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"Ich will es jetzt wissen"

Renate Künast (Grüne) hält den Gesetzentwurf zur Frauenquote von SPD und Grünen für umsetzbar. Sie hofft, dass auch Abgeordnete von CDU und FDP sich "ein Herz fassen und Mut haben" für die Quote zu stimmen.

Renate Künast im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 26.10.2012
    Tobias Armbrüster: Grüne und SPD wollen heute noch einmal Ernst machen mit ihrer Forderung nach einer Frauenquote. Sie haben einen Vorschlag für ein Quotengesetz erarbeitet, heute wird das Ganze in erster Lesung im Bundestag debattiert. Das Gesetz sieht vor, dass Aufsichtsräte in börsennotierten Unternehmen den Anteil von Frauen in zwei Stufen auf 40 Prozent erhöhen müssen, und zwar innerhalb von elf Jahren. – Am Telefon ist jetzt die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Renate Künast. Schönen guten Morgen.

    Renate Künast: Guten Morgen, Herr Armbrüster.

    Armbrüster: Frau Künast, machen Sie sich ernsthaft Hoffnung, dass Sie ein solches Gesetz durchbringen?

    Künast: Ja, ich mache mir ernsthaft Hoffnungen und ich will es auch wissen. Es hat sicherlich beides. Wir haben ja erlebt, dass in den letzten Jahren es immer den Widerspruch gab, das hat Frau Merkel zugelassen, zwischen Kristina Schröder, die sagte nein zur Quote und Frau von der Leyen, die jede Woche ein hübsches Interview geben durfte und vermittelt hat, dass sie die Quote will. Jetzt will ich es wissen, weil ich finde, es unerträglich, dass auf dem Rücken der Frauen und auf den Hoffnungen von Frauen gespielt wird. Darum muss sich die Koalition bekennen und unser Entwurf ist für mich eigentlich noch zu wenig, ist schlicht und einfach der Hamburger Entwurf, der im Bundesrat eine Mehrheit gefunden hat, ist also umsetzbar.

    Armbrüster: Aber, Frau Künast, wenn Sie wirklich Interesse an einem Quotengesetz, an einer Frauenquote in Deutschland haben, dann müssen Sie doch zunächst mal Verbündete im Regierungslager suchen?

    Künast: Herr Armbrüster, guter Hinweis. Wir diskutieren in dieser Legislaturperiode seit satt drei Jahren. Wir haben Verbündete dort, und das sehen Sie ja. Frau von der Leyen hat ja wirklich viel an Unterstützung gegeben und immer wieder dazu Interviews gegeben und gesagt. Es gibt Frau Pawelski, es gibt die Gruppe der Frauen in der CDU, die mit anderen Frauen eine Berliner Erklärung verabschiedet haben, dass sie die Quote wollen. Und uns wurde immer wieder gesagt, ja, wir machen mit Euch einen Antrag auf 30 Prozent Frauenquote garantiert, wir müssen nur noch Gespräche führen. Da hat es eine Erklärung gegeben, es hat eine gemeinsame Erklärung gegeben, die auch im Internet wirklich Unterstützung suchte. Und dann wurde immer gesagt, jetzt noch nicht, wir müssen noch drei Gespräche führen. Und jetzt sagen wir, jetzt ist aber gut. Jetzt fangen sie an zu sagen, jetzt dürfen wir uns nicht trauen und Ähnliches. Ich finde, dass man jetzt erwachsene Abgeordnete auch mal fragen muss, …

    Armbrüster: Das heißt, Sie bringen das Gesetz jetzt einfach ein und hoffen, dass es gut geht?

    Künast: Was heißt, wir bringen es einfach ein? Ich meine, ich sehe gar nicht ein, Herr Armbrüster, warum ich jetzt, also wir jetzt auf dieser Ebene diskutieren müssen. Es gibt in diesem Land Aufsichtsräte, die sind im Wesentlichen mit Männern besetzt, und da haben auch die Frauen das Recht, dass dies anders wird. Das Grundgesetz hat ja einen aktiven Gleichstellungsauftrag, also der Gesetzgeber muss was tun, wird dort gesagt. Und im nächsten Jahr werden 88 Aufsichtsratsfunktionen in Deutschland besetzt. Dieses Jahr, finde ich, sollten wir nicht verpassen, ich will es jetzt wissen. Ich hoffe, dass einige der Frauen auch in der CDU und FDP sich noch ein Herz fassen und Mut haben, aber auch einige Männer, und ich sage, wir dürfen das nächste Jahr nicht vergehen lassen, weil 88 Funktionen, die besetzt werden, heißen auch, wenn wir das im nächsten Jahr nicht haben, dauert es noch mal umso länger, weil wieder eine neue Periode kommt.

    Armbrüster: Frau Künast, Quote heißt ja immer auch, dass ein anderer diskriminiert wird. Können Sie verstehen, dass viele Leute deshalb ein grundsätzliches Problem mit einer Frauenquote haben?

    Künast: Wissen Sie, ich verstehe, dass es mit einem Problem anfängt, aber lassen Sie uns mal draufschauen. Nicht mit der Frauenquote werden Männer diskriminiert, sondern die Tatsache, dass Aufsichtsräte bisher noch oftmals Orte reiner Männerherrlichkeit sind, damit werden die Frauen diskriminiert. Im Grundgesetz steht, Frauen und Männer sind gleich und der Staat muss sich aktiv darum kümmern, dass Frauen an allen Stellen sind. Die zwei herausragenden Punkte sind: Frauen sind nicht in allen Jobs und Frauen verdienen in Deutschland immer noch 20 Prozent weniger für gleiche Jobs, 20 Prozent weniger als Männer. Also, werden die Frauen immer noch im 21. Jahrhundert diskriminiert.

    Armbrüster: Und Politiker wissen am besten, wer im Aufsichtsrat sitzen sollte?

    Künast: Nein. Aber wir haben das Grundgesetz und im Grundgesetz steht, wir haben einen aktiven Gleichstellungsauftrag, wir müssen Maßnahmen ergreifen. Und das Grundgesetz, mit zwei Dritteln im Bundestag und Bundesrat angenommen, verpflichtet mich zum Handeln. Und im Übrigen auch auf vielen Veranstaltungen Hunderte von Frauen, die auch in mittleren Management-Ebenen festsitzen und sagen, wir sehen gar nicht ein, warum wir da nicht auch sein dürfen. Vielleicht helfen uns Frauen in Aufsichtsräten, dass es endlich auch mehr Druck aus der Wirtschaft gibt, dafür, dass es Kindergartenplätze gibt in diesem Land, damit alle Frauen erwerbstätig sein können. Das wäre ja was.

    Armbrüster: …, sagt Renate Künast, die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. Vielen Dank, Frau Künast.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.