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Ig-Nobelpreise 2016
Spiegel gegen Juckreiz

Klamauk an der US- Eliteuniversität Harvard: Einmal im Jahr werden in der ehrwürdigen Lehrstätte die Ig-Nobelpreise verliehen. Das sind "unwürdige" Auszeichnungen für Wissenschaftler. Die Medizin-Trophäe ging an ein Forscherteam aus Deutschland und seinen heilenden Spiegel. Auch VW konnte abräumen.

Von Volker Mrasek | 23.09.2016
    Eine Frau blickt in einen Spiegel.
    Danke eines Spiegels könnte Juckreiz in Zukunft der Vergangenheit angehören, wie Lübecker Forscher herausfanden. (imago/Westend61)
    Dass die Harvard-Universität eigentlich eine ehrwürdige Lehrstätte ist, vergisst man bei der Vergabe der Ig-Nobelpreise jedes Mal. Bei dem ganzen Klamauk, der sich auch diesmal wieder durch die Zeremonie zog, die gute Nachricht zuerst: Der vergnüglichste aller Nobelpreise ging in dieser Nacht gleich dreimal nach Deutschland!
    Juckreiz adé
    Die Medizin-Trophäe ergatterten Forscher der Klinik für Neurologie an der Universität Lübeck. Für eine erstaunlich einfallsreiche Methode, um Juckreiz zu lindern. Einer aus der Gruppe war da und erläuterte sie dem Publikum:
    Conferencier: "Please welcome Andreas Sprenger!" - Sprenger: "Stellen Sie sich vor, Sie haben Juckreiz am rechten Arm. Was machen Sie also? Sie kratzen und kratzen, und nach einer Weile blutet es. Was könnte man tun, um das zu vermeiden? Ganz einfach! Sie tricksen Ihr Gehirn aus! Sie stellen sich vor einen Spiegel. Dann hält Ihr Gehirn den rechten für den linken Arm. Und wenn Sie sich dann den falschen rechten kratzen, lässt der Juckreiz nach. Das ist es schon!"
    Spieglein, Spieglein an der Wand, das war bisher unbekannt.
    Conferencier: "The chemistry price!"
    Das war mal eine echte Überraschung. Aber keine freudige! Jedenfalls nicht für den Gewinner, der ebenfalls aus Deutschland kommt. Der Chemie-Preis ging nämlich an Volkswagen. Also an VW in Wolfsburg.
    Chemie-Preis für VW
    Conferencier: "Für die Lösung des Abgas-Problems von Autos durch automatische Verringerung der Emissionen, wann immer Fahrzeuge getestet werden."
    Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen!
    Conferencier: "The winner could not or would not join us this evening!"
    Tja, der Gewinner nahm den Preis leider nicht persönlich in Empfang. Wahrscheinlich wollte sich einfach niemand von VW fragen lassen, wie stickig die Anreise im realen Fahrbetrieb denn so gewesen sei .
    Lügen-Studie aus Deutschland
    Einen deutschen Anteil gibt es auch beim Ig-Nobelpreis für Psychologie. Kristina Suchotzki von der Universität Würzburg bekam ihn zusammen mit Kollegen aus Belgien, den Niederlanden und den USA. Für eine echt knifflige Studie, wie man sagen muss:
    Die Forscher baten tausend Leute, ihnen ehrlich zu sagen, wie häufig sie lügen. Heraus kam: Jeder tut das, und zwar täglich! Nur: Inwieweit konnten die Psychologen ihren Studienteilnehmern und notorischen Lügnern dann überhaupt glauben? Für Ko-Autor Bruno Verschuere von der Universität Amsterdam steht jedenfalls fest: Wir sollten nicht mit dem Finger auf andere zeigen:
    "Als klinischer Psychologe liebe ich den US-Wahlkampf. Ich meine, Hillary Clinton und Donald Trump wurden beide als pathologische Lügner hingestellt. Doch was heißt das eigentlich? Nach unserer Studie sagen Menschen im Schnitt 2,2-mal am Tag die Unwahrheit. Also sind Clinton und Trump auch bloß ganz normale Lügner wie wir alle!"
    Weitere bahnbrechende Erkenntnisse
    Was gab es sonst noch neben vielen pausenfüllenden Experimenten? Zum Beispiel den Briten Thomas Thwaites, der auf allen Vieren über die Bühne stakste. Mit selbstgefertigten seltsamen Prothesen ahmte er den Gang einer Ziege nach. So hatte er in den Alpen zeitweilig unter den Tieren gelebt. Belohnt wurde das jetzt mit dem Ig-Nobelpreis für Biologie. Den bekam übrigens auch Charles Foster, ebenfalls Brite. Er mischte sich sogar unter Dachse, Otter, Füchse und Hirsche.
    Für einen Lacher gut war auch der Ig-Nobelpreis für Wahrnehmung. Zwei Japaner fanden heraus, dass die Dinge kleiner wirken, wenn man sich hinunterbeugt und sie rückwärts durch die gespreizten Beine betrachtet. Wozu solche Forschung gut sein mag - vielen Besuchern der gestrigen Zeremonie wird sich das auch am Tag danach noch nicht erschlossen haben.