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"Ich wünschte mir eine soziale Staffelung"

Die Eurorettung erreicht ein neues Stadium: Beim Hilfspaket für Zypern sollen erstmals auch die Vermögen zyprischer Bankkunden herangezogen werden. Eine richtiger Schritt, sagt der Vizefraktionschef der SPD im Bundestag, Joachim Poß. Er fordert aber, die Kleinsparer zu entlasten.

Joachim Poß im Gespräch mit Peter Kapern | 18.03.2013
    Peter Kapern: Erst haben die europäischen Steuerzahler die Kosten der Finanz- und Schuldenkrise getragen, dann im Falle Griechenland mussten die privaten Kreditgeber beim Schuldenschnitt bluten, und jetzt tritt der Rettungsprozess in ein neues Stadium. Wer Geld auf zyprischen Banken liegen hat, der wird zur Kasse gebeten. Bis 100.000 Euro sind 6,75 Prozent fällig, darüber sogar 9,9 Prozent. Da mag manch einer Schadenfreude empfinden beim Gedanken an russische Oligarchen, die ihre Milliarden in der Inselrepublik geparkt haben sollen, aber zahlen müssen auch Kleinsparer. So haben es die Finanzminister der EU in der Nacht von Freitag auf Samstag beschlossen. Der Bundestag soll noch diese Woche dem Hilfspaket zustimmen. – Bei uns am Telefon der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Joachim Poß. Guten Morgen!

    Joachim Poß: Guten Morgen!

    Kapern: Herr Poß, am Wochenende hieß es, die SPD wolle heute entscheiden, ob sie dem Rettungspaket zustimmt. Nun hat das Parlament auf Zypern ja noch gar nicht abgestimmt. Stellt sich also die Frage: Gibt es überhaupt ein Rettungspaket, über das sich die SPD eine Meinung bilden kann?

    Poß: Ja das bleibt ja abzuwarten, wie die Parlamentsentscheidung heute auf Zypern ausgeht, und dann werden wir uns morgen in den Fraktionen ja mit dieser Frage beschäftigen. Also das kann man jetzt mit letzter Sicherheit wohl noch nicht beurteilen.

    Kapern: Was halten Sie von der Idee, dass Kleinsparer auf Zypern jetzt bluten sollen?

    Poß: Die Idee ist nicht, dass Kleinsparer auf Zypern herangezogen werden. So wie ich das verstanden habe, ist die Idee ja, dass gerade angesichts riesiger Bankeinlagen ungeklärter Herkunft die Beteiligung von Bankkunden im Prinzip richtig ist. Also ich halte das jedenfalls im Prinzip für richtig. Aber ich wünschte mir auch eine soziale Staffelung bei der Ausgestaltung. Das heißt, dass man die sogenannten Kleinsparer sicherlich ausnehmen sollte, dass man sozial staffelt, die Heranziehung. Aber wir haben es im Fall Zypern schon mit einer sehr speziellen Situation zu tun. Manche sprechen ja von Geldwäsche und Steuerparadies, und das nicht ohne Hintergrund, und deswegen macht es auch Sinn, wenn von den vielen Milliarden, die von Russen, Briten und anderen dort gehortet werden, wenn davon ein Beitrag geleistet wird zur Sanierung dieses Landes.

    Kapern: Nun hat die SPD, Herr Poß, ja monatelang danach gerufen, die russischen Geldanleger, die Oligarchen, die dort angeblich Milliarden liegen haben, zur Kasse zu bitten. Die Idee mit der sozialen Staffelung kommt Ihrer Partei aber ziemlich spät.

    Poß: Nein, es gab da überhaupt gar keine Klarheit - da bitte ich doch mal um etwas Gerechtigkeit -, in welcher Form denn die Heranziehung geschehen soll und ob es überhaupt geschieht. Das ist ja in der Tat, was den Euroraum angeht, ein Novum, mit dem wir es hier zu tun haben. Aber er sollte uns einen Hinweis darauf geben, dass in Zukunft auf jeden Fall, bevor der Steuerzahler eintritt, die Reichen und die Superreichen in den jeweiligen Ländern auch mit herangezogen werden, oder jedenfalls Geldbestände, die dort gelagert werden. Es geht hier nicht darum, dass man Zypern in besonderer Weise verfolgt in einem negativen Sinne, aber Zypern macht deutlich, wie wichtig es wäre, dass man das ganze Thema von Steueroasen, Wirtschaftskriminalität und Steuerdumping, das uns ja weltweit beschäftigt, dass man das insgesamt ins Visier nähme und das jetzt nicht nur bei Zypern belässt.

    Kapern: Nun hat die SPD – ich habe das ja eben gesagt – sehr lange nach einer Beteiligung großer russischer Vermögen an dieser …

    Poß: Nein, wir haben nicht von russischen Vermögen, da hat keiner von uns gesprochen. Sie bringen das da jetzt rein. Es wird vermutet, dass es dabei auch um Vermögen geht von russischen Staatsbürgern, das ist wohl richtig.

    Kapern: Das allerdings stand durchaus im Raum, Herr Poß. – Nun haben wir gelernt im Verlauf dieser Finanzkrise, dass es einen Tabubruch gab, als die Menschen lernen mussten beim Schuldenschnitt für Griechenland, dass europäische Staatsanleihen nicht mehr unter allen Bedingungen sicher sind. Und ist die Lehre dieses Zypern-Rettungspaketes nun, dass auch Spareinlagen nicht mehr sicher sind? Ist das die große Lehre für ganz Europa?

    Poß: Also ich denke, dass man in Zypern noch eine vertretbare Regelung im Blick auf die sogenannten Kleinsparer finden wird. Ansonsten ist die Heranziehung dieser Gelder mit einer Sonderabgabe ja unvermeidbar, wenn man diesen Staat retten will. Das muss man mal sehen. Ansonsten ist er nicht mehr lebensfähig. Das ist einfach eine schiere ökonomische Notwendigkeit, auch diese Gelder zu mobilisieren, bevor dann auch noch für Weiteres europäische Steuerzahler in Anspruch genommen werden. Also das will ich doch ganz deutlich sagen. Aber unsere Bedingungen sind ja noch andere. Wir wollen auch Klarheit haben über Geldwäsche, da steht noch ein Bericht aus. Wir sind auch noch nicht einverstanden mit dem Körperschaftssteuersatz, wohl wissend, dass Irland sozusagen das Alibi ist für eine solche Maßnahme. In Sachen Irland war es so, dass Frau Merkel davor sagte, natürlich hätte sie mit ihrem Einfluss verhindern können, dass man den Iren diesen 12,5-Prozent-Steuersatz zugesteht, und das rächt sich jetzt im Zusammenhang mit Zypern.

    Kapern: Der soll dort auch eingeführt werden, 12,5 Prozent. Der ist aber höher als der jetzige, das muss man hinzufügen.

    Poß: Ja, der soll auf 12,5 Prozent steigen. Ja natürlich, das habe ich jetzt unterstellt, dass der auf 12,5 Prozent angehoben wird. Aber es ist sozusagen in unseren Augen jedenfalls nicht ausreichend und wir erwarten natürlich auch von der zyprischen Politik, dass sie sich deutlich erklärt, dass sie bei einer Finanztransaktionsbesteuerung mitmachen will. Dieses Signal fehlt bisher und dieser Punkt ist auch in den bisherigen Verlautbarungen der Eurogruppe nicht angesprochen.

    Kapern: Aber vielleicht darf ich, Herr Poß, noch mal auf den Ausgangspunkt unseres Gespräches zurückkommen. Sie halten es für richtig, dass die Bankeinlagen belastet werden zur Rettung des Staates.

    Poß: … in einer sozial gestaffelten Weise, ja.

    Kapern: In einer sozial gestaffelten Weise, wenn sich das denn noch umsetzen lässt. Was, wenn die Sparer in Spanien, Italien, in Portugal jetzt die Lektion lernen und heute zu den Banken gehen und ihr Geld abholen?

    Poß: Also ich werde hier keine Spekulationen über einen Bank Run, ausgehend von Zypern, anstellen. Ich halte da manche Äußerungen, die da jetzt kommen, auch diese Diskussion insgesamt für fatal. Jeder, der sich ein wenig auskennt mit den Dingen, weiß, wie speziell auch die zyprische Situation ist. Es besteht jetzt keine Notwendigkeit, auf andere Länder zu rekurrieren. Wenn man über andere Länder nachdenkt, da müsste man dann eher über Vermögenssteuerregelungen und anderes reden. Das hätte man natürlich auch machen können, da sind wir sicherlich alle klüger geworden, bevor die erste Rettungsmaßnahme in Griechenland gelaufen ist. Wir müssen uns auch die Vermögenssituation, die Situation der privaten Vermögen in den EU-Staaten, in den Euro-Raum-Staaten und auch in denen, die Hilfe beanspruchen, noch genau anschauen.

    Kapern: Aber die Realität könnte ja eine andere sein heute, Herr Poß. Was, wenn die spanischen Sparer auf Zypern rekurrieren und die Lektion lernen?

    Poß: Aber aufgrund welcher Veranlassung sollte ich denn mich an einer solchen Diskussion beteiligen? Das ist nun wirklich, das halte ich nicht für verantwortlich, eine solche Diskussion zu führen, wie sie sich derzeit breitmacht.

    Kapern: Wird die SPD dem Paket zustimmen?

    Poß: Wir werden ja in dieser Woche erst eine Grundsatzbefassung haben und ich habe vorhin die Punkte genannt, die geklärt werden müssen, bevor wir dann sozusagen zur Sache selbst – und das wird ja wohl in der zweiten Hälfte April sein – zu einer Entscheidung kommen.

    Kapern: Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag, Joachim Poß, heute Morgen im Deutschlandfunk. Herr Poß, danke für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Poß: Bitte schön! – Tschüß!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.