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Illegale Arbeiter in Frankreich

Vor acht Wochen haben ausländische Arbeitnehmer, die illegal in Frankreich leben und arbeiten, einen Streik begonnen. Grund: Unerträgliche Arbeitsbedingungen. Vor allem Zeitarbeitsagenturen und kleine Unternehmen sind betroffen. Die Regierung will die Regeln verschärfen - doch die Arbeitgeber glauben nicht, dass sie tatsächlich hart durchgreifen wird.

Von Bettina Kaps | 15.12.2009
    Ein Film vom Handy: Zu sehen sind Schwarzafrikaner, sie renovieren über Nacht eine Pariser Metrostation. Die Männer tragen Kübel mit kochend heißem Teer, gießen die dampfende Masse auf den Bahnsteig, streichen sie mit der Maurerkelle glatt. Andere hieven alte Bodenplatten auf den Kopf und steigen damit die Treppen hoch. Kein Einziger trägt Atemmaske oder Helm. Zustände wie im 19. Jahrhundert.

    Den Film haben die Arbeiter selbst gedreht und mithilfe der Gewerkschaft CGT ins Internet gestellt. Die Männer waren als Zeitarbeiter bei einer Zulieferfirma der Metro beschäftigt. Sie haben keine Aufenthaltserlaubnis. Jetzt streiken sie, um ihre Legalisierung durchzusetzen.

    Die staatliche Betreibergesellschaft der Metro reagierte sofort: In einem Kommuniqué betonte die RATP, sie wisse nichts von illegalen Arbeitern in der Metro. Von ihren Zulieferfirmen verlange sie strenge Einhaltung der Gesetze. Aber genau da, bei der Aufstückelung des Marktes an Sub- und Subsubunternehmer kommt es oft zu Missbrauch, sagt Johann Le Goff. Er kennt sich aus. Der 34-Jährige ist Chef einer Firma für Verkabelungstechnik:

    "Man spricht von ´Auslagerung vor Ort´. Das bedeutet: Man lässt die Leute schwarzarbeiten oder man nimmt illegale Arbeiter, die man ausbeuten kann, weil man weiß, dass sie keine Papiere besitzen und Angst vor Kündigung oder Ausweisung haben. So lassen sich völlig unrealistische Rentabilitätsraten erzielen."

    Frankreichs Arbeitsminister Xavier Darcos hat der Schwarzarbeit jetzt den Kampf angesagt. Ab nächstem Jahr, so kündigte er an, werde es verstärkte Kontrollen geben. Firmen, die illegal Mitarbeiter beschäftigen, müssen dann mit Geldstrafen und Zwangsschließung rechnen. Die Drohungen des Arbeitsministers hält Firmenchef Le Goff für reinen Aktionismus. Darcos packe das Problem nicht an der Wurzel:
    "Um dieses Unwesen zu beseitigen, muss man nicht nur die Zulieferer, sondern auch die Auftraggeber strafrechtlich verantwortlich machen. So was gibt es ja schon. Wenn ein Subunternehmen keine Sozialabgaben zahlt, kann der Auftraggeber in die Verantwortung gezogen werden. Das ließe sich auch auf die illegalen Arbeiter übertragen. Es gibt also Lösungen. Aber die Regierung begnügt sich mit Drohgebärden, weil sie das Problem der illegalen Arbeiter nicht wirklich beseitigen will."

    Der Arbeitgeberverband Medef schiebt die Verantwortung ebenfalls auf den Staat. Die betroffenen Firmen stellten nicht etwa Arbeiter ohne Aufenthaltserlaubnis ein, sondern Arbeiter mit gefälschten Papieren oder mit Papieren, die sie sich widerrechtlich angeeignet hätten. Die Unternehmen seien nicht in der Lage, solche Täuschungsmanöver aufzudecken, das sei vielmehr Aufgabe der Behörden. Tatsächlich zahlen in Frankreich viele illegale Arbeiter heutzutage Steuern und Sozialabgaben, eben auf Grundlage gefälschter Papiere. Dass das den Staat nicht stutzig macht, wundert manchen Arbeitgeber.

    Violaine Carrère ist Rechtsberaterin beim Verband GISTI, der Immigranten juristischen Beistand leistet. Sie weiß, wie die Arbeiter zu ihren falschen Papieren kommen:

    "Die illegalen Arbeiter haben in der Regel zwei, drei, vier Familiennamen. Oft ist es der Chef, der ihnen sagt: Jetzt heißt du nicht mehr X sondern Y - man schlägt ihnen also Wege vor, sich fremde Papiere zu beschaffen, die die Firma problemlos vorzeigen kann. Die Präfektur wird das Papier für gültig erklären, allerdings handelt es sich dabei um die Aufenthaltserlaubnis eines Vetters, Bruders oder Freundes des Angestellten."

    Johann Le Goff hatte selbst schon mal einen Mitarbeiter ohne Aufenthaltserlaubnis. Den Algerier hatte ihm eine Zeitarbeitsfirma geschickt. Weil er mit seinem Angestellten überaus zufrieden war, wollte Le Goff ihn behalten und legalisieren lassen. Die Prozedur dauerte 18 Monate, sie kostete enorm viel Zeit und Geld: 1700 Euro. Das kann sich nicht jeder Chef leisten. Den Vorwurf, die Ausländer nähmen den Franzosen Arbeit weg, lässt Le Goff nicht gelten:

    "Wir suchen immer noch Personal. Wir verlangen nicht viel: Die Kandidaten müssen höflich, pünktlich, kollegial und ehrlich sein. Sie müssen nicht einmal Vorkenntnisse in unserer Sparte haben. Trotzdem finden wir praktisch niemand, der ein solches Profil hat."