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"Ich versuche jetzt in der Sache weiterzukommen"

Annette Schavan hält eine Grundgesetzänderung, um die Rolle des Bundes im Wissenschaftssystem festzuzurren, nicht für zwingend notwendig. Für die Studierenden sei in erster Linie eine Verbesserung der Lehre wichtig.

Annette Schavan im Gespräch mit Elif Senel | 04.03.2010
    Elif Senel: Leuchttürme der Wissenschaft zu bauen, das ist ein Ziel der Exzellenzinitiative. Einige Leuchttürme gibt es bereits unter den deutschen Hochschulen, aber von ihrem Licht kriegt ein Großteil der Studierenden wenig ab. Die Lehre lässt noch zu wünschen übrig, sie ist noch nicht herausragend. Und deswegen will Bundesbildungsministerin Annette Schavan nach der Exzellenzinitiative für die Forschung eine Offensive für die Lehre starten. Wie die genau aussehen soll, darüber spreche ich jetzt mit der Ministerin. Schönen guten Tag, Frau Schavan!

    Annette Schavan: Schönen guten Tag, Frau Senel!

    Senel: Wie soll diese Offensive gestaltet werden?

    Schavan: Die Offensive soll über zehn Jahre gehen, der Zeitraum, den wir für den Hochschulpakt vorgesehen haben. Es wird als dritte Säule für eben diesen Hochschulpakt vorgesehen, den wir ja zwischen Bund und Ländern vereinbart haben bis zum Jahre 2020. In dem Zeitraum wird der Bund rund zwei Milliarden Euro zur Verfügung stellen für zwei Programmlinien. Zum einen werden überzeugende Konzepte für qualitativ gute Lehre gefördert, zum anderen die Einrichtung von Kompetenzzentren für die Qualitätsverbesserung in der Lehre an Universitäten. Ich folge damit Vorschlägen, die der Wissenschaftsrat ja schon vor einigen Jahren gemacht hat, und will zweierlei damit bewirken: Einmal ein wirklich starkes Signal für die Wertschätzung gegenüber der Lehre zu setzen und zweitens das, was an Dynamik über die Exzellenzinitiative in der Forschung erreicht worden ist, auch in der Lehre zu erreichen.

    Senel: Also sprich, es soll auch noch mal einen Wettbewerb geben?

    Schavan: Es ist insofern wettbewerblich, als mit Konzepten Bewerbung erfolgen muss.

    Senel: Jetzt ist es aber so, dass Ihr Einfluss persönlich sehr gering ist eigentlich auf das, was in den Ländern passiert. Es gibt das sogenannte Kooperationsverbot, also der Bund kann nicht einfach den Ländern Geld geben, der Bund ist dafür nämlich nicht zuständig.

    Schavan: Nun, das Kooperationsverbot bezieht sich vorrangig auf die Schule. Wenige Jahre, nachdem das Kooperationsverbot verabschiedet worden ist, ist für den Hochschulbereich mehr an Kooperation erfolgt als je zuvor. Ich denke an den Hochschulpakt, den wir geschlossen haben, ich denke ...

    Senel: Das ist richtig, aber es ist eigentlich in einer Grauzone geschehen.

    Schavan: Das mag sein, da kann ich aber nur jedem raten, nicht allzu theoretisch zu diskutieren. Für die Studierenden, für die Hochschulen ist wichtig, dass es eine Situation der Verbesserung gibt, und interessant ist für mich, dass ja der Vorschlag, den ich gemacht habe, auch bei den Ländern auf eine überaus positive Resonanz stößt. Also in Wirklichkeit sind die Zeiten, da der Bund keine Rolle spielt im Wissenschaftssystem, schon lange vorbei.

    Senel: Sollte man das nicht auch im Grundgesetz dann verankern?

    Schavan: Würde das, was wir tun müssen, nicht möglich sein, dann wäre die Diskussion eröffnet, keine Frage. Ich versuche jetzt in der Sache weiterzukommen, habe aber ja schon gesagt, wenn der Eindruck entsteht, Wichtiges kann nicht geschehen, wird man die andere Diskussion führen müssen. Ich bin allerdings zuversichtlich, dass wir diese dritte Säule hinbekommen, und das würde bedeuten, dass in 60 Jahren Bundesrepublik ein Beschluss gefasst wird, der so viel für die Lehre investiert wie nie zuvor.

    Senel: Für die Grundgesetzänderung hätten Sie wahrscheinlich auch nicht besonders viele Mitkämpfer. Zum Beispiel jetzt ganz um die Ecke tagt ja die Kultusministerkonferenz, und da ist ja Ludwig Spaenle, der Kultusminister aus Bayern, gerade der Präsident, und der sagt, Konkurrenz belebt das Geschäft. Wie wollen Sie ihm diese Gedanken schmackhaft machen? Und er bezieht sich ja auch ganz konkret auf das Schulsystem.

    Schavan: Alle haben recht, die sagen, föderale Ordnung verhindert nicht zusammenzuspielen. Inwieweit dann Kooperationsverbot seitens der KMK für richtig gehalten wird, dazu kenne ich die Kollegen zu gut, um zu wissen, auch da gibt es unterschiedliche Meinungen. Deshalb mein Rat: Arbeiten wir uns jetzt nicht daran ab, sondern zeigen, dass wir zusammenarbeiten. Und es wird noch manche Diskussion übers Grundgesetz geben und vielleicht kommt dann auch mal jemand auf eine gute Idee, nicht einfach zurück in die Zeit vor dem Kooperationsverbot, denn da haben Bund und Länder so viel nicht zusammengearbeitet, sondern wirklich hinzukommen zu einer Beschreibung des Föderalismus, der einerseits die Kulturhoheit der Länder respektiert und andererseits aber auch besser als in der Vergangenheit definiert, was sind Themen und Initiativen von nationalem Interesse, bei denen der Satz, Wettbewerb belebt, alleine nicht ausreicht – der stimmt immer. Aber bevor ich in einen Wettbewerb trete, muss ich wissen, worum dieser Wettbewerb geht, was die Ziele sind, welche Rahmenbedingungen, welche Investitionen und Konzepte notwendig sind, um überhaupt einen Wettbewerb zu starten.

    Senel: Das klingt ein bisschen so, als wenn Sie sagen würden, ich warte jetzt ab und gucke mal, wenn die Länder sich nicht darauf einlassen auf meinen Qualitätspakt der Lehre, dann ziehe ich noch mal die Frage nach dem Grundgesetz aus der Tasche.

    Schavan: Ich warte nicht ab, weil ich einen Vorschlag ja gemacht habe und die Resonanz auf diesen Vorschlag positiv ist. Deshalb muss man jetzt nicht eine andere Diskussion zeitgleich führen.

    Senel: Aber wäre Ihre Arbeit nicht einfacher, wenn man tatsächlich da auf grundgesetzlich fest verankerten Füßen stehen könnte?

    Schavan: Sie wäre einfacher, es wäre auch klug zu unterscheiden zwischen dem, was unmittelbar zwischen Land und Hochschule passiert, und dem, was von nationaler Bedeutung ist. Wenn ich erreichen kann, dass wir das tun, was von nationaler Bedeutung ist, dann muss ich nicht zeitgleich die andere Debatte führen, zumal ich davon überzeugt bin, die kommt sowieso über kurz oder lang.

    Senel: Bundesbildungsministerin Annette Schavan zur Qualitätsoffensive für Bildung und das Verhältnis zwischen Bund und Ländern in Sachen Bildung in Deutschland. Vielen herzlichen Dank für das Gespräch!

    Schavan: Bitte schön!