem Betreuungsgeld keine Alternative. Also eine Wahlfreiheit sieht anders aus. Insofern sind da kritische Anmerkungen sicherlich notwendig, und ob ich zustimmen kann, das zeigt dann das Ende der Debatte und nicht der Anfang.

    Heuer: Und wir bleiben gespannt. – Sibylle Laurischk war das, die Vorsitzende im Familienausschuss des Bundestages. Danke schön für das Gespräch.

    Laurischk: Ich danke Ihnen.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.


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