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Ideale Weihnachtsbäume
Die Klon-Tannen kommen

Der ideale Weihnachtsbaum ist nicht leicht zu finden - und auch der Anbau ist schwierig: Nur 60 Prozent der angepflanzten Bäume eignen sich schließlich zum Weihnachtsbaum, sagte der Forscher Kurt Zoglauer im Dlf. An der Humboldt-Universität setzt er für den perfekten Baum auf das Klonen von Zellkulturen.

Kurt Zoglauer im Gespräch mit Arndt Reuning | 21.12.2017
    Geschenke liegen unter einem Weihnachtsbaum
    Er gehört zu Weihnachten einfach dazu: Ein Tannenbaum. (dpa / picture-alliance / Rolf Vennenbernd)
    Arndt Reuning: Der Weihnachtsbaum Nummer eins in deutschen Wohnzimmern ist die Nordmanntanne. Und bei denen ist es gar nicht selbstverständlich, dass sie gerade und gleichmäßig wachsen. Das liegt oft schon an der minderen Qualität der Samen. Pflanzenforscher aus Berlin arbeiten nun daran, diese und andere Koniferen auf einem alterativen Wege zu vermehren, nämlich in der Zellkultur. Dazu wählen sie besonders prächtige Tannen aus und entnehmen deren Samen eine winzige Gewebeprobe. Ähnlich wie Stammzellen lässt sich dieser Zellhaufen im Labor nahezu beliebig vermehren und zerteilen. Eine Quelle für unzählige Ableger, die dann wieder zu Bäumen heranwachsen. Sie besitzen alle dasselbe Erbgut, es handelt sich also um Klone. Mit einem dieser Experten, die an dieser Methode arbeiten, habe ich vor der Sendung telefoniert mit Prof. Kurt Zoglauer von der Humboldt-Universität zu Berlin.
    "Er soll nicht nur schön sein, er soll auch gut wachsen"
    Ich wollte von ihm wissen, nach welchen Gesichtspunkten er die Nordmanntannen auswählt, die er im Labor klont. Oder anders: Was macht den idealen Weihnachtsbaum aus?
    Kurt Zoglauer: Ich hätte beinahe gesagt, dass er natürlich grün ist, das heißt also, dass er einen sehr schönen Wuchs hat, dass er schlank ist, dass er vielleicht nicht nur grün ist, sondern auch ein bisschen bläulich schimmert. Aber da gibt es durchaus ganz unterschiedliche individuelle Vorlieben, die man hat, sodass man sowieso nicht einen haben kann, den man allen anbietet, sondern man braucht schon ein gewisses Spektrum an Bäumen, weil ja jeder besondere Interessen hat. Aber in jedem Fall soll er natürlich ideal gewachsen sein, eine sehr schöne Verzweigung haben, er soll relativ dicht sein. Er soll die Nadeln lange behalten, damit man nicht gleich kurz nach Weihnachten die ganzen Nadeln im Wohnzimmer liegen hat. Und er soll natürlich beim Weihnachtsbaumanbau - die werden ja im Regelfall auf Flächen kultiviert und regelrecht für Weihnachten produziert - für den Weihnachtsbaumproduzenten auch einen günstigen Ertrag bringen. Das heißt, er soll nicht nur schön sein, er soll auch gut wachsen, und er soll dann im Bestand wenig Verluste aufweisen. Und ein Problem, das dabei existiert, ist, dass der Weihnachtsbaumanbau meist nur so im Bereich von 60 Prozent ideale Bäume liefert. Die anderen leiden an irgendwelchen Problemen, krummer Wuchs oder eine ungünstige Verzweigung, sodass sie dann im Lauf der Entwicklung aussortiert werden müssen, oder eben nicht als 1-A-Qualität in den Weihnachtsbaumverkauf kommen.
    Reuning: Und mit Ihrer Zellkulturmethode könnte man diese Quote verbessern?
    Zoglauer: Wir hoffen das und wir wünschen uns das, und wir sehen es schon, dass wir einzelne Klone haben, also einzelne Genotypen, die wir genetisch identisch vermehren können in großer Anzahl, dass sie schon in den Merkmalen manchmal ideal sind. Ich sage bewusst manchmal, denn nicht alles, was wir klonal vermehren, ist wirklich auch so, wie wir es uns wünschen. Es ist eben immer nur ein gewisser Anteil der Gesamtheit wirklich so gut, dass viele positive Eigenschaften dann wirklich bei so einem Individuum auftreten. Aber wenn, dann natürlich alle genetisch gleichen Nachkommen. Die sind natürlich in dieser Weise auch ideal.
    "Die großen Herausforderungen liegen sicherlich darin, dass man relativ viel Zeit benötigt"
    Reuning: Wo liegen denn noch die großen Herausforderungen bei diesem Verfahren, bei der Vermehrung in der Zellkultur?
    Zoglauer: Die großen Herausforderungen liegen sicherlich darin, dass man relativ viel Zeit benötigt, ehe man die Vielzahl der Klone, die mittlerweile existieren, tatsächlich im Feldversuch getestet hat und untersucht hat, ob sie in allen gewünschten Merkmalen auch tatsächlich den Anforderungen entsprechen. Und ein Weihnachtsbaum entwickelt sich ja nicht so sehr schnell. Der wächst nicht so schnell wie eine Pappel. Der ist also im Alter von vier Jahren so ungefähr 25, 30 Zentimeter hoch. Damit können Sie noch nicht allzu viel anfangen. Und bis er dann als Weihnachtsbaum geerntet wird, kann er dann schon zehn, zwölf, vierzehn Jahre alt sein. Und während dieser Entwicklungszeit dürfen natürlich keine nennenswerten Probleme oder Störungen auftreten. Und eines dieser Probleme, das natürlich auftreten kann und auch häufig auftritt, ist zum Beispiel ein Problem mit Spätfrösten. Damit sind solche gemeint, die dann irgendwann unerwartet noch im Mai auftreten, oder sogar bis Anfang Juni in manchen Anbaugebieten. Und zu dieser Zeit sind die also üblicherweise beim Austreiben. Und wenn Sie die jungen Triebspitzen haben, und sie bekommen dann über Nacht ein paar Grad Frost, dann erfrieren die komplett, hängen braun herunter, und mit diesem Baum können Sie erst mal nicht viel anfangen.
    Reuning: Das heißt, Sie könnten auch solche Bäume finden, die besonders unempfindlich sind gegenüber Frost.
    Zoglauer: Genau. Und dieses Unempfindliche gegenüber Spätfrösten, das kann man am besten dadurch in den Griff bekommen, dass man am besten solche Individuen selektiert, die ganz spät treiben. Für den Weihnachtsbaumanbau besteht kein Vorteil darin, dass er möglichst zeitig im Mai oder noch Ende April austreibt. Sondern er muss so spät wie möglich treiben, wenn keine Gefahr mehr besteht, dass in irgendeiner Form noch ein Spätfrost auftreten kann.
    Reuning: Und was glauben Sie, wann stehen die ersten geklonten Weihnachtsbäume in den Wohnstuben?
    Zoglauer: Solche einzelnen Genotypen, die sehr gut aussehen, die auch spät treiben und wenig empfindlich sind, die gibt es schon. Die sind also in Feldtests gelaufen. Die haben dann jetzt diese Größe, dass man diese Merkmale einschätzen kann. Und diese einzelnen Klone, da kommt dann an uns der Hinweis zurück, der und der ist von Interesse. Und dann kann man die natürlich aus der Konservierung holen und kann sie dann für den Anbau vorbereiten. Bloß, dann sind sie auch erst mal wieder klein. Man fängt ja immer wieder auf der Größe eines Embryos an, und dann brauchen sie die gleiche Entwicklungszeit, bis sie tatsächlich wieder hiebreif sind, also geerntet werden können fürs Wohnzimmer. Das dauert also wieder zehn, zwölf Jahre oder 14 Jahre. Also es dauert schon eine Weile. Also die ersten, die von solchen Versuchsflächen kommen, die landen jetzt schon mal gelegentlich im Verkauf oder in einem Wohnzimmer.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.