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“Ich sehe noch eine Chance“

Der CDU-Politiker Wolfgang Böhmer hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben: Wolfgang Böhmer hält einen Kompromiss bei den Hartz-IV-Verhandlungen nach wie vor für möglich - schlägt aber eine Vertagung der Bundesratsentscheidung vor.

Wolfgang Böhmer im Gespräch mit Jürgen Liminski | 11.02.2011
    Jürgen Liminski: Das Hartz-IV-Reformpaket der Bundesregierung steht offenbar endgültig vor dem Scheitern. Die Saar-Grünen lehnten es gestern Abend ab, einem Ja des Saarlands zu den Vorschlägen zuzustimmen. Aber vor der Abstimmung soll noch einmal der Vermittlungsausschuss zusammenkommen. Gibt es noch eine Chance? Das wollen wir nun erfahren von Wolfgang Böhmer, dem Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt. Zunächst mal guten Morgen, Herr Böhmer.

    Wolfgang Böhmer: Guten Morgen!

    Liminski: Herr Böhmer, hier und jetzt können Sie Geschichte machen, wenn Sie sagen, dass Sie doch noch für das Hartz-IV-Paket stimmen.

    Böhmer: Es geht mir nicht darum, Geschichte zu machen. Es geht mir darum, eine Lösung zu finden, die alle mittragen können, denn wir brauchen in Deutschland Mehrheiten für normale Gesetze. Und wir in Sachsen-Anhalt sind als Koalition nicht einer Meinung und werden deshalb nicht zustimmen.

    Liminski: Sehen Sie denn noch eine Chance für das Hartz-IV-Paket? Immerhin soll der Vermittlungsausschuss noch vor der entscheidenden Sitzung des Bundesrates zusammenkommen.

    Böhmer: Also der Vermittlungsausschuss wird mit großer Wahrscheinlichkeit nicht heute zusammenkommen. Heute tagt der Bundesrat und es spricht zurzeit vieles dafür, dass dieses Gesetz im Bundesrat, oder besser gesagt der letzte Vorschlag des Vermittlungsausschusses, keine Mehrheit finden wird. Und Sie haben recht: Wir sprechen darüber und denken darüber nach, erneut den Vermittlungsausschuss aus der Sicht des Bundesrates anzurufen, um weiter zu verhandeln, weil der Eindruck entsteht, es wären doch noch Probleme, die gelöst werden könnten.

    Liminski: Für die Kommunen ist ja doch immerhin einiges drin. Wollen Sie nicht zum Abschluss einer großen politischen Karriere den Kommunen noch ein Geschenk machen?

    Böhmer: Ich habe den Kommunen jetzt kein Geschenk zu machen, aber das, was die Bundesregierung vorgeschlagen hat im Zusammenhang mit der Übernahme der Grundsicherung, das ist für die Kommunen eine große Entlastung und niemand hat die Absicht, darauf zu verzichten. Aber das kann ja nicht davon abhängen, ob wir uns heute im Rahmen des Hartz IV-Gesetzes einigen, oder meinetwegen erst nächste Woche.

    Liminski: Was werden Sie denn im Vermittlungsausschuss noch fordern? Oder anders gefragt: Welche Zugeständnisse könnten Sie zu einem Ja bewegen?

    Böhmer: Es gibt noch einige Unklarheiten über die sogenannten Sonderbedarfe, die außerhalb der Regelsätze geregelt werden müssen. Darüber sind die Gespräche nicht zu Ende geführt, und ich habe den Eindruck, wenn man sich darüber einigen könnte, hätten wir eine andere politische Situation.

    Liminski: Das heißt, Sie sehen noch eine Chance?

    Böhmer: Ich sehe noch eine Chance, miteinander zu sprechen und sich auf einen gemeinsamen Nenner zu einigen.

    Liminski: Das heißt, man müsste eigentlich die Sitzung heute im Bundesrat vertagen?

    Böhmer: Man muss deswegen nicht die ganze Bundesratssitzung vertagen, immerhin sind das meines Wissens 48 unterschiedliche Tagesordnungspunkte, aber es wäre durchaus denkbar, die Entscheidung über dieses Problem auszusetzen und noch einmal den Vermittlungsausschuss einzuberufen.

    Liminski: Was würden Sie denn riskieren, wenn Sie bei weniger zustimmten? Ihre Regierung hat ja nur noch eine Laufzeit von knapp sechs Wochen. Eigentlich ist jetzt Wahlkampfzeit, da könnte man doch einen Krach riskieren, vielleicht sogar der Partei noch einen Gefallen tun.

    Böhmer: Es ist für mich interessant, wie Journalisten sich Politik vorstellen. Möglicherweise haben Sie gelegentlich auch recht. Das ist nicht mein Politikstil. Wir haben eine Koalition, und Koalitionen funktionieren nur, wenn man sich aufeinander verlassen kann und den Koalitionspartner nicht heimlich versucht, über den Tisch zu ziehen. Wir haben jetzt bald Wahlen, das ist völlig richtig. Ich werde dann nicht wieder im Amt sein, aber deswegen werde ich nicht mit einem solchen Husarenstück versuchen, mich - wie Sie gesagt haben - in der Geschichte bekannt zu machen.

    Liminski: Also nur eine kleine Chance, wenn es in der Sache noch eine Änderung gibt?

    Böhmer: Es muss in der Sache eine Veränderung geben, der alle zustimmen können, und ich halte das nicht für ausgeschlossen.

    Liminski: Noch eine kleine Chance für Hartz IV. Das war hier im Deutschlandfunk der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer. Besten Dank für das Gespräch, Herr Böhmer.

    Böhmer: Bitte schön!