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Soziale Chemosignale
Menschen mit Autismus können Duftsignale nicht deuten

Bislang ist unklar, warum es autistischen Menschen schwerfällt, die Gefühlslage anderer einzuschätzen. Forschungen am Weizmann Institut in Israel geben nun aber Hinweise darauf, dass menschliche Duftsignale und ihre Wahrnehmung, damit zusammenhängen könnten.

Von Magdalena Schmude | 28.11.2017
    Verschwommener Gesichtsausschnitt - Mund und Nase sind zu sehen
    Eines der am besten untersuchten sozialen Chemosignale des Menschen ist in Angstschweiß enthalten. (picture alliance / Klaus Rose)
    Yaara Endevelt-Shapira forscht am Weizmann Institut in Rechovot in Israel. Sie beschäftigt sich für ihre Doktorarbeit mit sozialen Chemosignalen, also den biochemischen Botschaften unserer Mitmenschen, die uns über die Nase erreichen.
    "Für mich sind Chemosignale eine Art Sprache ohne Wörter, die wir unbewusst verwenden, um Informationen weiterzugeben. Weil Autisten Probleme bei der Interaktion und Kommunikation mit anderen Menschen haben, dachten wir, dass sich das auch in ihrer Wahrnehmung von sozialen Chemosignalen widerspiegeln könnte. Dass sie die Signale anders verarbeiten und deshalb teilweise missdeuten."
    Chemosignale des Menschen
    Eines der am besten untersuchten sozialen Chemosignale des Menschen ist in Angstschweiß enthalten und teilt dem Empfänger mit, dass der Absender gestresst ist. Welche Substanzen im Schweiß uns diese Information genau liefern, ist zwar nicht bekannt. Aber es ist klar, dass der Geruch von Angstschweiß beim Empfänger eine körperliche Reaktion auslöst, die sich ähnlich wie mit einem Lügendetektor messen lässt. Das machte sich Yaara Endevelt-Shapira zunutze, um Autisten und normal entwickelte Testpersonen zu vergleichen.
    "Im ersten Experiment haben wir die körperliche Reaktion auf den Geruch von Angstschweiß getestet. Und wir haben herausgefunden, dass normal entwickelte Testpersonen wie erwartete mit physiologischer Erregung reagierten, während die Autisten keine Reaktion zeigten."
    Die autistischen Testpersonen konnten den Angstschweiß zwar wahrnehmen, wenn sie an einer Probe davon rochen, und bewerteten Gesichter ähnlich wie gesunde Probanden anschließend eher als ängstlich. Doch wenn der Duft ihnen unbewusst präsentiert wurde, löste das im Schweiß enthaltene Chemosignal bei ihnen keine messbare Reaktion aus.
    "Deshalb wollten wir untersuchen, ob der Angstschweiß eine Auswirkung auf das Verhalten der Probanden hatte. Dafür haben wir einen Testaufbau entworfen, bei dem die Testpersonen tatsächlich handeln mussten, also nicht nur vor einem Monitor saßen. Sie sollten herumlaufen und mit zwei lebensgroßen Schaufensterpuppen interagieren."
    Angstschweiß von gestressten Personen
    Wenn sich eine Testperson näherte, verströmten die Puppen aus den Nasenlöchern entweder Angstschweiß oder den Schweiß von ungestressten Personen. Gleichzeitig gaben sie den Probanden Tipps, wie sie eine Aufgabe, die ihnen im Anschluss gestellt wurde, schneller lösen konnten. Dabei wussten die Probanden nicht, ob diese Tipps richtig waren oder nicht. An der Reaktionszeit der Probanden bei der anschließenden Aufgabe konnten die Forscher dann ablesen, ob die Testpersonen dem Tipp der jeweiligen Puppe gefolgt waren, sie also für vertrauenswürdig hielten oder nicht.
    "Und dabei haben wir etwas sehr Interessantes herausgefunden. Während normal entwickelte Testpersonen der Puppe mit dem neutralen Sportschweiß stärker vertrauten als der nach Angst riechenden, war es bei den Autisten andersherum. Sie hatten mehr Vertrauen in die Puppe, die Angstschweiß verströmte. Ich kann nicht sagen, ob dieser Unterschied in der Verarbeitung der einzige Grund für ihren Zustand ist. Aber er erklärt wahrscheinlich, warum sie in sozialen Situationen so anders reagieren."
    Als Nächstes will Yaara Endevelt-Shapira jetzt untersuchen, ob sich die unterschiedliche Verarbeitung der Chemosignale auch im Gehirn von Autisten beobachten lässt.