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Idar-Oberstein
Goldschmied und Edelsteinschleifer über die Schulter geschaut

Seit 500 Jahren lebt Idar-Oberstein von Edelsteinen, anfangs kamen sie aus den Minen im Hunsrück. Im 19. Jahrhundert brachten Auswanderer aus dem Hunsrück die ersten Edelsteine aus Brasilien. Importe aus aller Welt werden seither in der Stadt an der Nahe geschliffen. Rund 400 Handwerksbetriebe sind hier noch ansässig.

Von Anke Petermann | 04.12.2014
    Mit einer Lupenbrille vor Augen beugt sich Peter Lind über die Schleifscheibe, einen blassblauen Saphir hat er auf dem Schleifstab befestigt.
    "Da ist ein Stein in einem Facettenschliff, die werden jetzt hier nachgeschliffen."
    Damit glättet der Schleifer eine winzige Unregelmäßigkeit. Ein benachbarter Goldschmied setzt den nachgeschliffenen Saphir wieder in den Ring ein, der verkauft werden soll. 120.000 Euro ist allein der Stein wert, mit 2 mal 1,5 Zentimeter ein riesiges Exemplar.
    "Es gab ein Zertifikat von diesem gemmologischen Institut", in Idar-Oberstein, das die Echtheit, Reinheit, Farbintensität und Schliff als Qualitäten belegt, "und es ist ein Stein, der mit diesem Zertifikat verkauft werden kann, der Kunde verlangt aber natürlich, dass der Stein in einwandfreiem Zustand sein muss."
    Edelgeschnmeide aus Fernost
    Als Nächstes schleift und poliert Peter Lind einen Smaragd nach, der keiner ist. Diese bittere Wahrheit musste der Gemmologe seinem Kunden vor dem Schleifen eröffnen. Gekauft hatte der den angeblichen Edelstein-Goldring für 450 Dollar in Malaysia, der Preis sei im Grunde okay, meint der Schleifer. Denn der 750er-Stempel belegt einen Goldanteil von 75 Prozent an der Metalllegierung, einen Reinheitsgrad also von 18 Karat. Den hellrosafarbenen Stein will Lind noch untersuchen, vermutlich ist es ein "synthetischer" Smaragd.
    "Der natürliche Entstehungsprozess wird dann quasi simuliert im Labor, und da gibt es ganz verschiedene Möglichkeiten."
    Und zwar immer bessere, sodass es auch für Experten zunehmend schwieriger wird, geschürfte Steine von synthetischen zu unterscheiden. Desto stärker sind Händler und Kunden auf eine seriöse Kennzeichnung angewiesen. Diamanten aus der Retorte gibt es schon lange, auch Omas Erbstück kann dazu gehören.
    "In den wirtschaftlich schwachen Jahren in Europa wurden sehr viele synthetische Steine geschliffen und auch in Gold gefasst. Die Leute meinen heute oft, das ist von meiner Oma, das kann nicht sein, aber damals war das normal, dass man so einen Ring geschenkt hat aus Gold, aber dann halt einfach mal mit einem synthetischen Rubin, und das wurde auch so deklariert, es wurde damals niemand wissentlich übers Ohr gehauen."
    Schmuckdesign aus der Region
    Ortswechsel: Hoch überm Nahetal im Hunsrück hat Jennifer Sauer ihr Schmuckatelier. Beim Design lässt sie sich von der waldigen Umgebung inspirieren, Pilz- und Eichelformen, raue, "organische" Oberflächen. Hochglanzpolitur ist für die Goldschmiedin kein Qualitätsmerkmal per se. Unter ihrer Werkbank hat sie eine Art Säckchen gespannt:
    "Hier unten ist ein Fell, das das Edelmaterial wieder auffängt, und jeder Krümel wird gesammelt, und auch das kann man wieder recyceln, und auch daraus wieder neues Material gewonnen."
    Das Gold bezieht Jennifer Sauer aus einer Scheideanstalt. Teilweise schmilzt sie das Edelmetall auch selbst ein und schlägt ihren Kunden vor:
    "Bringen Sie ihr Altgold: Man kann es umformen, einschmelzen, noch mal neu auflegieren, um dann ein Schmuckstück anzufertigen. Das finde ich besser, das Gold zu nutzen, was da ist, als weiter die Erde auszugraben."
    Bei den Steinen spielt für die Schmuckdesignerin in erster Linie das Vertrauen zum Händler eine Rolle:
    "Der einem dann auch schriftlich oder mündlich versichert, ich weiß, wo die Steine herkommen, aus welcher Mine die sind."
    Jennifer Sauer arbeitet auch mit dem Edelsteinschleifer Peter Lind zusammen. Der ist Mitbegründer eines Fair-Trade-Vereins und hält Kontakt zu entsprechenden Edelsteinminen.
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