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Illegaler Tickethandel in Rio
Ermittler beklagen fehlende Kooperation des IOC

Zur Paralympics-Eröffnungsfeier ist IOC-Präsident Thomas Bach nicht nach Rio gekommen. Das bedauert auch die brasilianische Polizei. Die will sich nämlich mit ihm über Patrick Hickey unterhalten, dem illegaler Tickethandel zur Last gelegt wird. Doch die Ermittler beklagen ein kooperationsunwilliges IOC.

Von Carsten Upadek | 09.09.2016
    Thomas Bach und Patrick Hickey bei einer Versammlung 2015
    Thomas Bach und Patrick Hickey bei einer Versammlung 2015 (Vit Simanek/imago)
    In Rio de Janeiro kritisierten gestern Abend leitende Ermittler des Betrugsdezernats der Kriminalpolizei die Bereitschaft des Internationalen Olympischen Komitees zur Zusammenarbeit. Auf die Frage, ob das IOC bei den Ermittlungen kooperiere, verneinte Chefermittler Aloysio Falcão. Dessen Kollege Ricardo Barbosa sagte Journalisten, man erwarte eine "Proaktivität" des IOC:
    "Wir sind offen für jedweden Repräsentanten des IOC, der uns aufsucht und hilft, bestimmte Daten abzugleichen. Aber bis jetzt hat das noch niemand getan."
    Mit "bestimmten Daten" meint Barbosa einen Austausch von Emails und Textnachrichten in den Monaten vor den Olympischen Spielen zwischen IOC-Präsident Thomas Bach und Patrick Hickey. Der damalige Boss des irischen Olympia-Verbandes ist Mitte August während der Spiele in Rio verhaftet worden und soll mit neun weiteren Verdächtigen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, illegalen Tickethandels und unautorisiertem Marketing angeklagt werden. Außerdem werde nun wegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung ermittelt. In den Emails bat Hickey Bach um hunderte zusätzliche Tickets für seinen Verband. Chefermittler Falcão:
    "Er wollte Tickets für die Eröffnungs- und Abschlusszeremonie, den Herren-Finals im Fußball und Basketball und dem Finale 100 Meter Leichtathletik."
    Eine Antwort von Bach auf die Bitte liegt den Ermittlern nicht vor. Aber der irische Verband erhielt vom IOC in Folge knapp 300 zusätzliche Tickets für die erbetenen Top-Veranstaltungen. Polizei und Staatsanwaltschaft in Rio verdächtigen den irischen Verband, Tickets über den Vermarkter "Pro10" an die nicht-lizensierte englische Sportmarketingfirma "THG Sports" weitergegeben zu haben. Die habe die Tickets laut den Ermittlern als Hospitality-Pakete zu überhöhten Preisen vertrieben und so umgerechnet gut drei Millionen Euro Gewinn gemacht. Ermittler Ricardo Barbosa:
    "Sie nutzte die ganze Macht des irischen Verbandspräsidenten, um die Akquise der Tickets zu vereinfachen."
    Wegen der Emails würden die Ermittler gern IOC-Präsident Thomas Bach als Zeugen vernehmen. Man habe mehrfach angefragt, so der Direktor der Spezialeinheit Ronaldo Oliveira. Das bestreitet Bachs Sprecher auf Anfrage des DLF. In einer Stellungnahme des Komitees heißt es, weder das IOC noch der IOC-Präsident seien von brasilianischen Behörden kontaktiert worden. Die Ermittler erklärten, außerhalb Brasiliens hätten sie keine Befugnisse, würden aber ein Amtshilfeverfahren einleiten.