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"Ich sehe große inhaltliche Hürden" für eine Zusammenarbeit mit der SPD

Peer Steinbrück sei "eine respektable Persönlichkeit", aber entscheidend sei, wie sich "eine Partei insgesamt politisch aufgestellt hat", sagt Christian Lindner. Es bleibe abzuwarten, ob die SPD Steinbrück folge oder Steinbrück der SPD, so der Vorsitzende der FDP in Nordrhein-Westfalen. Die Distanz zwischen FDP und SPD habe sich zuletzt eher vergrößert.

Christian Lindner im Gespäch mit Tobias Armbrüster | 01.10.2012
    Tobias Armbrüster: Hinter Peer Steinbrück liegt das erste Wochenende als SPD-Kanzlerkandidat. Es war ein Wochenende, das ihm schon mal einen kleinen Vorgeschmack auf kommende Wahlkampfmonate gegeben hat. Da waren Ermahnungen vom linken Parteiflügel, Diskussionen um schlechte Umfragewerte und natürlich jede Menge Spekulationen um mögliche Koalitionen und Koalitionspartner.
    Soweit der Bericht von Katharina Hamberger aus unserem Hauptstadtstudio, und was wir darin nicht gehört haben, das ist, was die FDP eigentlich von Peer Steinbrück hält. Das können wir jetzt nachholen: am Telefon ist der nordrhein-westfälische FDP-Chef Christian Lindner. Unter anderem war er auch mal Generalsekretär seiner Partei. Schönen guten Morgen, Herr Lindner.

    Christian Lindner: Guten Morgen, Herr Armbrüster.

    Armbrüster: Herr Lindner, ist Peer Steinbrück ein interessanter Kandidat für die FDP?

    Lindner: Er ist zweifelsohne eine respektable Persönlichkeit. Ob er auch ein Gesprächspartner für die FDP ist, das muss sich erst noch zeigen. Er hat ja richtigerweise in der Vergangenheit darauf hingewiesen, dass eine Ausdehnung des Sozialstaats gegenwärtig nicht finanzierbar ist. Seine Partei will genau das aber, Stichwort Rentenkonzept. Nun ist die Frage: folgt die SPD Steinbrück, oder muss Steinbrück der SPD folgen.

    Armbrüster: Das heißt, wenn sich Steinbrück mit seinen Ideen und Vorstellungen durchsetzen könnte in der Partei, dann wäre er für die FDP ein möglicher Koalitionspartner 2013?

    Lindner: Er ist zunächst mal ein Gesprächspartner dann, kein Koalitionspartner. Wir arbeiten ja in einer Regierung, die, wenn man mal die kleinen Diskussionen über Nebenfragen wie das Betreuungsgeld außen vor lässt, erfolgreich arbeitet mit Blick auf den Arbeitsmarkt und die Stabilisierung unserer Währung in Europa. Und bei allem zur Schau getragenen Selbstbewusstsein von Peer Steinbrück am Wochenende muss man doch noch einmal darauf hinweisen, dass die Koalition in Umfragen vor Rot-Grün liegt. Wenn er also sagt, erkennbar sei, dass die Regierung abgelöst wird und dass er eine rot-grüne Koalition anstrebt, muss man in Erinnerung rufen: er liegt hinten in den Umfragen.

    Armbrüster: Aber wir können zumindest festhalten, Sie sehen ihn als möglichen Gesprächspartner? So haben Sie es gesagt.

    Lindner: Ich halte ihn für eine respektable Persönlichkeit, aber solche gibt es in allen Parteien und entscheidend ist dann die Frage, wie eine Partei insgesamt sich politisch aufgestellt hat. Die SPD hat in den vergangenen Jahren sich stark auf einen Kurs begeben, weg von der Agenda 2010, die unser Land auch erfolgreich gemacht hat. Peer Steinbrück beruft sich auf Gerhard Schröder in seiner Wahlkampfführung. Peer Steinbrück macht aber eine Politik, die näher bei Sigmar Gabriel ist, und insofern hat sich die Distanz zu meinem Bedauern auch zwischen FDP und SPD, insbesondere aber auch zwischen FDP und Rot-Grün im Vergleich zu den Zeiten der Agenda 2010 eher vergrößert, als dass die Distanz kleiner geworden wäre.

    Armbrüster: Freut es Sie denn, dass man in der SPD jetzt zumindest wieder über eine Koalition mit der FDP spricht und nachdenkt?

    Lindner: Das ist eine Normalität. Wir beobachten ja auch, was bei unseren …

    Armbrüster: Na ja, es war mal lange Zeit aber nicht so!

    Lindner: Ja, es sollte eine Normalität sein. Man beobachtet, was bei Mitbewerbern passiert, und überlegt natürlich auch, gibt es gemeinsame Projekte. Allerdings wenn dann der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion Oppermann sagt, na ja, die FDP könne ja vielleicht an einer Ampel teilnehmen, aber dafür müsse die FDP sich vollständig verändern und müsste bei ein, zwei, drei, vier, fünf Punkten ihren Kurs um 180 Grad wenden, dann betrachte ich das jetzt noch nicht als das Herausstellen von Gemeinsamkeiten. Wissen Sie, wir haben da ja auch gewisse Erfahrungen. In Nordrhein-Westfalen hat Peer Steinbrück im Jahr 2003 einmal versucht, die Grünen aus seiner Regierung rauszuschmeißen und eine sozialliberale Koalition zu begründen. Ich bin übrigens sicher: Wenn damals, 2003, sozialliberal regiert worden wäre, dann wäre diese Koalition auch heute in Nordrhein-Westfalen noch im Amt. Aber er hat das nicht vermocht, er hat weiter rot-grüne Politik gemacht, auch jetzt regiert in Nordrhein-Westfalen wieder Rot-Grün, sehr zum Schaden des wirtschaftsnahen Teils der SPD, des gewerkschaftsnahen Teils der SPD, die auch die Sicherheit von Industriearbeitsplätzen im Blick behalten wollen.

    Armbrüster: Höre ich das da richtig heraus, dass Sie sich da etwas von Ihrem aktuellen Generalsekretär Döring distanzieren, der gesagt hat, Steinbrück sei zwar ein konservativ anmutender Kanzlerkandidat, aber das vergrößere nicht die inhaltliche Nähe? So hat er es in einem Interview gesagt.

    Lindner: Nein, ich habe mich nicht von Herrn Döring distanziert. Ich habe mich eher distanziert von Entwicklungsminister Niebel, der, wie ich finde, in einer nicht durch die Sache begründeten Weise über mögliche Ampelkoalitionen öffentlich spekuliert hat. Ich finde, Koalitionen müssen sich aus der Sache heraus ergeben. Der Respekt vor Peer Steinbrück als Person, den habe ich, aber ich sehe große inhaltliche Hürden für eine Zusammenarbeit nicht nur mit der SPD, sondern eben mit Rot-Grün. Wir haben jetzt nur gesprochen auch über das Verhältnis zwischen SPD und FDP. Genauso spannend wäre es zu beleuchten, wie ist eigentlich das Verhältnis zwischen Peer Steinbrück und den Grünen, welche innere Stabilität hätte auch eine rot-grüne Koalition, wenn es sie denn gäbe, unter Steinbrück. Und nicht diskutiert haben wir das Verhältnis zwischen FDP und Grünen, einer Partei, die neben Umverteilung doch sehr stark auf Bevormunden setzt und öffentlich doch mit dem erhobenen Zeigefinger oft genug auftritt.

    Armbrüster: Aber könnte es für die FDP unter Rot-Grün oder gemeinsam mit Rot-Grün denn eigentlich noch schlechter laufen als derzeit mit Schwarz-Gelb?

    Lindner: Na ja, das ist eine, bei allem Respekt, Herr Armbrüster, oberflächliche Betrachtung. Deutschland geht es ja offensichtlich gut, wenn ich mir den Arbeitsmarkt ansehe, die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung, insbesondere den Schuldenabbau. Da sind gegenüber den Zahlen …

    Armbrüster: Das ist unbestritten. Aber Ihrer Partei geht es nicht gut!

    Lindner: Ja! Aber zunächst mal geht es uns ja um das Land, und ich kann mir nichts vorstellen, was Deutschland schadet, dass das dann der FDP nutzen kann, sondern eher umgekehrt muss es gelingen, das Profil der FDP stärker herauszuarbeiten, auch unsere Profilpunkte wie etwa die Entschuldung der öffentlichen Haushalte stärker zu zeigen. Wie gesagt, wir haben im Vergleich zu den Finanzzahlen, die Peer Steinbrück als Bundesfinanzminister vorgelegt hat, ja über 100 Milliarden Euro weniger neue Schulden gemacht. Das ist der beste Beleg für Solidität in der Haushaltsführung. Das tut Deutschland gut, eine solche Politik sollte fortgesetzt werden. Die SPD scheint mir gegenwärtig damit zu liebäugeln, einen Kurs zu fahren, der vergleichbar ist mit dem, den in Frankreich Präsident Hollande angekündigt hat, gegen den auch nun protestiert wird und der vor allen Dingen für Frankreich gefährlich ist. In Deutschland brauchen wir das nicht.

    Armbrüster: Herr Lindner, eine halbe Minute haben wir noch. Sagen Sie uns noch ganz kurz: Was müsste die SPD in den kommenden Monaten tun, um für die FDP als Koalitionspartner interessant zu werden?

    Lindner: Herr Armbrüster, ich verstehe Ihr journalistisches Interesse, aber ich finde, es gehört sich nicht, öffentlich anderen Parteien Ratschläge zu erteilen. Aus der Sache heraus sollte in Deutschland eine Politik gemacht werden, die die öffentlichen Haushalte entschuldet. Wir dürfen bei der Abkühlung des konjunkturellen Klimas jetzt nicht Arbeitsplätze gefährden durch eine überzogene Umverteilungspolitik, wie sie dort gefordert wird. Wir brauchen eine Energiepolitik, die marktwirtschaftlich ist und die die Subventionen auslaufen lässt. Gegen all das steht gegenwärtig Rot-Grün und das sind die inhaltlichen Anforderungen, wo beide Parteien nicht den Fragen der Zeit genügen.

    Armbrüster: Christian Lindner, der Vorsitzende der FDP in Nordrhein-Westfalen, live hier heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk. Vielen Dank, Herr Lindner, für das Interview.

    Lindner: Ich danke Ihnen, Herr Armbrüster. Schönen Tag.

    Armbrüster: Schönen Tag!

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