Dienstag, 23. April 2024

Archiv


"Ich zahle eben immer weniger Steuern"

Die Steuersätze für reiche Menschen sind in der Vergangenheit immer weiter gesunken, stellt Peter Vollmer, Mitglied der Initiative "Appell für eine Vermögenssteuer", fest. Zusammen mit weiteren Millionären möchte er nun eine Vermögensabgabe für Reiche einführen.

Peter Vollmer im Gespräch mit Jürgen Liminski | 02.11.2009
    Jürgen Liminski: Eine Vermögensabgabe für Reiche, das ist der Traum der Linken und Revolutionäre, aber diesen Traum träumen auch drei Dutzend Millionäre in Deutschland, unter ihnen Peter Vollmer. Sie alle sind, wie sie in einem Manifest schreiben, durch Erbschaft, Arbeit, erfolgreiches Unternehmertum, oder Kapitalanlage zu ihrem Reichtum gelangt und finden es gerecht, diesen Reichtum zu teilen. Handelt es sich da um Idealismus, der politisch und gesellschaftlich nicht relevant ist, oder ist hier ein Weg, der Deutschland aus der finanziellen Misere führen könnte? Am Telefon begrüße ich Peter Vollmer, einen der knapp 40 Vermögenden. Guten Morgen, Herr Vollmer.

    Peter Vollmer: Einen schönen guten Morgen.

    Liminski: Herr Vollmer, ich vermute, Sie zahlen ordentlich Steuern. Warum wollen Sie noch mehr zahlen?

    Vollmer: Ich zahle eben immer weniger Steuern. Das ist die Frage. Ich habe angefangen mit einer Einkommenssteuer von 56 Prozent. Die wurde dann runtergesetzt auf 53 Prozent, dann wurde sie runtergesetzt auf 48 Prozent, dann auf 45 Prozent und dann auf 42 Prozent. Jetzt sind noch mal wieder drei Prozent oben draufgekommen. Das heißt, die Versteuerung von hohen Einkommen wird immer mehr reduziert. Und nun ist jetzt noch oben draufgekommen seit 1. Januar dieses Jahres, dass im Falle von Einkommen aus fest verzinslichen Papieren oder aus Sparguthaben und so weiter eine einheitliche Steuer eingeführt worden ist von 25 Prozent. Das heißt, auf diesen Teil zahle ich nicht mal mehr 45 Prozent, sondern nur noch 25 Prozent. Das ist fast noch mal eine Steuersenkung von 50 Prozent. Insofern verstehe ich fast gar nicht die Frage, warum Deutschland ein Hochsteuerland sein sollte. Es ist in Wirklichkeit ein Niedersteuerland.

    Liminski: Herr Vollmer, was hat Sie eigentlich bewogen, Ihr Vermögen zu schmälern? Das kann doch nicht nur das Faktum sein, dass Sie weniger Steuern zahlen.

    Vollmer: Ich bin verheiratet mit einer Lehrerin und meine Frau arbeitet in Neukölln. Das ist der größte Problembezirk in Berlin. Sie ist täglich zusammen mit den Kindern aus Familien von Hartz IV oder ohne jedes Einkommen. Es ist ein unglaubliches Elend, natürlich dann mit den entsprechenden Auswüchsen und Problemen, die daraus entstehen. Diese beiden Punkte haben wir täglich am Tisch. Meine Frau berichtet ständig von diesen Situationen und ich bin in der Situation oder die Familie insgesamt, dass wir immer mehr von unserem Einkommen und von unserem Vermögen erhalten und der Staat immer weniger Steuern nimmt, obwohl sie so dringend benötigt würden. Ich denke, das kann irgendwie nicht sein. Als jetzt am 1. Januar noch mal diese Steuern auf fest verzinsliches Geld um noch mal fast die Hälfte gesenkt wurden, sagte ich, das gibt es doch überhaupt nicht. Dann bin ich zufällig auf die gegründete Initiative gestoßen - ich bin nicht ein Initiator -, die genau sagen, wir müssen wieder eine Vermögensabgabe einführen, Vermögenssteuer - darauf werde ich vielleicht nachher noch mal eingehen -, und da dachte ich, das ist eigentlich richtig, dass Leute, die positiv davon betroffen sind, sagen, das muss überhaupt nicht sein, das kann anders sein. Ich glaube, da kann man dann politisch glaubwürdig aus dieser Position heraus argumentieren.

    Liminski: Sie kennen die Arbeitswelt und haben ja auch selber jahrelang als einfacher Arbeiter malocht, sind also kein naiver Philanthrop, nehme ich an. Was fordern Sie konkret, und zwar von sich und von der Regierung?

    Vollmer: Ich will ein bisschen noch mal dabei ausholen und zwei Sätze über die Vermögensverteilung hier in unserem Staat sagen. Es besitzen zehn Prozent der Reichsten 60 Prozent des Vermögens und die 50 untersten Prozent besitzen gar nichts, außer teilweise natürlich Schulden. Diese Schere ist in den letzten fünf Jahren, genauer gesagt von 2002 bis 2007, noch mal um drei Prozent auseinandergegangen. Das heißt, es wird insgesamt eine Politik gemacht, wo von unten nach oben verteilt wird. Sie müssten Ihre Frage jetzt noch mal eben wiederholen.

    Liminski: Was fordern Sie jetzt konkret von der Regierung?

    Vollmer: Es gab bis 1997 eine Vermögenssteuer in Höhe von einem Prozent und in allen Ländern der OECD gibt es solche Vermögenssteuern oder Besitzsteuern, also Grunderwerbssteuer, Erbschaftssteuer und so weiter. Diese machen im Durchschnitt der OECD-Länder 1,9 Prozent aus, in Deutschland sind es nur 0,9 Prozent und in unseren Nachbarländern wie zum Beispiel Frankreich sind es über drei Prozent, in England sind es über vier Prozent. Es ist also völlig üblich, dass so eine Vermögenssteuer bezahlt wird. Das war ja auch so bis 1997. Wir denken, dass bei den wachsenden Vermögen, was ich ja eben schon geschildert habe, es durchaus gut wäre, eine Vermögenssteuer wieder einzuführen. Aber das bringt ja auch erst mal weniger, diese ein Prozent. Es gibt ja einen großen Nachholbedarf. Wenn wir überlegen, dass in den letzten zwölf Jahren keinerlei Vermögenssteuer bezahlt worden ist, wenn wir da mal nur ein Prozent nehmen, wären das ja zwölf Prozent. Da haben wir uns gesagt, wir fordern zwei Jahre lang hintereinander je eine Vermögensabgabe von fünf Prozent, das sind zusammen zehn Prozent, und dann die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer.

    Liminski: Wie viel käme denn dann nach Ihren Berechnungen zusammen?

    Vollmer: Diese zehn Jahre zusammen, das sind um die 100 Milliarden Euro. Damit lässt sich manches Loch stopfen. Aber wir beziffern es als Vermögensabgabe und nicht Steuer. Steuer bedeutet ja, es kommt in den großen Topf und kann dann irgendwie umverteilt werden. Abgabe kann zielgerichtet sein und wir denken, dass insbesondere dieser große Batzen erst mal in Bildung, Gesundheit und Umwelt fließen soll. Das verbessert wirklich sehr stark die Chancengleichheit und Voraussetzungen, sich zu entwickeln, und schafft Arbeitsplätze und, denke ich, stellt eine ziemliche Verbesserung dar. Ein solches Konjunkturprogramm, möchte ich mal sagen, was man mit diesen 100 Milliarden anpacken würde, das haben wir mal befragen lassen. Wir haben mal eine kleine Emnid-Umfrage machen lassen, repräsentativ, aber natürlich nicht so sehr groß. 75 Prozent der deutschen Bevölkerung befürworten diese Abgabe.

    Liminski: Ab welcher Höhe gilt denn diese Abgabe? Müssen Familien der Mittelschicht um ihr klein Häuschen fürchten?

    Vollmer: Natürlich nicht. Es geht ja nicht darum, dass jemand irgendwas abgenommen wird, sondern es geht eigentlich nur darum, dass diejenigen, die dann auf nichts verzichten müssen, etwas von dem abgeben. Da ist die Ausstattung, wie wir sie planen, folgendermaßen: 500.000 Euro Besitz sind pro Person steuerfrei. Das heißt, für ein Ehepaar ist es eine Million. Bei Betriebsvermögen sind es drei Millionen, weil das ja noch viel sensibler ist. Und nur der Vermögensbetrag, der darüber liegt, der muss mit dieser Steuer besteuert werden. Das heißt, keiner muss sein Auto verkaufen, keiner muss auf den Urlaub verzichten, überhaupt nicht, sondern jeder kann seinen Standard behalten. Diejenigen, die davon betroffen werden, das sind in der Bundesrepublik Deutschland 2,2 Millionen Leute, und da kämen eben diese Summen zu Stande, mit denen man wirklich arbeiten kann.

    Liminski: Machen Sie sich mit diesen Ideen und Forderungen nicht unbeliebt bei Ihresgleichen, also bei diesen 2,2 Millionen Menschen?

    Vollmer: Na klar! Wer da nicht freiwillig abgibt, bei dem mache ich mich natürlich unbeliebt. Bloß das Freiwillige reicht ja nicht. Ich selbst habe, weil ich relativ viel Geld habe, eine Stiftung daraus gemacht. Die heißt "Menschenwürde und Arbeitswelt" und finanziert Projekte in diesem Bereich, weil ich so viel Geld übrig habe. Bloß wenn 100 Leute eine Stiftung machen, dann mögen vielleicht 10, 20, 30 Millionen zusammenkommen, die lösen aber das Problem überhaupt nicht. Ich denke, aus unserem Kreis macht mancher eine Stiftung und spendet insgesamt. Nur es geht darum, dass dort eine gesetzliche Situation geschaffen wird, wie das bei allen anderen Staaten auch so ist, und da kommen dann entsprechende Summen zu Stande und keiner ist irgendwie ein bisschen beeinträchtigt in seinem Leben.

    Liminski: Haben Sie Ihre Forderungen schon als Gesetz vorgeschlagen oder sonst wie in die Politik eingebracht?

    Vollmer: Nein. Wir haben sie jetzt nicht als Gesetz vorgeschlagen, bloß wir haben uns schon konkret überlegt und das auch so weit aufgezeichnet, wie das ausgestattet sein sollte. Da ist ja das Entscheidende erst mal diese 500.000 Euro Freibetrag. Das waren 1997, wenn ich mich richtig erinnere, glaube ich, bloß 200.000. Da griff die also eher. Wir haben uns sehr Gedanken darüber gemacht, dass der normale mittelständische Mensch davon nicht beeinträchtigt ist, dass überhaupt keiner in seinem Lebenslauf davon beeinträchtigt ist. Dann kam sehr schnell die Frage auf, wie ist es mit Arbeitsplätzen, Familienbetrieben, mittelständischen Betrieben, die können das vielleicht nicht gut bezahlen. Da haben wir festgelegt, drei Millionen sind frei, und ein normaler mittelständischer Betrieb hat keine drei Millionen Betriebskapital. Das heißt, die Sachen werden da ausgenommen, so dass es wirklich keinen negativen Effekt haben kann. Dass natürlich derjenige, der nur Lust hat, Geld zu scheffeln und damit Macht auszuüben, das nicht mag, das ist völlig klar, aber diese Menschen sind auch nicht in meinem Freundeskreis. Da habe ich von daher nicht so viele Probleme.

    Liminski: Herr Vollmer, eine letzte kurze Frage. Sind Sie in einer Partei?

    Vollmer: Nein, ich bin in keiner Partei und ich denke, die anderen auch nicht. Das ist ja der Charme der Initiative, dass wir freie Menschen sind, die, ich denke, auf Moral gestützt sagen, die Leute sollen alle gut leben, die Armen sollen nicht in dieser Armut leben, sondern die Schere muss ein bisschen wieder zusammenkommen und nicht weiter auseinandergehen. Dafür wollen wir uns einsetzen und versuchen, durch Öffentlichkeitsarbeit die Regierung dazu zu bewegen, in der Richtung zu gehen. Es sieht im Moment leider gerade genau umgekehrt aus.

    Liminski: Ein Reicher bittet seinesgleichen zur Kasse und plädiert für eine Vermögensabgabe. Das war hier im Deutschlandfunk der Millionär Peter Vollmer. Besten Dank für das Gespräch, Herr Vollmer.