Ich schwitze nie: "Träume der Sehnsucht"

Ein Radio auf Rädern, elektrischer Marien-Gesang und eine Möwe, die nach Helgoland fliegt - von diesen und noch ganz anderem mehr erzählen die seltsamen Lieder, die sich wie folgt auf drei ziemlich experimentellen CDs befinden. Willkommen zu heute etwas ungewöhnlicheren Musik-Novitäten am Sonntagmorgen, - mit Frank Kämpfer am Mikrofon. * Musikbeispiel: Tiedemann - "Der Junge an der Reeling" Eine Sage erzählt: Wenn die Liebe dir fehlt / und Dein Herz wird vor Sehnsucht so schwer / such im Mondlicht am Strand eine Perle im Sand / wirf sie weit in das nächtliche Meer / der weiße Mond von Maratonga er hört, was die Herzen erflehn / der weiße Mond läßt Märchen und Wunder gescheh'n ... Seemannsgarn und Schiffers-Idyll, Matrosenliebe und die Poesie der Laternen... Daß drei junge studierte Jazzer sich musikalischer Seefahrts- und Hafen-Romantik annehmen, mutet merkwürdig an. Bei genauerem Hinhör'n wirken die altbekannten Schlager von der "Schenke am Hafen" und "Von der roten Laterne" wie seziert, nackt und bedeutungsschwer: Lars Rudolph, Nicholas Bussmann und Hanno Leichtmann, hier vereint unter dem Band-Namen 'Ich schwitze nie' behalten sich eine gewisse Verfremdung vor. Sie lachen, sie lieben den ausgewählt schlechten Geschmack, sie singen verquer und erleichtern die romantischen Songs um manches Gramm musikalischen Kitsch's. Statt dessen sprechen solistisches Cello, Trompete, Electronics und Drums und rücken das Album ins Licht eines kompositorischen Experiments. Zugrunde liegt die Idee, Seemannslieder von einst und andererseits Trash, Noise und ungezügelte Improvisation miteinander zu verbinden und zu kontrastieren. Dazwischen sind eigene Songs eingestreut. Sie sind sehr herber, desillusionierender Art und aus ihnen spricht - zwischen schlagender See und plötzlich gespenstischen Möwen - ein sehr unromantischer Gesellschaftsbefund. * Musikbeispiel: Cowler - "Kleine Möwe" Träume und Sehnsucht - ein artifizielles Konzeptalbum, realisiert mit dem Trio 'Ich schwitze nie'. Als Geheimtip experimentellen Musizierens gehandelt, erschien die Produktion schon vor Jahren im Selbstverlag der Band; nun, in dritter Auflage, gibt sie der Berliner Musikvermittler Gerhard Busse bei seinem Spezial-Label Noman's Land in neuer Pressung ganz neu heraus.