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Idee einer europäischen Armee
Polen reagiert zurückhaltend

In Polen wird die Idee einer gemeinsamen europäischen Armee mit Zurückhaltung aufgenommen. Sowohl Regierung als auch Opposition halten ein weiteres Militärbündnis neben der NATO nicht nur für unnötig - sie fürchten gar eine Schwächung des bestehenden Bündnisses.

Von Henryk Jarczyk | 10.03.2015
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    Eine gemeinsame europäische Armee ist keine gute Idee - so die parteiübergreifende Meinung in Polen. (picture alliance / dpa / Pierre Heckler)
    Es gibt nicht wirklich viele Punkte, in denen sich Regierung und große Oppositionsparteien in Polen einig sind. Wenn es aber um die Sicherheit des Landes geht, dann ziehen sie doch alle an einem Strang. Und halten die NATO für den besten Garanten, um etwa drohender Gefahren aus dem Osten zu begegnen.
    "Damit eine europäische Armee entstehen kann, muss es zunächst eine gemeinsame Außenpolitik der EU geben. Außerdem sind die Europäer mental noch nicht darauf vorbereitet, eine gemeinsame Armee zu akzeptieren. Verteidigungskräfte sind nach allgemeinem Verständnis ein wichtiger Teil der Staatssouveränität. Niemand will das aufgeben."
    So wie der Warschauer Militärexperte, Tadeusz Wrobel, denken viele in Polen. Die von Jean-Claude Juncker ins Gespräch gebrachte Idee, heißt es in den Reihen der polnischen Regierungskoalition zudem, würde die bereits vorhandenen Sicherheitsstrukturen außer Acht lassen. Ein Militärbündnis, meint etwa Pawel Zalewski von der Bürgerplattform, sei da schließlich völlig ausreichend:
    "Der Schlüssel zur europäischen Sicherheit liegt im atomaren Gleichgewicht gegenüber Russland. Und nur die Amerikaner sind in der Lage, dieses Gleichgewicht aufrecht zu erhalten. Europa kann aufgrund bestehender Verträge keine neuen Atomwaffen anschaffen. Kurzum: Die Bildung einer europäischen Armee ist keine gute Idee. Sie lenkt uns nur von der Diskussion ab, wie man bereits bestehende Verpflichtungen realisiert."
    "Nicht zeitgemäß"
    Stichwort langjährige europaweite Kürzungen der Militärbudgets mit den heute dazu gehörenden negativen Folgen. Die in letzter Zeit bekannt gewordenen Pannen bei der deutschen Bundeswehr wurden in Polen mit Staunen und entsprechend großem Augenmerk verfolgt. Insofern wird es als besonders interessant empfunden, dass Junckers Visionen ausgerechnet in Berlin so viel Beifall auslösen. Zumal die Vorschläge alles andere als neu seien, findet zumindest Politikwissenschaftler Wieslaw Debski:
    "Bereits Jaroslaw Kaczynski hat sich vor Jahren damals als Premier dazu geäußert. Er stellte in diesem Zusammenhang die Frage, woher solle man dafür das Geld nehmen? Denn die Armee wäre natürlich sehr nützlich, aber niemand will sie finanzieren. Hinzu kommt noch die Befürchtung, dass eine europäische Armee die NATO schwächen würde."
    Ähnlich argumentiert auch der militärische Berater der polnischen Regierung. Vorschläge, eine europäische Armee zu gründen, so General Boguslaw Pacek, gingen an der Realität vorbei. Hilfreich seien sie in der momentanen Situation jedenfalls nicht:
    "Das Gerede über die Schaffung einer europäischen Armee ist nicht zeitgemäß. Höchstens als eine Idee der fernen Zukunft. Von Vereinigten Staaten von Europa träumen auch viele, trotzdem sollten wir uns mit diesem Thema heute nicht beschäftigen."
    Zu viele Meinungsunterschiede?
    Außerdem - so die Argumentation in Polen - gäbe es bereits funktionierende internationale militärische Strukturen, wie etwa das Nord-Ost-Korps in Stettin. Eines von vielen multinationalen NATO Hauptquartieren an dem sich polnische, dänische sowie deutsche Offiziere der jeweiligen Landstreitkräfte beteiligen. Kein Kampfverband, sondern eine von vielen schnell verlegbaren NATO-Stabsstellen in erster Linie mit Managementaufgaben. Ein Beispiel dafür, dass innerhalb des Verteidigungsbündnisses Kooperation auf europäischer Ebene längst verwirklicht wurde, und zwar. In Kreisen der rechtskonservativen Opposition gehen die Politiker noch einen Schritt weiter. Der Tenor hier: Solange in Europa eine militärische Unterstützung für die Ukraine grundsätzlich abgelehnt werde, sei es auch kaum vorstellbar, dass ausgerechnet die EU eine funktionierende Armee aufstellen könnte.
    "Auch wenn ein Wunder geschehen würde und alle EU-Finanzminister für die Armee Geld geben sollten, dann dürften Meinungsunterschiede und verschiedene Prioritäten der europäischen Länder dazu führen, dass es eine Armee wäre, die ständig darüber debattiert, ob man eine Aktion unternimmt, oder auch nicht. Die brutale Wahrheit lautet doch: Damit es eine starke Armee gibt, braucht man auch ein starkes Kommando."
    Ein starkes Kommando, von dem es europaweit nichts zu sehen gäbe, spotten die Rechtskonservativen. Und verschweigen dabei, dass der in Smolensk ums Leben gekommene polnische Präsident Lech Kaczynski bereits 2007 die Idee einer europäischen Armee auch schon mal hatte. Was damals sowohl in Brüssel als auch anderenorts innerhalb der EU nur für lautes Gelächter gesorgt hat.