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Im Alltag kein Problem

In Dänemark wird diskutiert, wie und ob islamische Religion neben katholischer und evangelischer unterrichtet werden soll. Momentan besteht im Königreich der Konsens: Dänemark sei ein Land mit christlichen Werten - daran müssten sich die muslimischen Zuwanderer anpassen. Was Kritiker eine Provokation gegenüber anderen Konfessionen nennen, funktioniert im Alltag ohne Probleme.

Von Marc-Christoph Wagner | 10.02.2010
    Die Kopenhagener Holbergschule. Rund 20 Prozent der Schüler sind moslemischer Herkunft. Erst in der vergangenen Woche machte die Schule Schlagzeilen, weil sie einen Abend nur mit Müttern organisierte. Das Entsetzen der dänischen Politiker war groß. Selbst der Vorsitzende der Grünen sah sich genötigt, die Initiative zu kritisieren:

    "Das ist doch absurd. In der Volksschule erziehen wir zu Demokratie und Gleichberechtigung. Niemand sollte sich reaktionären Vorstellungen beugen, dass Mann und Frau bei einem Elternabend nicht in einem Raum sitzen können."

    Dabei ging es gar nicht um Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen, sondern um den Versuch, muslimische Mütter an die Schule zu holen, die oft gar nicht am Schulalltag ihrer Kinder teilnehmen. Vor diesem Hintergrund wurde die Initiative sogar vom Integrationsministerium unterstützt. Doch eben das ist das Problem, sagt Lehrerin Janne Hjulmand Kolding. Immer wieder schürten dänische Politiker Populismus, jagten Gespenster, die es im Schulalltag nicht gebe. Womit sie just die von ihnen geforderte Integration muslimischer Schüler torpedierten:

    "Islam und Islamisierung - das ist doch hysterisch. Unsere Schüler tangiert das überhaupt nicht. Es sind die Erwachsenen, die den Islam als etwas Fremdes betrachten und Ängste schüren. Die Kinder hier machen keine Unterschiede. Sie kategorisieren ihre Freunde und Spielkameraden nicht nach Herkunft, Hautfarbe, Glauben oder was auch immer."

    Janne ist um die 40, ist sportlich-schick gekleidet, ihre Augen sind ebenso blau wie ihr Blick konzentriert. Seit 14 Jahren arbeitet sie an der Schule, unterrichtet in Dänisch, Gesellschaftskunde und Christentum. Ein Fach, sagt sie, mit dem sie moslemische Schüler ebenso erreicht wie solche christlicher Herkunft:

    "Natürlich arbeiten wir auch mit fremden Religionen und dann schauen wir, was ist uns gemeinsam, anstatt immer nur die Unterschiede zu betonen. Und oft öffnet das auch den moslemischen Schülern die Augen. Sie entdecken, dass wir Christen ihnen gar nicht so fremd sind, haben unsere Religionen doch die gleichen Wurzeln."

    Und, fügt Janne hinzu:
    "Der Islam ist in all unseren Fächern ein Thema. Wenn wir etwa Haushaltsunterricht haben und kochen, dann sprechen wir natürlich darüber, was man im Islam und in anderen Religionen essen darf, was nicht und warum."

    Anstatt zu politisieren und Gegensätze zu schüren, sagt Janne, geht es darum, die Probleme dort anzugehen, wo es sie gibt. Und eben das gelinge in der Regel, wenn der Wille auf allen Seiten vorhanden sei, ja vor allem dann, wenn man Schüler und Eltern in Entscheidungen einbinde. Wenn man zuhöre und miteinander rede, anstatt voreilig zu urteilen und nur die vorgefasste Meinung zu bekräftigen. Findet übrigens auch der zuständige Bildungs- und ehemalige Integrationsminister Bertel Haarder. Der Islam, sagt er, ist eine Realität. Berührungsängste dürfe es nicht geben - weder auf moslemischer, aber eben auch nicht christlicher Seite:

    "Natürlich ist es relevant, den Schülern ein Grundverständnis an die Hand zu geben. Was ist der Islam? Was sind die Unterschiede und welche Gemeinsamkeiten gibt es zwischen dem Islam, dem Juden- und dem Christentum? Das sind doch heute fundamentale Fragen."

    Dialogbereitschaft und guter Wille also sind selbst in der dänischen Politik in Ansätzen vorhanden. Wenn auch ein eigentlicher Islamunterricht an öffentlichen Schulen noch auf Jahre hinaus undenkbar scheint.